Repetitive Innovation?

Die Frankfurter Sound-Art Ausstellung "Frequenzen [Hz] Audiovisuelle Räume"

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Kunst und Clubkultur lassen sich über Sounds koppeln, wie man noch bis zum 28. April in der Frankfurter Kunsthalle Schirn überprüfen kann. Neben der eigentlichen Ausstellung mit diversen Klanginstallationen internationaler Künstlerinnen und Künstler, gibt es an den Wochenenden ein abendliches Veranstaltungsprogramm mit Live-Konzerten elektronisch-digitaler Musik.

Die gegenseitige Irritation und Befruchtung zwischen Kunst und Musik hat insbesondere in Deutschland eine mittlerweile eigene Tradition. Die Entwicklung der Neuen Musik, vor allem der elektronischen Musik ab den 50er Jahren und des Minimalismus der 60er Jahre liefern ein Fundament, auf dem in Frankfurt für knapp drei Monate aufgebaut wird. Dafür hat die Kunsthalle Schirn unter dem neuen Leiter Max Hollein den dänischen Kurator und Künstler Jesper N. Jørgensen eingeladen, eine audiovisuelle Komposition zu schaffen, die die einzelnen Arbeiten sowohl separiert als auch verbindet. Jørgensen hat bereits selbst im Kunstbereich, vor allem im Rahmen von Aktionen und Performances, gearbeitet und fungiert bei "Frequenzen [Hz]" als Kurator. Jørgensen:

"Ich sehe mich als eine Art Co-Producer oder Manager der einzelnen Künstler. Ich helfe ihnen, bin aber kein Galerist. Ich bin ihr Promoter und möchte die Institution Museum als Plattform für die Künstler nutzen."

Hinter der Ausstellung stecken natürlich wesentlich mehr helfende Köpfe. Das Designer-Architekten-Künstler-Team Ehlers/Hirsch/Müller/Weisbeck zeigt sich verantwortlich für die Raumgestaltung in Form eines weißen Mäanders, der sowohl die loopartige Regelmäßigkeit einiger der Sounds (z. B. Mika Vaino, Angela Bulloch) repräsentiert, als auch eine Variabilität in den einzelnen Abschnitten ermöglicht.

Gang in der Austellungsarchitektur von Ehlers/Hirsch/Müller/Weisbeck, Foto: (c) Norbert Miguletz

Minimalismus und Loops

Der Rundgang durch den Mäander versetzt den Betrachter in sehr unterschiedliche Zustände. Doch immer bleibt der Rahmen des gestalteten Mäanders gegenwärtg und löst somit den Rahmen des Rahmens, das eigentliche Museum Kunsthalle Schirn, zeitweilig aus dem Ausstellungsumfeld komplett heraus. Die sehr klinische Stimmung des eigentlichen Rundgangs wird durch die ersten Arbeiten unterstützt. Carsten Nicolais "Frozen Water" (2001/2002), Tommi Grönlund/Petteri Nisunens "Ultrasonic" (1996-2002) und Carl Michael von Hausswolffs "Parasitic Electronic Seance" (1997-2002) haben einen wissenschaftlichen Laboratoriumscharakter. Beinahe möchte der Betrachter sich selbst an die Geräte setzen und mit dem Experimentieren beginnen.

Trotzdem gehören diese Arbeiten zu den räumlich offeneren Projekten der Ausstellung. Ryoji Ikedas "Spectra II" (2002) hingegen besteht aus einem langen, abgedunkelten, nach oben abgeschlossenen Gang, in den man durch einen Vorhang eintritt. Durch fünf mit Hochfrequenztönen und Stroboskopblitzen befeuerte Abschnitte tastet man sich mit Augen, Ohren und Fingerspitzen verunsichert nach vorne (oder dem, was man noch für vorne hält). Eine gewisse Narkotisierung tritt ein, bevor man das unklar zu definierende Ende des Flurs erreicht hat.

"Spectra II", Ryoji Iked (2002), Foto: (c) Norbert Miguletz

Ähnlich abgeschlossen konzipiert ist Franz Pomassl Subwoofer-Soundsystem "Untitled" (2002), welches im Rotunden-Korridor des Museums, also außerhalb des Mäanders, aufgebaut ist. Bereits im Foyer der Kunsthalle hört man den dumpfen Dauerton. Tritt man in das Rondell ein, ist der tieffrequente Sinuston am ganzen Körper vibrationsartig zu spüren. Der Ton verändert sich bei jedem Meter, den man um die abgedeckte Ballustrade schreitet. Je nach Anzahl und Geschwindigkeit der Bewegungen (auch der anderen aktuellen Besucher) in dem Raum, verändern sich die Schwingungen. Pomassls Wahrnehmungsexperimente erscheinen wegen ihrer Reduktion auf den Klang bei gleichzeitiger Vernachlässigung der visuellen Ebene besonders bemerkenswert. Der Bass-Sound genügt, um die Anwesenden zu irritieren und zu Selbstversuchen (etwa das Niederhocken vor dem dumpf drönenden Subwoofer) zu animieren; eine Art von konzentrierter, nichtoptischer Erfahrung, die in einem Museum eher selten der Fall ist.

