Wird Spanien zur Wüste?

Schon fast 40 Prozent des Landes sind offiziell von der Desertifikation betroffen - Schuld hat keineswegs nur die Klimaerwärmung, sondern auch der Bauboom, die Abholzung und die Landwirtschaft

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Die Wüsten breiten sich aus, auch im Süden Europas. Spanien ist ein besonders deutliches Beispiel dafür, wie durch den Tourismus, exzessive Landwirtschaft, steigenden Wasserverbrauch und wachsende Bodenerosion ganze Landstriche irreparabel zerstört wurden. Fast 40 Prozent der gesamten Fläche sind schon von der Desertifikation betroffen, geben auch offizielle Berichte der Regierung zu. Die Tendenz ist steigend, denn noch vor zwei Jahren wurde von einem Drittel gesprochen. Dieser Vorgang korreliert mit dem Klimawandel und wie beim Ausstoß von Treibhausgasen, verliert die Regierung zwar schöne Worte und hält Kongresse ab, doch in der Praxis verschlimmert sich die Lage zusehends. Umweltschutzorganisationen kritisieren deren wenig ambitioniertes Vorgehen, obwohl die Regierung mit einer massiven Wiederaufforstung auch den Klimazielen näher kommen könnte, statt sich davon weiter zu entfernen.

Risiko der Wüstenbildung – rot: sehr hoch, orange: hoch. Bild: PAND

Erst kürzlich hat die spanische Umweltministerin Cristina Narbona der sozialistischen Regierung neue Daten vorgelegt, die Aufschluss über die fortschreitende Wüstenbildung im Land geben. Nach den Untersuchungen des "Nationalen Aktionsprogramms gegen die Desertifikation" (PAND) sind nun schon fast 40 Prozent der gesamten Staatsfläche von Desertifikation betroffen. In dem Bericht heißt es, 2 Prozent des Staatsgebiets weisen ein sehr hohes Risiko dafür auf, bei 16 Prozent bestehe ein hohes Risiko bei 20 Prozent ein mittleres Risiko.

Zwar scheint man im Umweltministerium Neudefinitionen vorzunehmen, die vor den Wahlen im kommenden März weniger drastisch klingen, doch in der Gesamtheit bilden auch diese Zahlen ab, dass die Verwüstung des Landes voranschreitet. Vor zwei Jahren wurde noch gewarnt, etwa ein Drittel der Fläche drohten zur Wüste zu werden (Ein Drittel Spaniens droht zur Wüste zu werden). Unklar ist, ob in den neuen Zahlen auch die Fläche eingerechnet ist, die sich schon in eine Wüste verwandelt hat. Auf der "UN Konvention zur Bekämpfung der Desertifikation" (UNCCD), bei der im September in der spanischen Hauptstadt Madrid Vertreter von 191 Staaten ergebnislos über das Phänomen debattierten, wurde schon von einer irreversibel zerstörten Fläche von 6 Prozent gesprochen.

Leider sind die neuen Zahlen nicht wirklich mit denen in Einklang bringen, die bisher von Narbonas Ministerium genannt wurden. So heißt es auf der Webseite von PAND:

Die Ergebnisse der angewendeten Modelle zeigen, dass es ein Risiko der Desertifikation auf 31,49 Prozent (mit sehr hohen und hohen Graden) der Fläche gibt. Dadurch zeigt sich das Ausmaß des Problems, dem wir ausgesetzt sind.

Die Provinz Murcia ist bereits ein Beispiel für die Desertifikation. Foto: Ralf Streck

Rechnete man zu diesen "sehr hohen und hohen Graden" der Verwüstung die 16 Prozent hinzu, die nach den neuen Zahlen ein "mittleres Risiko" aufweisen, dann wäre tatsächlich schon fast die Hälfte des Landes betroffen. Klickt man durch die vielen Seiten mit Berichten des Umweltministeriums, heißt es im kürzlich veröffentlichten Nachhaltigkeitsbericht dann auch:

Auf 46 Prozent des nationalen Territoriums hat die Erosion die tolerablen Grenzen überschritten und 12 Prozent der Fläche sind einer sehr starken Erosion ausgesetzt.

