Trotz Brexit: Britische Regierung erneuert Mitarbeit bei Europol

Europol-Zentrale in Den Haag. Bild: JurgenNL/CC BY-SA-3.0

Wegen einer Sonderregelung müssten sich britische Beamte auch ohne Aktivierung des Brexit aus Europol zurückziehen. Die Regierung zieht jetzt eine politisch heikle Notbremse

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Großbritannien wird sich auch nach dem 1. Mai 2017 an der Polizeiagentur Europol beteiligen. Dies teilte der britische Polizeiminister Brandon Lewis gegenüber der Presse mit. Es handele sich um eine "temporäre Lösung", die mindestens bis zum endgültigen Ausstieg aus der Europäischen Union gültig sein soll. Die Formulierung lässt erahnen, dass die Regierung auch nach dem Brexit weiterhin mit Europol zusammenarbeiten will.

Eigentlich hätte Großbritannien auch ohne Aktivierung des Brexit komplett aus Europol aussteigen müssen. Denn im Vertrag von Amsterdam erhielt das Land im Bereich Inneres und Justiz das Recht, sich an EU-Rechtsakten individuell zu beteiligen (das sogenannte Opt-in bzw. Opt-out). Die Regierung muss die Annahme eines Rechtsaktes in jedem Einzelfall individuell erklären. Neben der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen betrifft dies die Bereiche Außengrenzen, Asyl, Migration sowie die Zusammenarbeit in Zivilsachen. So übernahm Großbritannien nicht die Richtlinie zu langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen oder die zu Rückführungen. Auf das Visa-Informationssystem haben die Behörden deshalb keinen Zugriff.

Abschiebungen ja, Frontex nein

Demgegenüber profitiert die Regierung von einzelnen Rechtsakten zur Bekämpfung und Verhinderung unerwünschter Migration. Britische Behörden beteiligen sich nicht an Frontex, nehmen jedoch in bilateralen Abkommen an Maßnahmen der Grenzagentur (etwa gemeinsame Abschiebungen) teil. Den Schengen-Besitzstand erkennt Großbritannien nicht an; es ist nicht an die Abschaffung von Kontrollen an den Binnengrenzen gebunden. Von einzelnen Regelungen des Schengen-Besitzstandes machen britische Behörden jedoch Gebrauch, etwa der Rechtshilfe in Strafsachen und dem eingeschränkten Zugang zum Schengener Informationssystem.

Im Mai dieses Jahres beschlossen das Europäische Parlament und der Rat die neue Europol-Verordnung, die ein Jahr später in Kraft tritt und alle früheren Beschlüsse ersetzt. Nach dem Brexit-Votum im Juni schien der Wiedereinstieg bei Europol deshalb politisch nicht durchsetzbar.

Die neue Europol-Verordnung erweitert die Kompetenzen für die EU-Polizeiagentur erheblich, darunter mehr Zugang zu Datenbanken, mehr Datentausch mit privaten Stellen und eine Meldestelle zur Entfernung von Internetinhalten. Europol wird auch enger mit den europäischen Inlandsgeheimdiensten kooperieren. Ein parlamentarischer Kontrollausschuss soll für Aufsicht sorgen, der ebenfalls ab dem 1. Mai 2017 seine Arbeit aufnehmen soll. Seine Einsetzung wird von der Konferenz der Parlamentspräsidenten der EU-Mitgliedstaaten entschieden. Für die Vorbereitung eines Vorschlagsentwurfs wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, an der außer den Parlamenten Luxemburgs und der Slowakei auch Abgeordnete aus Großbritannien beteiligt sind.

Europol-Erkenntnisse an "Five Eyes"

Mit Rob Wainwright, einem früheren hohen Mitarbeiter des Inlandsgeheimdienstes MI5, stellt Großbritannien derzeit den Direktor bei der Polizeiagentur. Wainwright hatte in der Presse mehrfach mit Nachdruck gefordert, die Europol-Verordnung anzunehmen und damit Teil des polizeilichen Informationsaustausches zu bleiben. Auch der Chef der Polizeiakademie ist ein Brite, ebenso der in diesem Jahr erstmals ernannte EU-Kommissar für die Sicherheitsunion. Rückenwind erhielt die britische Regierung außerdem vom schottischen Innenminister, der den angekündigten Wiedereinstieg ausdrücklich begrüßt.

Zu den Befürwortern der Zusammenarbeit mit Europol gehört auch der Direktor der britischen Kriminalpolizei, David Armond, der im Falle des Ausstiegs vor einer Verstimmung in Geheimdienstkreisen warnte. Würde Großbritannien Europol verlassen, müsse Armond zufolge auch die Kooperation der übrigen, in den "Five Eyes" zusammengeschlossenen Geheimdiensten mit der Europäischen Union überdacht werden. Denn Australien, Kanada, Neuseeland und die USA erhielten über Großbritannien wichtige Europol-Erkenntnisse.

Neben der Europol-Verordnung will die britische Regierung auch den sogenannten Prüm-Besitzstand wieder annehmen. Dies berichtete die Tageszeitung The Independent bereits vor zwei Wochen. Der Vertrag von Prüm erleichtert den Informationsaustausch und die operative Zusammenarbeit der Polizeibehörden in der Europäischen Union. Das britische Parlament beschloss den Wiedereinstieg bereits im Dezember vergangenen Jahres, wegen des Brexit-Votums war jedoch unklar ob die Entscheidung noch gilt.