"Vernichtungsfeldzug" in der AfD

Marcus Pretzell (li.) im April 2016. Bild: Metropolico.org/CC BY-SA-2.0

In der rechtspopulistischen Partei ist ein seit langem schwelender Machtkampf zwischen zwei unterschiedlich rechten Fraktionen eskaliert

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Partei zu spielen ist nicht schwer, Partei zu sein dagegen sehr: Ein seit langem schwelender Machtkampf der Nach-Lucke-Ära ist in der "Alternative für Deutschland" (AfD) wieder offen ausgebrochen. Während manche meinen, besagter Kampf werde nun im respektive über den nordrhein-westfälischen Landesverband ausgefochten, sprechen andere von einem "Vernichtungsfeldzug". Mancher Parteifreund, der vor Tagen noch Gegendemonstranten für ein Transparent mit der Losung "Arschlöcher für Deutschland" offen verteufelt hätte, findet das derzeit offenbar unterhaltsam, weil es auf Teile der Partei zutreffend sei, wie ein Journalist am Samstag über seine Beobachtungen unter den AfD-Mitgliedern in Rheda-Wiedenbrück ausplauderte.

Darauf, dass die Geschichte der AfD eine Geschichte voller Missverständnisse ist, wurde schon mehrfach hingewiesen. Seit Anbeginn kam es zu Macht- und Flügelkämpfen, teilweise befeuert durch die Egomanie mancher Streithähne und Selbstdarsteller. Der bisher letzte große Kampf mit erheblichen Auswirkungen auf Bundesebene wurde 2015 bestritten, als der äußerst rechts stehende Parteiflügel um Höcke gemeinsame Sache machte mit dem vermeintlich bürgerlich-rechten Flügel um Petry. Parteigründer Lucke und Vertreter des wirtschaftliberal-konservativen Flügels wurden so quasi vom Hof gejagt (Die AfD will (nicht) rechts sein, AfD wählt Lucke ab). Beseelt von diesem Erfolg schienen die Protagonisten berauscht und feierten den Etappensieg sogleich als siegreich bestrittene Finalschlacht.

Seitdem aber kam die Partei nicht wirklich zur Ruhe, was besonders deutlich wurde an den verbalen Saalschlachten rund um den Konstanzer Arzt Gedeon (AfD-Fraktion hat sich gespalten). Jener Antisemitismus-Streit in der AfD in Baden-Württemberg ging streng genommen weit über einen Konflikt nur um die Politik oder um eine angeblich gefährdete Meinungsfreiheit innerhalb des Landesverbandes oder der Landtagsfraktion hinaus. Die beiden Co-Chefs Meuthen und Petry gerieten aneinander, letztlich machte Petry ihrem Bundessidekick - immerhin auch baden-württembergischer Landeschef - Meuthen klar, dass er nicht wirklich Herr im eigenen Hause sein kann.

Letztlich war das Ende von Lucke 2015 also nur ein Pyrrhussieg in vermeintlichen Endkampf gewesen. Auf der Ebene von Landes-, Kreis- und Ortsverbänden gab es seitdem wiederholt Streitereien um Posten, Ämter oder um Macht und Einfluss, selbst ein Intrigantenstadel zwischen Parteisoldatentum und der Dame eines ehemaligen Escort-Service gab es. Nicht jede Unruhe innerhalb der AfD erlangt dabei bundesweit mediale Aufmerksamkeit, manches verstaubt vorerst in der Lokalpresse. Der Gedanke liegt dennoch nahe, dass immer dann, wenn ein AfD-Mitglied "Wir sind das Volk" sagt oder schreibt respektive derlei bei AfD-Aufmärschen skandiert wird, mindestens 15 Euro ins Phrasenschwein gehören. Der Erlös könnte später zivilgesellschaftlichen Streitschlichterprojekten zugutekommen.

Doch anders als 2015 kämpfen in der AfD streng genommen gar keine politisch radikaleren oder weniger radikal gepolten Flügel um Macht und Einfluss. Während der Höcke-Flügel offen völkisch-nationalistisch auftritt und Höcke die AfD als "fundamentaloppositionelle Bewegungspartei" skizzierte, setzte sich Petry dafür ein, den Begriff völkisch zu entdämonisieren. Während Petrys Lebenspartner Pretzell als NRW-Landeschef den Ausschluss eines Aachener Ratsmannes bewirken will, weil dieser mit einem Ex-Spitzenfunktionär der rechtsradikalen Splitterpartei "Pro NRW" kungelt, macht Pretzell im EU-Parlament gemeinsame Sache mit der FPÖ und mit Le Pen.

Zusätzlich sorgt der NRW-Landeschef mit einem als Anzeige gekennzeichneten Kommentar für das Rechtsaußen-Magazin "Zuerst" für einen ähnlichen Rechtsdrall wie der Aachener Ratsmann, den er - zumindest offiziell - wegen ähnlichem Gehabe wegbeißen will. Offenbar dennoch nur ein feines Garn für die Galerie, jener Versuch eines Rauswurfs.