Die anhaltende Dürre und der Link auf Klimawandel, der den Mittelmeerraum besonders heimsucht, tragen zur Beschleunigung des Phänomens bei. In Spanien drohten wegen der Erwärmung "afrikanische Verhältnisse". Nach Angaben der Klimaexperten des IPCC..http://www.ipcc.ch werde die Luftfeuchtigkeit abnehmen, die Temperaturen könnten im Süden auf über 50 Grad klettern. Um fast 5 Grad könnten sich die Durchschnittstemperaturen erhöhen, weshalb dann im bisher regenreichen Nordspanien ein mediterranes Klima herrschen werde und im Süden die Niederschläge weiter drastisch zurückgingen.

Im Süden von Navarra kann nur noch mit intensiver Bewässerung angebaut werden. Foto: Ralf Streck

Der Bauboom der letzten Jahre hat die Wüstenbildung verstärkt

Doch wie der Klimawandel sind viele Probleme auch hier vom Mensch erzeugt. Allein in den letzten 15 Jahren sind auf dem Staatsgebiet 1,5 Millionen Hektar Wald abgebrannt. Meist wurden sie abgefackelt, auch um sie für die Bauwut zugänglich zu machen. Als im letzten Jahr endlich ein Gesetz in Kraft trat, das die Umwidmung von abgebrannten Flächen für 30 Jahre verbietet, ging die Zahl der Brände deutlich zurück. Bei der Zerstörung des Landes durch die Bauwut, bringt die platzende Spekulationsblase Erleichterung, denn die Bautätigkeit ist nun teilweise zum Stillstand gekommen. Zuvor wurden jährlich neue Rekorde beim Wohnungsbau aufgestellt und in den letzten Jahren zu Spekulationszwecken mehr Wohnungen gebaut als in Deutschland, Frankreich und England zusammen. Gut eine halbe Million der Wohnungen stehen leer.

Von dem Bauboom waren, wegen des Tourismus, vor allem die Südküsten betroffen, die auch am stärksten unter Desertifikation leiden. Das gilt unter Wasser als auch an Land. Die Provinz Murcia ist schon zu fast 100 Prozent von Desertifikation betroffen, ähnlich sieht es in Valencia (93 %) aus und auf den Kanarischen Inseln (90 %). Weit dahinter liegen mit 48 Prozent Kastilien - La Mancha, Katalonien (42 %) oder Andalusien (22 %). Der so genannte Qualitätstourismus spielt mit seinem enormen Wasserverbrauch dabei eine besondere Rolle. Hotels im extrem trockenen Südspanien werben damit, dass der Gast gleich 16 Golfplätze vorfindet, die Unmengen an Wasser verbrauchen.

Legt man über die Karte mit der Wüstenbildung die politische Karte, dann wird deutlich, dass das Phänomen ganz besonders stark dort auftritt, wo die rechte Volkspartei (PP) traditionell regiert. Die von der PP regierten Regionen Murcia und Valencia sind am stärksten betroffen, während in den angrenzenden Regionen, Katalonien im Norden oder Andalusien im Süden, das Problem deutlich geringer ist, wo sie nicht regiert. Besonders krass trieb es die PP, deren Mitglieder auch in etliche Korruptionsskandale verwickelt sind, in Murcia. Dass dort praktisch die gesamte Region von Desertifikation betroffen ist, hat auch mit deren politischen Entscheidungen zu tun. Im Alleingang drückte sie 2001 ein Bodengesetz durch, dass fast zur vollständigen Liberalisierung des Bodens führte. Seither können alle Flächen bebaut werden, die nicht besonders geschützt sind. Mit dem Gesetz wurden praktisch fast 12.000 Hektar bisheriger Naturschutzgebiete in Bauland umgewandelt, fast 20 Prozent ehemals geschützter Flächen wurden der Tourismusindustrie und der Intensivlandwirtschaft geopfert.

