EU-Parlament fordert strategische Kommunikation gegen russische Propaganda

Der russische Präsident Wladimir Putin beim Besuch von RT im Dezember 2015. Bild: Kreml/CC BY-4.0

Die EU sei nämlich gefährdet, heißt es in der Resolution des Parlaments, Propaganda "verzerre Wahrheiten, schüre Angst und Zweifel und wolle Europa spalten" - Ein Blick in den Text

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Man weiß, die Propaganda des einen ist die Wahrheit der anderen. Das ist so ähnlich wie bei den Terroristen, die für die einen Freiheitskämpfer sind und für die anderen eliminiert werden müssen. Das EU-Parlament hat nun wieder klar gemacht, dass Selbstreflexion keine sonderlich erwünschte Eigenschaft ist, sondern dass Propaganda mit Propaganda ge- oder erschlagen werden soll. Deutlich wird, dass man offenbar Angst hat oder Angst schürt, dass die EU mit ihren Institutionen und Werten den Einflüssen von außen nicht standhalten könnten, wenn sie nicht offensiv verteidigt werden.

Mehrheitlich haben die Abgeordneten eine unverbindliche Resolution angenommen, die stärkere Gegenmaßnahmen gegen Propaganda durch Russland und den Islamischen Staat fordert. Sonderlich überzeugt waren aber viele Abgeordnete anscheinend nicht. 304 Abgeordneten stimmten für die Resolution, 179 dagegen und 208 enthielten sich. Russland und den IS damit gewissermaßen auf die gleiche Stufe zu stellen, ist selbst schon ein Versuch der strategischen Kommunikation.

Sicherheitshalber droht das russische Außenministerium schon mal wie bei den Wirtschaftssanktionen mit Gegenmaßnahmen, wenn russische Medien in der Folge beschnitten würden. Russland werde damit weiter "dämonisiert", das Dokument sei überladen mit Phobien, Fiktionen und Mythen. In der Resolution ist vom Abdrehen russischer Medien allerdings nicht die Rede. Wladimir Putin sieht in der Resolution, die er nicht kenne, eine Verschlechterung des Konzepts der Demokratie in Europa. Man wolle die Russen Demokratie lehren. Am besten sei eine "offene Diskussion".

Die von den Abgeordneten gut geheißenen Gegenmaßnahmen werden als "strategische Kommunikation" bezeichnet, die man eigentlich auch als psychologische Operationen oder als Propaganda bezeichnet, also Versuch, die Meinung von Bevölkerungen zu beeinflussen. So soll die "Task Force für strategische Kommunikation" (East StratCom Task Force) gestärkt werden. Die war im März 2015 beschlossen worden, nicht um wahrheitsgemäße Inhalte zu verbreiten, sondern um die EU-Politik in den Osten "effektiv zu kommunizieren und zu bewerben", die Medien im Osten zu stärken, wozu auch Medienfreiheit und unabhängig Medien gehören, und die Fähigkeit der EU zu verbessern, "Desinformationsaktivitäten von außen vorherzusagen, diese anzusprechen und darauf zu reagieren".

Zudem war in Lettland 2014 das NATO Strategic Communications Centre of Excellence eingerichtet worden, zuständig auch für Informationsoperationen und psychologische Operationen, um die Ziele der Nato zu "unterstützen" und die Meinung von Menschen zur Durchsetzung der militärischen und politischen Interessen zu beeinflussen. Die EU sei nämlich gefährdet, heißt es in der Resolution, Propaganda "verzerre Wahrheiten, schüre Angst und Zweifel und wolle Europa spalten", so wird es in der Pressemitteilung kurz zusammengefasst.

Die Gefahr kommt von außen

Die Gefahr kommt von außen, vom Informationskrieg und von Strategien der Täuschung und Desinformation besonders in den "neuen Medien, sozialen Netzwerken und der digitalen Sphäre". Zwar würde man für Medienfreiheit, letztlich für den freien Informationsfluss, eintreten, aber es gebe doch Grenzen. Zudem sei der nicht näher bezeichnete "Qualitätsjournalismus" durch die digitalen Medien gefährdet. Ein Absinken des "kritischen Denkens" wird nebenbei konstatiert, weswegen die Menschen - natürlich nicht die Abgeordneten, die die Resolution verabschiedet haben - für Desinformation und Manipulation empfänglicher seien.

Die Berichterstatterin für die Resolution, Anna Fotyga, gehört der polnischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) an und war schon einmal unter der ersten PiS-Regierung polnische Außenministerin. Sie sagt: "Was die Russische Föderation betrifft, so ist die Lage jetzt klar. Nach der Annexion der Krim und der Angriffe im östlichen Teil der Ukraine sind sich viele Länder dieser Desinformation und Manipulation bewusst. Auch während der Vorbereitung dieses Berichts waren wir Ziel feindlicher Propaganda." Da man nur von Propaganda von außen oder von deren Proxies spricht, werden natürlich Desinformationskampagnen mittels staatlicher europäischer Medien oder Einschränkungen der Medienfreiheit wie etwa in Ungarn oder Polen nicht thematisiert.

Bezeichnend ist, dass Russlands Propaganda auch deswegen ins Ziel gerät, weil Russland - allerdings erst 2005 - neben den Agenturen Tass, Interfax und RIA Novosti (jetzt Sputnik) oder die Stimme Russlands den Auslandssender Russia Today, jetzt RT, gegründet hat, der in verschiedenen Sprachen die russische Sicht ins Ausland bringen sollte, aber damit nur den schon lange bestehenden Auslandssendern des Westens etwas entgegensetzte, etwa der Deutschen Welle, BBC World News, Voice of America oder Radio Free Europe/Radio Liberty. Auch Katar, Saudi-Arabien, Iran, die Türkei oder Frankreich schlossen sich den Bemühungen an, mit staatlichen Sendern für "Aufmerksamkeit" zu sorgen.