Anerkennung von Kinder-Ehen vom Tisch

Mädchen mit Zeichnung zu Kinderehen in Syrien. Foto: toyoungtowed.org - Wikimedia/CC BY-SA 3.0

Justizminister Maas will das Heiratsalter verbindlich auf 18 Jahre festlegen

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Noch im November will Justizminister Heiko Maas (SPD) einen Entwurf zur Neuregelung des Eherechts vorlegen. Kinder-Ehen sollen demnach generell verboten, das Heiratsalter für alle verbindlich auf 18 Jahre festgelegt, und im Ausland geschlossene Ehen mit Beteiligten unter 16 Jahren gar nicht, und unter Beteiligung Minderjähriger von 16 und 17 Jahren nur dann anerkannt werden, wenn das Paar Kinder hat. Und auch dann nur nach eingehender Prüfung.

Außerdem will der Minister die 2009 abgeschaffte Standesamts-Pflicht wieder einführen. Das ist einem Interview der Katholischen-Nachrichten-Agentur zu entnehmen. Das bestätigte der Minister auch auf seiner Facebookseite. Da die Unionsparteien ähnliche Vorstellungen bezüglich der Kinder/Frühehe haben, ist davon auszugehen, dass die Vorlage zügig in ein Gesetz gegossen wird.

Kein Zwei-Klassen-Eherecht

Laut Merkur äußerte der Minister sich sehr deutlich. Maas sagte demnach: "Heiraten darf grundsätzlich erst, wer 18 Jahre alt ist." Ehen von Minderjährigen unter 16 Jahren müssten in Zukunft ausnahmslos verboten sein, wird der Minister zitiert. Solche im Ausland geschlossenen Ehen würden in Deutschland "nicht mehr anerkannt und seien nichtig".

Damit reagiert Maas auf die harsche Kritik auf seine kürzlich geäußerten ersten Überlegungen, ein Quasi-Zwei-Klassen-Eherecht einzuführen, in dem in Deutschland geborene Mädchen (und Jungen) vor Kinder/Früh-Ehen geschützt werden, zugewanderte hingegen nicht. Im Ausland geschlossene Ehen Minderjähriger sollten demnach grundsätzlich anerkannt werden, es sei denn, die betroffenen Minderjährigen beantragten selbst vor einem Familiengericht Schutz.

Da stellte sich die Frage: Welche 13jährige geflüchtete Syrerin, einquartiert in einer Massenunterkunft, ihrem Ehemann auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, der in aller Regel das gesamte, dem Paar oder der Familie zustehende Geld an sich nimmt und verwaltet, häufig komplett verschleiert und bar jeder Sprachkenntnisse, geschweige denn Kontakte, die noch nie in ihrem Leben nach ihrer Meinung gefragt worden ist, wird von sich aus ein Jugendamt oder Familiengericht aufsuchen, um von ihrem Recht Gebrauch zu machen, ihre Ehe annullieren zu lassen?

Positive Entwicklung

"Hat seine Freundin (oder die SPD) ihn zur Vernunft gebracht?", titelte Bild. Maas ist bekanntermaßen mit der Schauspielerin Natalia Wörner liiert. Die Künstlerin engagiert sich seit langem für Frauen- und Kinderrechte, und ist u.a. Botschafterin der Kindernothilfe. Wenn dem so wäre, dass sie in dieser Frage auf den Minister eingewirkt hätte, sei ihr an dieser Stelle Dank ausgesprochen. Tausende Mädchen (und auch Jungen) werden davon profitieren.

Das Thema "Kinder-Ehe" war in die Schlagzeilen geraten, nachdem das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg am 12. Mai 2016 entschied, eine solche Ehe anzuerkennen. Ende August 2015 wurde im September 2015 in einer Flüchtlingsunterkunft in Aschaffenburg ein syrisches Ehepaar registriert. Das Pikante an dieser Verbindung: Er war zu dem Zeitpunkt 20 Jahre alt, sie noch keine 15. Die beiden, Cousin und Cousine, waren im Februar 2015 in ihrer Heimat von einem Scharia-Gericht getraut worden, hatten seither "wie Mann und Frau zusammen gelebt" und sich auch gemeinsam auf die Flucht begeben.

Die Entscheidung des OLG ist indes nicht rechtskräftig, da das Jugendamt Aschaffenburg Rechtsmittel dagegen eingelegt hat. Knapp 1.500 Kinder und Jugendliche sind laut Ausländerzentralregister betroffen:

Zum Stichtag 31. Juli 2016 waren in Deutschland 1475 minderjährige Ausländer mit dem Familienstand "verheiratet" registriert. Die Dunkelziffer dürfte höher sein. Davon stammte knapp die Hälfte aus Syrien, zwei Drittel sind zwischen 16 und 18 Jahren alt, 361 der verheirateten Kinder jünger als 14 Jahre

Tagesspiegel

Bei den Betroffenen handelt es sich etwa zu zwei Dritteln um Mädchen, zu einem Drittel um Jungen. Die Organisation Terre des Femmes (TdF) fordert seit Jahren ein gesetzliches Mindestheiratsalters ohne Ausnahme von 18 Jahren in Deutschland, und zudem im Ausland geschlossene Ehen von Minderjährigen hier nicht anzuerkennen.