Gewächshäuser in der Wüste in Murcia. Foto: Ralf Streck

Im hochintensiven Gemüseanbau und im Tourismus, mit denen in Spanien viel Geld gemacht wird, finden sich viele Ursachen für die Zerstörung der Böden. Beide Wirtschaftszweige verbrauchen mehr Wasser als ihnen zur Verfügung steht, weshalb das Wasser es über massive Umleitungen aus dem Landesinneren und dem Norden herangeschafft werden muss oder aus illegalen Brunnen gepumpt wird, gegen die nicht eingeschritten wird. Die Verschleuderung des Wassers führt nicht nur zur Versalzung und Erosion der Böden, sondern auch zu einer Austrocknung auf allen Ebenen in den Gebergebieten (Röhrenträume zur Lösung des Wassermangels). Das in hunderten Stauseen aufgefangene Wasser wird den Geberregionen entzogen. Die dort künstlich erzeugte Trockenheit hat zur Konsequenz, dass etliche Landwirte und Obstbauern die Landwirtschaft aufgeben oder ihr Land verlassen, um sich zum Teil ebenfalls an der Küste anzusiedeln.

In den Bardenas südlich von Navarra ist die Wüste schon angekommen. Foto: Ralf Streck

Notwendig wäre eine massive Wiederaufforstung

Ohne die Bewirtschaftung erodiert das Agrarland noch schneller und oft bleibt nichts anderes zurück als Wüste. Der Berater der Vereinigung der Forstingenieure Gabriel Leblic erklärt: "In mehr als eineinhalb Jahrhunderten wurden nicht die nötigen Mittel zur Verfügung gestellt, um die Erosion zu bekämpfen, die unausweichlich zur Desertifikation führt. Es gibt keinen politischen Willen, mit dieser Situation Schluss zu machen, dabei ist Spanien das Land der EU, das damit die größten Probleme hat", kritisiert auch er die aktuelle Politik der sozialistischen Regierung.

Nach Angaben von Leblic sind in Spanien 130.000 Quadratkilometer von starker Erosion betroffen, etwa 25 % der Gesamtfläche. Das sind 13 Millionen Hektar, von denen jeder Hektar jährlich über die Erosion 12 Tonnen fruchtbare Erde verliere. Ein Verlust der nur in Zehntausenden Jahren zu regenerieren wäre. Geht die Entwicklung so weiter, kann sich die Iberische Halbinsel vielleicht schon in zehn Jahren nicht mehr selbst ernähren, schätzen pessimistische Experten. Deshalb müssten die Ziele des Nationalen Forstplans ausgeweitet werden, der nur eine Rückgewinnung von 3,8 Millionen Hektar Forstfläche in den nächsten 30 Jahren vorsieht. "Es müssen zwei Milliarden Bäume gepflanzt werden", meint der Experte Leblic, um die Erosion aufzuhalten.

Wüstenbildung in den Bardenas. Foto: Ralf Streck

Bis 2010 will das Umweltministerium 6,5 Milliarden Euro für die Wiederaufforstung aufgeben. Für die großen Umweltorganisationen ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Ecologistas en Acción kritisiert die "fehlende Ambition" der Pläne, wo sich doch der sozialistische Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero gerne einen grünen Anstrich gibt und im Wahlkampf den bedrohlichen Klimawandel in den Vordergrund stellen will. Der Sprecher von Greenpeace, Miguel Ángel Soto, kritisiert, dass es praktisch keine nationale Planung im Bereich der Wiederaufforstung gäbe. Der ohnehin unzureichende Nationale Forstplan werde wegen "Schlamperei" der Regierung nicht einmal umgesetzt wird, die gerne die Verantwortung auf die Regionen schiebe.

Es ist eben eine Sache, schöne Konferenzen in Madrid über Desertifikation abzuhalten, während schon am Stadtrand das Phänomen ungebremst fortschreitet. Dabei könnte Spanien mit einem ambitionierten Vorgehen gegen die Desertifikation, wie es die Experten und Umweltorganisationen fordern, gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Das Land könnte damit endlich auch etwas dafür tun, um sich von der Erfüllung der Kioto-Ziele nicht noch weiter zu entfernen. Denn auch bei dem Verstoß gegen das Kyoto-Abkommen ist das Land unangefochtener Spitzenreiter.