Delikte gegen Flüchtlinge: Hässliche Zahlen von Verletzten und Straftaten

Foto: tmeier1964/CC0 Public Domain

Die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken meldet 1.803 Delikte gegen Asylbewerber und Flüchtlinge bis Ende September 2016

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Es ist eine hässliche Zahl aus dem Polizeiregister: 98 Personen wurden bei begangenen Gewaltdelikten im Zusammenhang mit Straftaten gegen Asylunterkünfte und Asylbewerber im dritten Quartal 2016 verletzt, geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine "Kleine Anfrage" hervor. Aufgeschlüsselt wird die Zahl in "10 Verletzte bei Straftaten gegen Asylunterkünfte, 87 Verletzte bei Straftaten gegen Asylbewerber, ein Verletzter bei Straftaten gegen Hilfsorganisationen bzw. ehrenamtliche/freiwillige Helfer".

Die Anfrage wurde Anfang November beantwortet. Nun veröffentlich sie die Bundestags-Abgeordnete der Linken, Ulla Jelpke. Sie hat sie zusammen mit Fraktionskollegen gestellt hat. Jelpke zitiert aus der Antwort der Regierung 91 verletzte Flüchtlinge. Aus dem eingangs erwähnten Passus der Antwort geht nicht genau hervor, wer verletzt wurde. Dass sich die Gewaltdelikte sich gegen Asylunterkünfte und Asylbewerber richteten aber schon.

Die Bundestagsabgeordnete stellt den 91 verletzten Flüchtlingen die Zahl von 22 Personen gegenüber, die in den ersten drei Quartalen des Vorjahres verletzt wurden. Sie spricht von einer "massiven Steigerung".

Kern der Anfrage ist der bekannt neuralgische Punkt der gesellschaftlichen Debatte über Flüchtlinge: Wann werden Grenzen in der Diskussion bzw. in den Äußerungen zum Thema Asyl und Zuwanderung überschritten, so dass Gewaltbereitschaft gefördert wird.

Die Abgeordneten der Linken hatten ihre Fragen darauf konzentriert, von der Regierung Antworten auf politisch motivierte Gewaltdelikte gegen Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte zu bekommen.

Die Listen, welche die Regierung mitgeschickt hat, dokumentieren die politisch motivierte Kriminalität (PMK), worunter gemeldete Straftaten fallen, die seitens der zuständigen Landespolizei als politisch motiviert bewertet wurden. Auch sie liefern hässliche Zahlen und ein hässliches Muster.

813 Delikte, die der "PMK-rechts" zugeordnet sind, werden auf der Liste Straftaten "gegen Asylunterkünfte"1 für den Zeitraum vom 01.Januar 2016 bis zum 30.09. September 2016 ausgewiesen.

Wer sie runterscrollt, sieht "Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach § 86a StGB, sehr oft "Volksverhetzung", zwischendrin "Beleidigung", "Hausfriedensbruch", viel "Sachbeschädigung", immer wieder mal "Bedrohung" - und dann, eben gar nicht so selten, "Verstöße gegen das Waffengesetz", "gefährliche Körperverletzung" und "Brandstiftung".

Die zweite Liste ist noch viel länger.2 Sie umfasst die Delikte gegen Asylbewerber und Flüchtlinge, die außerhalb der Asylunterkünfte ausgeübt wurden. Aufgelistet werden 1.803 Delikte. Auch hier sticht das häufig genannte "Volksverhetzung" ins Auge und auf kaum einer der 56 Seiten taucht die Straftat "Körperverletzung" nicht auf. Auch hier sind alle Delikte als "PMK-rechts" gemeldet.

Die dritte Liste ist mit 142 Delikten die kürzeste. Sie wird mit dem Unterthema Delikte "gegen Hilfsorganisationen, ehrenamtliche/freiwillige Helfer" überschrieben.

Die Linken-Abgeordnete Jelpke notiert dazu in ihrem Kommentar eine Steigerung der Übergriffe gegen Asylunterkünfte von 575 im gleichen Zeitraum des Vorjahres auf 813 und dass die "Hochzeit solcher Angriffe vorüber ist, da die Zahl im dritten Quartal deutlich niedriger lag als in der ersten Hälfte".

Dennoch gebe es für Entwarnung keinen Grund, sie verweist dabei besonders auf die oben genannte Zahl der Verletzten, die "massiv" gestiegen sei. Sie bezeichnet die Gewalt gegen Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte als "Anfänge rechtsterroristischer Bestrebungen", denen politisch entgegengetreten werden müsse. Dabei nimmt sie nicht nur die AfD, sondern auch Unionspolitiker in die Verantwortung:

Wer Flüchtlinge als Bedrohung für die Gesellschaft darstellt, gibt den Tätern damit politische Rückendeckung.

Ulla Jelpke

Auch BKA-Chef Holger Münch warnte Ende Juni dieses Jahres vor der Gefahr einer zunehmenden Radikalisierung auf der rechten Seite und verwendete den Begriff Terror:

Es ist nicht auszuschließen, dass sich aus einer derartigen Bewegung heraus am Ende Strukturen abspalten, die sich radikalisieren - bis hin zu terroristischen Strukturen.

Holger Münch

"Volksverhetzung" wertete Münch als Vorstufe zur Gewalt. Im Zusammnehang mit der Radikaliserung hob er hervor, dass ein Großteil der Übergriffe gegen Asylbewerberheime auf das Konto von Tätern gehe, "die vorher nicht in der rechten Szene in Erscheinung getreten sind" und aus dem regionalen Umfeld der Unterkünfte kämen.