Es müsse sichergestellt werden, dass bei Registrierung einer minderjährigen Ehefrau sofort das Familiengericht eingeschaltet und das Jugendamt informiert werde. Dieses müsse im Einzelfall entscheiden, wo die Jugendliche wohne. Versichere die minderjährige Ehefrau dem Jugendamt, dass sie mit dem Mann zusammen bleiben möchte und keine Gewalt erfahre, könne mit dem Jugendamt geklärt werden, wie sie gemeinsam mit dem Mann untergebracht werde, erläutert die Organisation in einer Pressemitteilung.

"In jedem Fall muss ein von der Familie unabhängiger Vormund für das Mädchen bestellt und sie muss vom Jugendamt weiterhin eng betreut werden", fordert Bundesgeschäftsführerin Christa Stolle.

Früh- und Kinder-Ehen kein importiertes Problem

1875 wurde gegen den Widerstand der katholischen Kirche die Standesamtspflicht eingeführt. D. h., der kirchlichen Zeremonie musste verbindlich eine standesamtliche Trauung vorgeschaltet sein. Bis 1957 war eine religiöse Trauung ohne vorher geschlossene Zivilehe ein Straftatbestand, ab da eine Ordnungswidrigkeit. 2009 wurde die Standesamtspflicht abgeschafft.

Seitdem können Ehen ausschließlich z.B. in der Kirche geschlossen werden. Wobei laut der zuständigen Expertin von Terres des Femmes, Monika Michell, die evangelische Kirche nur nach der Schließung einer Zivil-Ehe vor dem Standesamt traut, und die katholische Kirche sich die Zustimmung des zuständigen Familiengerichts zeigen lässt.

Diese muss eingeholt werden, wenn eine/r der beiden Heiratswilligen 16 oder 17 Jahre alt ist. Ehen mit unter 16jährigen sind in Deutschland grundsätzlich verboten. Eigentlich jedenfalls, denn auch hier geborene muslimische Kinder, in erster Linie Mädchen, werden von Imamen getraut.

Die Standesamtspflicht wurde seinerzeit u.a. abgeschafft, um neue gesegnete Verbindungen von Witwen und Witwern möglich zu machen, ohne dass diese auf Rentenansprüche verzichten müssen. Bei einer offiziellen Neu-Heirat erlischt der Anspruch auf Bezüge des verstorbenen Ehepartners.

Die rechtspolitische Sprecherin der CDU, Elisabeth Winkelmeyer-Becker, schlägt vor, die Frage der Rentenansprüche auch da zu klären, wo sie hingehören: im Rentenrecht. Und das Eherecht nach ganz klaren Regeln zu reformieren: "Deshalb brauchen wir wieder die verbindliche Reihenfolge: erst mindestens 18 Jahre alt werden, dann zum Standesamt, dann zur kirchlichen/religiösen Trauung!"

Weiterhin fordert die CDU-Abgeordnete:

Im Internationalen Privatrecht soll künftig für Eheschließungen das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes Anwendung finden, wenn zwei ausländische Staatsangehörige in Deutschland heiraten. Damit würde unter anderem in Hinblick auf die Ehemündigkeit das deutsche Recht gelten. Eine Berufung auf Rechtsnormen aus anderen Kulturkreisen ist dann ausgeschlossen.

  • Die Altersgrenze für die Ehemündigkeit im deutschen Recht sollte ausnahmslos bei 18 Jahren liegen. Bisher ist mit Einwilligung des Familiengerichts in Ausnahmefällen eine Eheschließung schon ab 16 Jahren möglich.
  • Eine Ehe, die im Ausland nach dortigem Recht wirksam geschlossen wurde, sollte auf Antrag des Jugendamtes in Deutschland aufgehoben werden können, wenn beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben.
  • Vorbereitung der Jugendbetreuungs- und Inobhutnahmestellen auf diese neue Herausforderung und Sicherstellung der psychosozialen und psychologischen Betreuung der Minderjährigen.
Elisabeth Winkelmeyer-Becker

Innenminister Thomas de Maizière schlug vor, Imame, die sich über die Regelungen des Eherechts hinwegsetzten, künftig wieder wegen einer Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld von bis zu 1.000 Euro zu belegen.

Im März 2015 sorgte die Geschichte des 47jährigen Gerrit aus Brandenburg mit seiner damals 14jährigen Nichte für Schlagzeilen. Das Mädchen galt zunächst als vermisst, war aber mit dem (angeheirateten) Onkel durchgebrannt, wie sich schließlich herausstellte. Es hieß, die beiden seien ein Paar.

Vermutlich schrillen hier bei den meisten sämtliche Alarmglocken. Nach bundesdeutscher Gesetzgebung ist das allerdings erlaubt: "Der Gesetzgeber gesteht Jugendlichen zwischen 14 und 16 Jahren bereits eine gewisse Eigenverantwortlichkeit in sexueller Hinsicht zu. Immer vorausgesetzt, dass alles in gegenseitigem Einvernehmen geschieht."

Die beiden kehrten schließlich nach Deutschland zurück, die Eltern des Mädchens versuchten die Beziehung juristisch zu unterbinden und ließen ihre Tochter zeitweilig in die Psychiatrie einweisen. Das Mädchen klagte gegen ihre Eltern - und gewann: Das Oberlandesgericht Brandenburg segnete im März 2016 diese Beziehung ab.

Mit der Begründung, andernfalls würde das Kindwohl gefährdet Das wurde jetzt bekannt, "die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins hat es in der Debatte um Kinderehen zitiert". Es scheint, als gebe es auch hier für Maas noch allerhand zu tun …