Gabriel bremst, wo er kann

Die Energie- und Klimawochenschau: Von gut gelaunten Klimagipfeln, Angriffen auf die Windenergie und beunruhigenden Neuigkeiten aus der Arktis

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Die diesjährige UN-Klimakonferenz ist vorbei und aus der Ferne betrachtet wundert es ein wenig, wie euphorisch die offiziellen Verlautbarungen und auch die Erklärungen mancher Umweltorganisation klingen. Da mag ein wenig Trotz mitschwingen, sich vom Ausgang der Wahlen in den USA nicht einschüchtern zu lassen. Notfalls werde man eben ohne die USA weiter verhandeln, war der Tenor.

Das hat auch etwas Positives. China hat explizit angekündigt, an den eingegangenen Verpflichtungen festhalten zu wollen, auch wenn die USA - wie angekündigt - unter ihrem neuen Präsidenten einen Rückzieher machen sollten. Nun sind die chinesischen Verpflichtungen genauso wie die der aller meisten Industriestaaten ohnehin unzureichend.

Dennoch bedeutet die Ankündigung, an der sich andere Schwellenländer vermutlich orientieren werden, dass die Zeit der Dauerblockade vorbei ist. Mehr als zwei Jahrzehnte waren die Klimaverhandlungen ein ewiges Zerren darum, wer den ersten Schritt machen muss. Nun heißt es: Wir machen weiter, egal, ob die USA dabei sind oder nicht.

Ein weiterer Grund für die gehobene Stimmung dürfte die Tatsache sein, dass - im globalen Maßstab gesehen - die Energiewende Fahrt aufnimmt. Der größere Teil der Investitionen im Elektrizitätssektor fließt inzwischen in die Erneuerbaren, die insbesondere für viele Entwicklungsländer inzwischen oft die günstigste Option darstellen. Auf diesem Gebiet wurden in Marrakesch verschiedene Initiativen verabredet. Namentlich haben sich auf dem Klimagipfel über 40 meist der ärmsten Entwicklungsländer verpflichtet, in ihrer Energieversorgung schon vor 2050 vollkommen ohne Treibhausgasemissionen auskommen zu wollen.

Weniger Wind

Hierzulande ticken die Uhren allerdings etwas anders. Oder auch gar nicht, denn es kommt immer mehr das Gefühl auf, dass jemand Gewichte an die Zeiger hängt, damit sie nicht weiter laufen. So wird plant Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) etwa über eine Verordnung für den Netzausbau, deren Entwurf gerade kursiert und unter anderem von der Plattform Finanztreff zitiert wird, den Ausbau der Windkraft an der Küste stark zu begrenzen.

In der gesamten Region, die sich aus Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, den küstennahen Teil Niedersachsens sowie aus Hamburg und Bremen zusammensetzt, sollen künftig nur noch Anlagen mit einer Gesamtleistung von 900 Megawatt (MW) installiert werden dürfen. Das käme einem massiven Rückgang gleich. In Schleswig-Holstein kam zum Beispiel 2014 rund 1.300 und 2015 annähernd 900 MW neuer Windkraft-Leistung hinzu.

Ein anderes Feld, auf dem das Gabriel-Ministerium, dieser Tage die Weichen falsch stellt, ist die Kraftwärmekoppelung. Brennstoffe lassen sich viel effizienter nutzen, wenn die Abwärme der Kraftwerke nicht einfach an die Umwelt geht, sondern in ein Nah- oder Fernwärmenetz eingespeist wird. Bei unseren Nachbarn in Dänemark seit den 1990er längst gängige Technik, hierzulande, vor allem in den alten Bundesländern, aber eher selten anzutreffen.

Ein Fördergesetz soll Abhilfe schaffen, aber passiert ist bisher nicht viel. Der Grund nach Ansicht der energiepolitischen Sprecherin der Bundestagsgrünen, Julia Verlinden: Verzögerungen und ein vom Wirtschaftsministerium eingebauter Genehmigungsvorbehalt. Man hatte sich erst bei der EU-Kommission die Zustimmung einholen wollen, sich damit aber nicht übermäßig beeilt.

Nun wird bereits die Novelle der Novelle diskutiert, an der es wiederum viel Kritik hagelt. Ein Zubau von 200 MW jährlich soll gefördert werden. Das ist selbst dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft zu wenig.

Julia Verlinden befürchtet, dass sich potenzielle Investoren zurückhalten werden, denn Gabriel lasse weiter viele wesentliche Details offen. Sie sollten erst später auf dem Verordnungswege geklärt werden. Aus der Zusage, mit der Kraftwärmekoppelung jährlich vier Millionen Tonnen an CO2-Emissionen einzusparen, werde so nichts.

Mehr Gas

Dabei könnte Kraftwärmekoppelung eine der Säulen einer emissionsfreien Energieversorgung werden, wenn die Anlagen in einem ersten Schritt als Gaskraftwerke gebaut werden. Die könnten langfristig dann statt mit Erdgas mit aufbereitetem Biogas und vor allem mit sogenanntem Windgas betrieben werden.

Überschüssiger Strom aus Solar- und Windkraftanlagen könnte nämlich genutzt werden, um Wasserstoff und Methan zu synthetisieren. Diese können Erdgas ersetzen und das bereits im ganzen Land vorhandene Gasnetz nutzen.

Ein aller erster Schritt wäre freilich, die vorhandenen Gaskraftwerke mehr zu nutzen, denn diese emittieren pro erzeugter Kilowattstunde erheblich weniger CO2 als ein Steinkohle- oder gar ein Braunkohlekraftwerk. Diesbezüglich bieten die gerade vorgelegten Daten für den deutschen Energieverbrauch in den ersten drei Quartalen 2016 einen kleinen Lichtblick.

Demnach ist der Primärenergieverbrauch bei Atomkraft und Braun- sowie Steinkohle zum Teil erheblich zurückgegangen, der von Erdgas hingegen gestiegen. Auch die Erneuerbaren haben etwas zugelegt, aber bei weitem nicht so stark wie das Erdgas.

Die Daten des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme zeigen, dass schon jetzt die diesjährige Stromproduktion der Gaskraftwerke, die der beiden Vorjahre übersteigt. Offensichtlich steigt die Auslastung der Gaskraftwerke wieder etwas an, was vor allem am niedrigen Gaspreis liegen dürfte.