Misstrauen gegenüber der Technik verstärkt sich mit dem Wahltag in den USA

Bild: DonkeyHotey/CC BY-2.0

Gefürchtet wird, dass Wahlcomputer manipuliert werden könnten, Sicherheitslücken weisen auch die US-Medien auf, die über die Wahl berichten

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Dass die veralteten Wahlcomputer in den USA offen für Manipulationen sind, ist bekannt. Es gibt nur den Vorteil, dass die 9000 Wahlbezirke nicht zentral organisiert sind, sondern in ihren Verfahren und Geräten unterscheiden, so dass Experten davon ausgehen, dass allein die Dezentralität größere und wahlentscheidende Manipulationen verhindern wird.

Angeblich sollen russische Hacker auch Wahlsysteme angegriffen haben, ebenso wie verantwortlich gemacht werden, in die Computer des Democratic National Committee (DNC) eingedrungen zu sein und dort Dokumente und Emails entwendet zu haben. Sie wurden über WikiLeaks von den Hackern verbreitet und führten u.a. zu peinlichen Erkenntnissen über Hillary Clinton, den Rücktritt der Debbie Wasserman Schultz, weil sie mit anderen der Partei systematisch die Kandidatur von Clinton-Konkurrent Bernie Sanders verhindert hat, oder zum Skandal über Donna Brazile, die Publikumsfragen vorzeitig an Clinton übermittelt haben soll.

Wer auch immer für die Hacks verantwortlich ist, hat tatsächlich in die Wahl durch die Verbreitung von Informationen eingewirkt und zudem mitgeholfen, eine paranoide Stimmung zu schaffen, die Clinton mit Blick auf Russland als dem Feind von außen und Donald Trump mit Blick auf seine mögliche Niederlage durch Manipulation der Ergebnisse kräftig mit schürten. Das latent in den USA sowieso vorhandene Misstrauen wurde dadurch noch einmal verstärkt. Nach einer Umfrage hat eine Mehrheit der Trump-Wähler kein Vertrauen, dass die Stimmen richtig ausgezählt werden (Viele Amerikaner misstrauen dem Wahlsystem - und dem ganzen politischen System). Und auch das politische System scheint erschüttert zu sein. So wird Russland schon gedroht, mit Cyberangriffen zurückzuschlagen, wenn es zu Störungen der Wahl komme. Die US-Geheimdienste hätten dazu bereits Vorsorge getroffen.

Nachdem das Heimatschutzministerium das Wahlsystem zur kritischen Infrastruktur erklärte und Hilfe zur Sicherung anbot, wurden auch von republikanischen Politikern der Verdacht geäußert, Washington wolle mit der Überprüfung der Technik heimlich Vorsorge zur Manipulation schaffen. Derweil sind viele rechte Gruppen unterwegs, die nach Trumps Devise die Wahlbüros überwachen wollen, aber es haben sich 100 Bürgerrechtsorganisationen unter dem Dach der Election Protection Coalition zusammengeschlossen, um mit Tausenden von Helfern vor Ort Manipulationen, Einschüchterungen oder Abweisungen zu verhindern. Rechte Gruppen haben schon seit Wochen für den Ernstfall geübt, um sich bewaffnet zu "verteidigen", wenn Clinton an die Macht kommen sollte, weil sie wähnen, dann würden ihnen die Waffen weggenommen.

Gerade wurde erneut von der Sicherheitsfirma Cylance vorgeführt, wie ein Wahlcomputer, die Wahlmaschine Sequoia AVC Edge Mk1, die in 13 Bundesstaaten verwendet wird, relativ leicht durch Einführung einer PCMCIA-Karte so manipuliert werden kann, dass sich die Zahl der Stimmen beliebig verändern lässt. Allerdings müssten hier die Maschinen einzeln umprogrammiert werden, auch hier zeigt sich, dass größere Manipulationen bei den Wahlcomputern eher unwahrscheinlich sind.

Misstrauen gegenüber den Medien durch mangelnde Sicherheit

Die kalifornische Sicherheitsfirma Upguard hat sich, wie McClatchy berichtet, hingegen einmal die US-Medien vorgenommen, die zumindest vor und am Wahltag mit den von ihnen verbreiteten Daten und Informationen Einfluss auf das Wählerverhalten nehmen können. Untersucht wurden 20 der größten Medien, wie gut oder schlecht sie ihre Computer vor Hackern geschützt haben. Überprüft wurde nach 20 Kriterien, die allgemein als beste Sicherheitsvorkehrungen gelten, beispielsweise die Verwendung von Verschlüsselung. Ausgenommen blieb übrigens McClatchy, man will wohl nicht schlecht über sich selbst berichten müssen.

Besonders schlecht schnitten Associated Press, das Wall Street Journal und CBS News ab. Das Rating, das sie bekamen, würden sonst Unternehmen mit großen Sicherheitslücken erhalten. Aber auch MSNBC, Hufdington Post, CNN, New York Times, Bloomberg, Politico, USA Today oder Reuters landeten auf den unteren Plätzen, wären also dafür nach Upguard anfällig für Hackerattacken. Am sichersten werden Yahoo, Guardian, C-SPAN, Buzzfeed und die Washington Post eingestuft, allerdings soll Buzzfeed Anfang Oktober gehackt worden sein.

In das Netzwerk eines Nachrichtenmediums einzudringen und falsche Informationen zu verbreiten, könnte den Trend verstärken, so Greg Pollock, der Vizepräsident von Upguard, "sich über die Wahlen lustig zu machen und ein Gefühl der Irrealität zu schaffen". McClatchy hat bei CBS und dem Wall Street Journal angefragt, aber keine Antwort erhalten, AP habe erklärt, die ergriffenen Sicherheitsmaßnahmen nicht zu kommentieren. AP etwa würde nach Upguard einen Windows-Server namens Microsoft-IIS/7.5 einsetzen, was von außen erkennbar sei. Als Hacker müsse man nur googlen, um die Sicherheitslücken herauszubekommen, um zu überlegen, wie man einbrechen oder einen DoS-Angriff starten könnte.

Sicherheitsexperten erklären, man müsse nur auf Hacks warten. Bei sinkenden Einnahmen der Medienbranche würde weniger auf Sicherheit geachtet. Und so lange nichts passiert, würden Medienunternehmen auch die Sicherheitsprobleme gerne ignorieren. Sollten jetzt tatsächlich solche Manipulationen vorfallen, dann würde nach dem Misstrauen in die Wahlsysteme und Wahlverfahren auch das Misstrauen in die Medien weiter steigen. Auch ihnen wird in den USA nicht mehr als hierzulande vertraut.

Nach einer PEW-Umfrage vom Juli des Jahres verfolgen nur 27 Prozent der 18-29-Jährigen regelmäßig die Nachrichten. Unter den Über-65-Jährigen sagen dies noch 77 Prozent. Das Misstrauen gegenüber der Berichterstattung der nationalen Medien ist bei den jungen Amerikanern auch am höchsten, gerade einmal 10 Prozent haben in diese noch Vertrauen. Die "Lügenpresse" gibt es daher nicht nur in Deutschland. Bei den Über-65-Jährigen ist das Vertrauen zwar noch am höchsten, aber das hat auch nur ein Viertel.