Militärhellseher im Kalten Krieg: Projekt "Star Gate"

Die bizarre Geschichte der "remote viewers"

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Sommer 1983. Ein Mann geht auf eine Wand zu, als wäre sie nur ein Hologramm - und stößt sich die Nase. Er ist frustriert, weiß er doch, dass Atome zu 99,9% aus leerem Raum bestehen. Zwischen den Wandatomen und seinen eigenen hätte doch ausreichend Platz bestanden, sodass die Materien sich gegenseitig locker hätten durchdringen können. Und wieder hat es nicht geklappt, obwohl es doch anderen gelingt! Auch beim Schweben blieb ihm der Erfolg versagt. Und so sehr er sich auch bemühte, er wurde einfach nicht unsichtbar.

Diese Szene spielte sich nicht in einer Nervenheilanstalt ab. Auch nicht in einem Douglas Adams-Roman oder einem Monty Python-Film. Den Mann gab es wirklich, er meinte es ernst, und er bekleidete eine Position, in der man ihm die Entscheidung über Leben und Tod übertragen hatte. Es handelte sich um Major General Albert Stubblebine III., der von 1981 bis 1984 als Commanding Officer of the U.S. Army Intelligence and Security Command (INSCOM), das Kommando über 16.000 Soldaten des höchsten militärischen Geheimdienstes der USA führte.

Er glaubte auch an psychokinetisches Heilen, das er für das Militär nutzbar machen wollte. Bei einem Vortrag vor Kommandeuren von Spezialeinheiten reichte er zum Beweis für die Existenz psychokinetischer Techniken verbogenes Besteck herum. Er wollte die Spezialeinheiten darin unterrichten lassen, wie man durch Konzentration das Herz des Feindes zum Stillstand bringen könne. Stubblebine meinte zu spüren, dass die Militärs ihn wohl nicht ernst nahmen.

Mit seinen Vorschlägen über Astralleibprojektionen fing er daher gar nicht erst an. Nachdem man die Stubblebine-Jahre lange totgeschwiegen hatte, wurden inzwischen die kuriosen Akten offiziell freigegeben. Als ihn der Journalist Jon Ronson auf seinen Vortrag ansprach, bedauerte der General, nie persönlich mit Uri Geller gearbeitet zu haben. Von den Spezialeinheiten, vor denen er damals referiert hatte, fühlte er sich verkannt. Was Stubblebine nicht wusste: Seine Zuhörer hatten ihn durchaus ernst genommen. Sie hielten seine Ideen sogar für exzellent. Und setzten sie um.

Die Folgen, welche esoterische Forschung im Bereich des Übersinnlichen bei den US-Geheimdiensten anrichteten, gehören zu den bizarrsten Geschichten des so genannten Kalten Kriegs überhaupt. In diesem Beitrag soll nur die Rede von den friedlichen Hellseh-Spionen sein. Wer sich für die Psychic Warriors der US-Army interessiert, die ihre Feinde wie Yedi-Ritter durch Geisteskräfte besiegen wollten, sei u.a. auf das Buch The Men Who Stare at Goats (2004) von Jon Ronson verwiesen.