Obama: Späte Einsicht über al-Qaida in Syrien

Al-Nusra-Front mit Ahrar-al-Sham und FSA, Sepember 2015, Propagandabild

Die al-Nusra-Front und Scheich al-Muhaysini kommen auf die Terrorliste. Drohnenangriffe gegen die Führung der syrischen "Rebellen"-Miliz angeordnet

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Eine Einsicht, lange Zeit in den Hintergrund geschoben, weil sie zu nah an der syrisch-russischen Sichtweise liegt, darf nun, in den letzten Tagen der Regierung Obama, endlich ans Tageslicht. Anschaulich wird sie von einem hochrangigen US-Vertreter geschildert:

Wenn wir in fünf Jahren aufwachen und der "Islamische Staat" tot ist, aber al-Qaida im Nordwesten Syriens über ein Territorium herrscht, das den pakistanischen Stammesterritorien gleicht, dann haben wir ein Problem.

US-Offizieller

Das Zitat entstammt einem Artikel der Washington Post vom 10.November. Er erstaunt mit einer kleinen Förmlichkeit.

Die US-Zeitung nennt al-Nusra beim alten Namen und als al-Qaida-Miliz. Die letzten Wochen hatte sie wie viele oder vielleicht gar die meisten anderen westlichen Medien das PR-Manöver der Dschihadisten mitgemacht und hauptsächlich den neuen Tarn-Namen Jabhat Fatah al-Sham verwendet. Der war genau dafür vorgesehen, dass die al-Qaida-Verbindung der Nusra-Front in Vergessenheit gerät.

Die Nachricht des Artikels behandelt eine Anweisung des Präsidenten Obama, die vor ein paar Monaten einen größeren Wirbel ausgelöst hätte, weil sich die USA damit auf die Seite der syrischen Regierung und Russlands gestellt hätte.

"Führer aufspüren und töten"

Obama hat, wie die Washington Post berichtet, "das Pentagon angeordnet, die Führer der mit al-Qaida verbundenen Gruppe (al-Nusra-Front, Erg.d. Verf.) in Syrien aufzuspüren und zu töten". Bemerkenswert ist der Zusatz, weil er ein Eingeständnis enthält: Die Regierung habe die al-Qaida-Miliz, welche die Spitze des Kampfes gegen die syrische Regierung bildet, größtenteils ignoriert.

Spät also gesteht die scheidende US-Regierung die Erkenntnis öffentlich ein, dass al-Qaida im Norden Syriens ein Netzwerk aufgebaut hat und der Präsident ordnet das für ihn typische Kriegsmittel an, die gezielte Tötung von wichtigen Führungsmitgliedern einer Terrororganisation.

Die neue Anordnung gebe dem Joint Special Operations Command (JSOC) des US-Militärs eine größere Befugnis, mehr Drohnen und eine größere Versorgung mit Geheimdienstinformationen, um gegen al-Nusras "breitere Führungsschicht, also nicht nur (!) al-Qaida-Veteranen oder solche, die direkt in Anschlagsplanungen verstrickt sind" vorzugehen, berichtet die Zeitung. Hinzugefügt wird, Obama sei besorgt, dass Jabat al-Nusra Teile Syriens in eine neue Basis für al-Qaida-Operationen verwandelt.

Im August und im September hätte eine Benennung der Dschihadisten-Miliz al-Nusra als Terrororganisation und daraus folgende Konsequenzen möglicherweise die Eskalation in Aleppo verhindern können, die in den Medien als Kriegsverbrechen gegen Zivilisten und besonders Kinder mit zwei Hauptverantwortlichen dargestellt wurde: die syrische und die russische Regierung.

"Möglicherweise", weil natürlich nicht klar ist, ob al-Nusra und die ihr angeschlossenen und untergeordneten Milizen aufgegeben hätten, wenn sie keine Unterstützung mehr bekommen und isoliert werden. Ihre Chancen hätten sich aber auf jeden Fall merklich verkleinert, wenn auch die USA die Miliz als "Terroristen" bezeichnet und behandelt hätten, mit Konsequenzen für deren Kriegsverbündete - was Russlands Außenminister über Wochen hinweg vergeblich forderte.

Der Wechsel der Perspektive

Nun scheut die US-Regierung nicht mehr davor zurück, Führungsfiguren des syrischen Dschihad, wie Scheich al-Muhaysini (vgl. Aleppo: Die Inszenierung von al-Qaida), offiziell als Terroristen auszuweisen. Das State Department hat al-Nusra in einem Schreiben vom 10.November in die Liste der Terrororganisationen aufgenommen. Auch das hatte Russlands Führung lange und vergebens gefordert.

Die US-regierungskritische Webseite Moon of Alabama stellt die veränderte Weichenstellung in einen engen Zusammenhang mit der Wahl Trumps: Die Hardliner in der Regierung Obama, im Verteidigungsministerium und unter den Generälen hatten darauf gebaut, dass sie mit Clinton nicht nur ihre Jobs behalten hätten, sondern ihren Kurs, der sich hauptsächlich an der Konfrontation mit Russland orientiert, zu verschärfen.

Eine sehr deutliche Einschätzung der Gefahren von al-Nusra ("Wenn der IS eine Infektion ist, dann ist al-Qaida Krebs") war auch schon am 3.November im Blog des regierungsnahen Rand-Thinktanks zu lesen, als Hillary Clinton noch gute Aussichten auf einen Wahlsieg zugerechnet wurden.

Das zeigt, wie unterschiedlich die Lager in der Regierung Obama waren. Sicher ist, die al-Nusra-Unterstützer, allen voran Verteidigungsminister Carter und die Generäle hatten die Oberhand - und der übergroße Teil der Medien war ihnen zu Diensten, bis weit nach Deutschland hinein.

Wie erklärte der Spiegel Anfang August noch die Lage? "Die Islamisten sind Aleppos letzte Hoffnung" (siehe: Berichterstattung: Die "Wahrheit über Aleppo"). Dass Islamisten mit al-Nusra-Dominanz gleichzusetzen war, war damals schon kein Geheimnis.