Menschenrechte unter Trump: "Jetzt erst recht"

"Unsere Anliegen sind heute noch wichtiger, als [am Dienstag]", reagierte die US-Amerikanerin Amie Stepanovich auf die Ergebnisse der US-Wahlen. Sie setzt sich bei der NGO Access Now für digitale Bürgerrechte ein.

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Amie Stepanovich

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 5 Min.
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"Es ist ganz wichtig, weiterzumachen", betonte Amie Stepanovich am Donnerstag gegenüber c't, "Unsere Anliegen sind heute noch wichtiger, als [am Montag]." Die US-Amerikanerin befasst sich bei der international tätigen Nichtregierungsorganisation Access Now mit US-Normen und Verwaltungsabläufen, und überprüft sie auf ihre Auswirkungen auf Menschen- und Bürgerrechte im digitalen Raum. Ihr persönlicher Schwerpunkt liegt dabei auf Datenschutz und digitaler Sicherheit.

Ob eine Stimme zählt hängt davon ab, wo man als Amerikaner wohnt und wen man wählt.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

"Der Datenschutz ist [in den USA] keine parteibezogene Sache", berichtete die Expertin ihre persönliche Einschätzung, "Oft zu sehen ist ein Graben zwischen denen, die die nationale Sicherheit fördern wollen einerseits, und jenen, die für Menschenrechte eintreten andererseits. Dabei müssen diese Ziele nicht in Widerspruch stehen." Gemeinsam mit ihren Kollegen möchte sie nun genau beobachten, was die neuen Mitglieder des US-Parlaments und der zukünftigen US-Regierung unter Donald Trump tun werden.

"Mit Ihnen in Verbindung treten, Information geben, Fragen beantworten", sind dann die wichtigsten Schritte. Was Trump vorhat, weiß niemand. Doch auch ohne Initiativen seinerseits gibt es genug zu tun. Beispielsweise läuft Ende 2017 jener Teil des Patriot Act aus, der dem geheim tagenden Gericht FISA erlaubt, besonders langfristige Spionagegenehmigungen zu erteilen (FISA s. 207). "[Dieser Abschnitt] wird verlängert werden. Aber wir wollen Sicherheitsschranken einziehen."

Daneben erwartet Stepanovich immer mehr Diskussionen über grenzüberschreitende Datenübertragung. Das Europäische Parlament steht kurz davor, über das Regenschirm-Abkommen (Umbrella Agreement) zwischen der EU und den USA abzustimmen. Es soll den Austausch personenbezogener Daten zur Verhütung, Untersuchung, Aufdeckung und Verfolgung von Straftaten zwischen Behörden auf beiden Seiten des Atlantik regeln.

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Themen der NGO Access Now sind Datenschutz, Freie Meinungsäußerung, Versammlungsfreiheit und andere Menschenrechte im digitalen Raum, digitale Sicherheit und Netzneutralität. "Wir setzen uns für gefährdete User in aller Welt ein: Aktivisten, Journalisten, Personen die im Fadenkreuz von Regierungen oder Verbrechern stehen, und generell Menschen, die ihre Interessen nicht selbst vertreten können", umriss Stepanovich.

Auch der kommerzielle Datentransfer über den Atlantik bleibt Thema. In der EU laufen Klagen sowohl gegen das "Privacy Shield" als auch gegen die Anwendung der so genannten Standardvertragsklauseln. Zu klären ist, ob der EuGH den Judicial Redress Act als ausreichenden Schutz der Rechte der EU-Bürger betrachtet.

Der NSA-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages ist ebenfalls von Interesse für Stepanovich. Vielleicht werden dort ja Dinge aufgedeckt, die die US-Regierung bislang geheim gehalten hat. "Deutschland will den 'Five Eyes' beitreten", erklärt die US-Amerikanerin, also jene Spionage-Partnerschaft, zu der sich die USA, Kanada, das Vereinigte Königreich, Australien und Neuseeland zusammengeschlossen haben. Über das zugrundeliegende Abkommen ist so gut wie nichts bekannt.

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Das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten verhandeln derzeit noch ein anderes Abkommen. Es soll in beiden Ländern Lauschangriffe der Behörden des jeweils anderen Landes legalisieren. "Leider sind die Regeln des britischen Investigative Powers Act, nach dem britische Behörden abhören dürfen, viel lockerer als in den USA", berichtete Stepanovich. Zwar würden die USA die Überwachung von US-Personen offiziell nicht genehmigen, aber deren Privatsphäre nebenbei zu verletzen werde dann zulässig sein. Sowieso ist der Unterschied, den das US-Recht bei Menschenrechten zwischen US-Personen und Ausländern macht, Stepanovich ein Dorn im Auge.

In den USA selbst erwartet sie einen zunehmenden Einfluss der IT-Konzerne auf die Politik. Zwar werde deren Wunschkandidat nicht wieder ins Weiße Haus einziehen, aber es gab am Dienstag ja noch zahllose weitere Wahlgänge. "[Die IT-Konzerne] haben eine Reihe von Kandidaten unterstützt die gewählt wurden." Das verschafft den Spendern nun eine gute Gesprächsbasis mit diesen Amtsträgern.

Am Donnerstag trafen Trump und Obama einander zum ersten Mal.

Stepanovichs Bilanz der Amtszeit Barack Obamas aus Perspektive des Datenschutzes fällt "gemischt" aus: "Er hat einige wirklich tolle Dinge getan. Er hat Dokumente verfasst, in denen beim Datenschutz zum aller ersten Mal auch über Menschen außerhalb der USA gesprochen wird." Und mit dem Federal Privacy Council hat er eine interministerielle Arbeitsgruppe für Datenschutz geschaffen.

"Aber er hat sich nicht für starke Verschlüsselung eingesetzt. Obwohl er über die Datenschutzinteressen von Ausländern gesprochen hat, hat er deren Recht darauf nicht anerkannt. Darüber hinaus führte Obama viel mehr Strafverfahren [gegen Whistleblower]", erinnerte die Aktivistin, "Dazu kommen Probleme mit der Informationsfreiheit. Und er hat zwar mehrere Versionen des Cybersecurity-Gesetzes (CISPA, CSIA, Anmerkung) durch eine Vetodrohung gestoppt, aber dann seine Position geändert und die [als Cybersecurity Act] verabschiedete Version unterzeichnet."

Dieser Artikel ist Teil einer Serie zur Lage nach den jüngsten Wahlen in den USA. c't trifft dazu in der US-Hauptstadt Washington, DC, Experten mit unterschiedlichen Einstellungen und Arbeitsgebieten. Die Gesprächspartner vertreten dabei ihre persönliche Meinung, nicht die einer Organisation der sie unter Umständen angehören.

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(ds)