Soldaten wie Du und Ich

Screenshot aus der YouTube-Serie "Die Rekrtuten"

Eine Woche mit der Bundeswehr-Webserie "Die Rekruten"

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Das war's dann erst mal mit dem Kriegsschiff. "Insgesamt ist es ganz gut gelaufen, ich bin nur derzeit borduntauglich", berichtet Matrose Keitel zerknirscht. Seine Weisheitszähne machen ihm Probleme. Ob die gezogen werden, das entscheidet sich erst in sechs Wochen, und bis dahin darf er nicht auf See. "Blöde Geschichte", seufzt der junge Mann mit den roten Haaren in die Kamera.

So ist das eben bei der Bundeswehr. Alles ganz normal, irgendwie menschlich, mit Menschen wie du und ich. So stellt es jedenfalls die neue Reality-Doku "Die Rekruten" dar, die seit einer Woche täglich mit einer neuen Folge auf YouTube läuft. Drei Monate lang zeigt die Bundeswehr zwölf Rekruten bei der Grundausbildung. 1,7 Millionen Euro kostet das Format, weitere 6,2 Millionen Euro die begleitende Social-Media- und Plakatkampagne. All das soll der Bundeswehr neue Rekruten bringen (Bundeswehr will mit Reality-Doku Rekruten werben).

"Deine Grundausbildung als Webserie" heißt es im Untertitel. Und dieses Du ist es auch, was die Serie ausmacht: Im Mittelpunkt steht zunächst nicht die Bundeswehr, nicht ihre Geschichte oder ihre Einsätze, sondern die Menschen, die dorthin gehen. Junge Leute wie Julia, Nathan und Jerome: Das sind drei der zwölf Rekruten, die mit der Kamera durch die Grundausbildung in der Marinetechnikschule Parow bei Stralsund begleitet werden, ohne Skript, wie die Bundeswehr betont. Oft filmen sich die Rekruten selbst, so wie das YouTube-Nutzer mit ihren Smartphones auch machen. Das sieht zwar oft primitiv aus, soll aber Nähe schaffen: So aktiviert man Spiegelneuronen. Die User erkennen sich selbst.

Wie bei uns zu Hause

Daher werden Julia, Nathan und Jerome auch mit eigenen Homestories vorgestellt. Zu Hause, Eltern, Geschwister und Großeltern sind auch dabei. "Ich würde gerne meinen Freund mitnehmen", sagt Julia und packt ihre Sachen zu Abreise. Sie ist die "Biker Queen", weil sie gerne Motorrad fährt. Die Bundeswehr hat sich auch für die anderen vermeintlich coole Namen ausgedacht, die die jugendliche Zielgruppe ansprechen sollen: Nathan ist der "Family Guy", seine Familie geht ihm über alles. Und Jerome ist "Der Checker": Er ist der Coole aus Moers, er hat sogar einen "Habibi-Onkel", der mit "Yo, Yo, was geht" grüßt.

Die Metabotschaft ist klar: Es sind Typen wie Du und ich, die zur Bundeswehr gehen. Die potenziellen Rekruten sollen sich und ihre Freunde wiederkennen. Auch das Konzept der Homestory ist aus unzähligen Reality-Serien bekannt, erprobt und vertraut. Man würde sich nicht wundern, wenn bei Jerome und seiner Familie plötzlich der Trödeltrupp auftaucht oder die Kochprofis zusammen mit Frank Rosin die Küche testen.

Erst als Jerome in die Kamera sagt, man solle den Rekruten auf Facebook folgen, wird wieder klar, dass hier gefilmt wird. Jerome sagt das natürlich anders und schiebt noch ein: "Ich bin erst mal raus, hau rein, Alter" nach. So redet der Checker eben. Sonst wäre er ja nicht der Checker, Alter!

Nachwuchs verzweifelt gesucht

"Die Rekruten" sind nicht die erste PR-Kampagne der Bundeswehr seit der Aussetzung der Wehrpflicht am 1. Juli 2011. Es gab "Wir.Dienen.Deutschland", die Kampagne kam mit "dienen" und "Deutschland" noch sehr staatstragend daher.

Es folgte "Mach', was wirklich zählt". Damals gab es Botschaften wie "Krisenherde löschst du nicht mit Abwarten und Tee trinken". Auch Kritik wurde aufgegriffen und umgedreht "Wir kämpfen auch dafür, dass du gegen uns sein kannst." Letztlich stand hier aber die eigene Karriere im Vordergrund, die entsprechende Internetseite hebt die Bedeutung der Bundeswehr als Arbeitgeber hervor.

Doch die angestrebte Personalstärke von 170.000 Soldatinnen und Soldaten hat die Bundeswehr bislang nicht erreicht. Das sollen jetzt die "Rekruten" richten. Keine PR-Kampagne stellt so konsequent die potenziellen Bewerber und Bewerberinnen in den Mittelpunkt. Die Serie beginnt mit der Anreise, vom Bahnhof geht es per Bus zur Kaserne. Die Rekruten-Rollkoffer brettern über das Pflaster, wie man das kennt - auch hier also: Alles ganz normal.

Erste Anweisungen führen zu einem kleinen Drama: "Jetzt muss ich meine ganzen Piercings rausmachen", jammert Julia. Das lässt sich die Regie nicht entgehen, mit trauriger Musik wird die Szene unterlegt und in der nächsten Folge gleich noch mal wiederholt. Kein Frage, die Macher haben ihre TV-Lektion gelernt: Drama, Baby.