"Weniger Amerika, mehr Putin"

Reaktionen aus Polen und dem Baltikum

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

"Nicht nur sehr gut, sondern sogar noch besser", würden nun die "polnisch-amerikanischen Beziehungen", kommentierte der polnische Verteidigungsminister Antoni Macierewicz. Weitere führende Politiker schlugen einen ähnlichen Ton an. In Polen ist man im Lager der Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) erfreut. In Polen sind auch liberale Politiker lieber auf Seiten der Republikaner. Die Polen in den USA, die Trump mehrfach umworben hat, wählten traditionell die Partei mit dem Elefanten.

Ryszard Czarnecki, Europapolitiker der PiS, verwies in der Wahlnacht darauf, dass Clinton für Moskau-Nähe stünde und Polen zu ihrer Amtszeit als Außenministerin auf "dem Altar der amerikanisch-russischen Annäherung" verkauft worden wäre.

Parallelen zwischen den USA und ihrem Land ziehen rechte wie liberale Journalisten: "Amerika zog Vitalismus und einfache Werte der demoralisierten Oligarchie der Demokraten vor", freut sich der einflussreiche Publizist Piotr Semka. Dies könnte auch eine Beschreibung des Wahlsiegs der PiS über die liberal-konservative PO (Bürgerplattform) vor einem Jahr sein.

In beiden Länder herrsche eine Teilung der Gesellschaft, habe der Populismus Konjunktur, so sieht dies die regierungskritische "Newsweek Polska", die schon am Montag auf ihrer Titelseite Gesichtshälften von Donald Trump und PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski kombiniert hatte. "Weniger Amerika, mehr Putin" titelt die Internetseite der aktivistischen Zeitschrift nach der Wahl.

Auch der ehemalige Außenminister Radoslaw Sikorski, selbst einst in dem rechten US-Thinktank American Enterprise Institute unterwegs, sieht Trump gar als einen Verehrer Putins und hält den Zusammenhalt der EU noch für stärker gefährdet. Polen solle nun die Konflikte mit Brüssel beenden – wobei dies die einsame Stimme eines Predigers in der Wüste sei.

Sorge in den baltischen Staaten

In den baltischen Staaten wird Trumps Wahlsieg allgemein pessimistisch gesehen. Während führende Politiker in neutraler Tonlage gratulierten und beschwören, dass die USA ein wichtiger Bündnispartner seien, erinnerten die Internetportale der Zeitungen an einen Spruch des Präsidentschaftskandidaten im April - er würde den baltischen Staaten bei einem Angriff des russischen Nachbarn nur beistehen, wenn sie "ihre Verpflichtungen uns gegenüber erfüllt haben". Lettland und Litauen schaffen es derzeit nicht, zwei Prozent des Haushalts für Verteidigungsausgaben zur Verfügung zu stellen.

Somit stellte der amerikanische Politiker den Artikel 5 des NATO-Vertrags, die Beistandspflicht im Bündnisfall in Frage (Verunsicherung durch Donald Trump). "Die USA wird sich durch Trump mehr isolieren und ihre Beteiligung in der NATO schwächen", befürchtet die ehemalige Außenministerin Lettlands und derzeitige EU-Abgeordnete Sandra Kaliente.

Durch Trump und den Brexit hätten die beiden wichtigen Säulen der lettischen Sicherheit Risse bekommen. Garry Kasparow, der prominente Putinkritiker und Schachmeister, sieht es wie gewohnt dramatischer: "Die baltischen Staaten ist es todernst damit, dass ihr Leben und ihre Nation in Gefahr sind", so sein Twitterbeitrag auf die Nachricht, dass einige US-Amerikaner daran denken, nach Kanada zu migrieren.

Polen kann übrigens kurz nach Amtsantritt im Januar die Glaubwürdigkeit Trumps auf die Probe stellen. Der Republikaner versprach das sofortige Aufheben der Visapflicht für Polen, um das Dauerärgernis zu beheben. Den Polen wird immer noch als potentiellen Schwarzarbeitern der Zugang zu den USA erschwert, obwohl sich Polen stets als treuer Bündnispartner, so zum Beispiel 2003 im Irakkrieg, als erwiesen hatte. Bislang wurde das Land von jedem US-Präsidenten in dieser Frage nur vertröstet.