"Ich bin für die Auflösung des Verfassungsschutzes"

Kerem Schamberger. Bild: priv.

Kerem Schamberger möchte wissenschaftlicher Mitarbeiter der LMU München werden. Der Verfassungsschutz blockiert das, weil Schamberger sich in linken Organisationen engagiert

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Kerem Schamberger sollte eigentlich am 1. Oktober eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der LMU München antreten. Doch der bayrische Verfassungsschutz kam ihm in die Quere. Die Behörde sieht in dem bekennenden Kommunisten einen Verfassungsfeind. Und nun löscht auch noch Facebook sein Profil, weil er über kurdische Angelegenheiten in der Türkei berichtet. Im Gespräch mit Telepolis übt Schamberger scharfe Kritik an der Behörde, an Facebook und an der AKP, die in der Türkei eine Eskalationspolitik betreibt.

Du würdest gerne eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der LMU München antreten, aber das behindert der Verfassungsschutz. Wie begründet er diesen Eingriff in Deine Berufswahl?

Kerem Schamberger: Er wirft mir Verfassungsfeindlichkeit vor.

Wie kommen die Beamten zu dieser Einschätzung?

Kerem Schamberger: Es gibt in Bayern ein Formular, das die Verfassungstreue erfragt. Dieses muss man standardmäßig ausfüllen, wenn man an der Uni oder sonst wo im öffentlichen Dienst arbeiten möchte. Unter anderem wird darin abgefragt, in welchen vom Verfassungsschutz beobachteten Organisationen man Mitglied ist oder war. Ich habe vier angekreuzt, darunter auch die DKP München. Das Personaldezernat der Uni schickte daraufhin routinemäßig eine Anfrage an den Verfassungsschutz, ob dort etwas gegen mich vorliegt. Eigentlich sollte ich meine Stelle am 1. Oktober antreten. Aber das ging nicht, da vom Verfassungsschutz keine Rückmeldung kam.

Und was ist der aktuelle Stand?

Kerem Schamberger: Inzwischen kam bei der LMU ein Schreiben an. Wenn man mir Verfassungsfeindlichkeit vorwirft, erwarte ich dafür handfeste Belege. Aber was der Verfassungsschutz binnen drei Monaten gesammelt hat, ist nicht nur sehr dünn, sondern man kann all diese Infos auch zusammentragen, wenn man sich eine halbe Stunde lang mit meiner Facebook-Seite befasst. Da wird zum Beispiel aufgelistet, ich hätte mit angeblich der PKK nahestehenden Kurden an einer Demo teilgenommen und eine Podiumsdiskussion moderiert, an der ebenfalls entsprechende Personen beteiligt waren. Alle meine Aktivitäten sind öffentlich. Auch, dass ich eine herausgehobene Position bei der DKP München habe.

Die keine verbotene Partei ist...

Kerem Schamberger: Nein, sie ist nicht verboten und existiert seit 1968.

Inwiefern fürchtet der Verfassungsschutz denn, dass Deine politische Einstellung Deine Arbeit an der Uni beeinträchtigen könnte?

Kerem Schamberger: Es liegt nicht in der Kompetenz des Verfassungsschutzes, sich zu fürchten oder nicht. Es liegt allein im Ermessen meines Instituts an der LMU, ob man mich einstellen will oder nicht. Die Menschen dort kennen mich und meine Arbeit seit vielen Jahren, und auf dieser Grundlage wollen sie mich einstellen. Was der Verfassungsschutz macht, ist ein massiver Eingriff in die Freiheit der Wissenschaft und die Autonomie der Universität.

Das ist derselbe Verfassungsschutz, der immer wieder im begründeten Verdacht steht, rechtsradikalen Terrorismus in Deutschland zu begünstigen. Mir scheint, es ist noch freundlich ausgedrückt, wenn man sagt, dass bei dieser Behörde so einiges schief läuft. Was ist Dein Eindruck? Hattest Du direkten Kontakt zum Verfassungsschutz?

Kerem Schamberger: Nein, aber ich würde gerne mit den Beamten diskutieren. Für mich ist eindeutig, dass der Verfassungsschutz gesellschaftskritische Linke überwachen und einschüchtern will, um den Kampf gegen Rechts geht es gar nicht. Schon in der Gründungsgeschichte der Behörde ist der Kampf gegen Links festgeschrieben.

Ich bin für die Auflösung des Verfassungsschutzes. Und ich würde sogar so weit gehen, dass Ermittlungen gegen einzelne Mitarbeiter der Behörde eingeleitet werden sollten, um deren Mitwirkung beispielsweise beim NSU oder den NPD-Strukturen deutlich zu machen. Letzte Woche wurde bekannt, dass der Generalstaatsanwalt den brandenburgischen Verfassungsschutz verdächtigt, in einen Brandanschlag auf eine jüdische Einrichtung in Potsdam im Jahr 2001 verwickelt zu sein. Diese Behörde hat in meinen Augen keine Legitimität.