Die meisten der Installationen auf "Frequenzen [Hz]" verbinden allerdings eher das Akustische mit dem Optischen, wobei Kurator Jøorgensen den Fokus nicht unbedingt auf diesem Überschneidungsfeld sieht:

"Bei der Ausstellung geht es generell um den Zusammenhang und die Konstitution wahrnehmbarer Räume, sei es visuell oder akustisch. Wie orientieren wir uns in Räumen? Welche Werte und Charakteristika sind raumdefinierend etc.?"

Die Verbindung von Klang im Raum und Raumklang stellt eine Herausforderung dar. Pomassls Subwoofer zum Beispiel ist auf die raumspezifischen Besonderheiten des Rotunden-Korridors abgestimmt und wird von der vorgefundenen Architektur und ihrem Material mitdefiniert. Farmersmanuals "Graceful Degradation" (2001-2002) nimmt Informationen aus einem lokalen Computernetzwerk und wandelt diese um in Sound und Videobilder und bildet sie qua Video-Projektionen und Lautsprecher in einem zweidimensionalen Klang- und Bildraum ab.

"Graceful Degradation", Farmers Manual (2001 -2002), Foto: (c) Norbert Miguletz

Neben den meisten eher experimentellen Installationen gibt es aber auch Arbeiten, die deutlicher auf lebensweltliche Kontexte Bezug nehmen: Daniel Pflumms "NEU" (1999-2002) besteht aus einem auf Augenhöhe angebrachten TV-Set, auf dem in ständiger Wiederholung von Pflumm bearbeitete Videoschleifen aus Werbespots ablaufen. Die optischen Loops werden von einem eigens von Pflumm und Kotai produzierten Minimal-Techno-Track ("NEU"; findet sich auch auf der dem Katalog beiliegenden Audio-CD) verstärkt. Pflumm stößt den Betrachter somit in die Konstruktivität verschiedener Produktionsrealitäten - hier der Werbe- und Musikindustrie.

Ob Pflumm, der selbst auch außerhalb der Kunst tätig ist, allerdings gleich vor der repetitiven Manipulation der Werbung warnen will, wie es aus dem neben der Installation in die Schaumstoffwand gestanzten Text entnommen werden kann, sei dahingestellt. Schließlich scheint auch ein spielerisches Durchleuchten von immer gleichen und doch neuen Werbetrailern unverkrampft, und doch nicht gänzlich kritik- oder subversionslos zu sein. Dazu Jøorgensen:

"Pflumms Arbeit beinhaltet neben der offensichtlichen Kommentierung von Werbeästhetik auch perfide Hinweise auf die Kunstszene. Die beiden tanzenden Personen am unteren Bildrand des Videos sind Galleristen, was aber nur der vorinformierte Zusehende weiß."

Angela Bullochs schon bekannte Pixelboxen "Geometric Audio Merge" (2002) erinnern an Lichtgestaltungen in Clubs. Der dazu ablaufende Musik-Track lässt den Betrachter in eine Dancefloor-ähnliche Situation gleiten, bei der allerdings nicht klar wird, ob Bullochs ständig die Farbe wechselnde Kästen auf den Anwesenden reagieren oder der Besucher dies im Sinne einer künstlerischen Self Fulfilling Prophecy glaubt. Bullochs Boxen basieren auf flouresziernden Leuchtröhren, die wie Fernsehbildschirme bis zu 1,6 Millionen Frabtöne erzeugen können und mit einem je eigenen Programm laufen.

"Geometric Audio Merge", Angela Bulloch (2002), Foto : (c) Norbert Miguletz

Nicht wirklich Club-kompatibel

Jøorgensen wehrt sich sowohl in seinem Katalogtext als auch im Interview gegen zu enge Wechselbeziehungen zwischen Kunst und Clubkultur innerhalb eines Projektes wie "Frequenzen [Hz]": "Eine große Herausforderung ist es, die Ausstellung nicht zu nahe mit der Clubkultur im allgemeinen zu verlinken. Eine Intergration findet aber trotzdem statt, schon durch diverse Aktivitäten einiger der Küsntler in den Grenzbereichen." Jøorgensen scheint es also nicht um eine Thematisierung von Club oder DJ Culture oder deren soziale bzw. visuelle Ästhetiken zu gehen, sondern um Netzwerke und Kooperationen zwischen Künstlern und Musikbusiness.

Carsten Nicolai, der sich auch für das musikalische Begleitprogramm "Performance Serie" verantwortlich zeigt, möchte die abendlichen Gäste aus ihren sonstigen Clubkontexten herauslösen und ins Museum, so nah wie möglich an die Kunstwerke, bringen: "Ein Projekt wie wir es sind, funktioniert mit den Tracks, die sie hier präsentieren, im Club eher nicht." Die Abendveranstaltungen muten bereits mit ihrem pünktlichen Beginn um 20 Uhr nicht gerade wie nächtliche Events der elektronischem Musikszenen an. Trotzdem entwickelt sich eine entspannte, relativ freie Rezeptionssituation zwischen Chill Out und musikalischem Vortrag. Einzig die problematische Akustik der für die Performances bestimmten Halle trübt den Höreindruck ein wenig. Jøorgensen:

"Das Set Up ist variabel, das Konzept der Aufführung prinzipiell offen. Leider mussten wir dennoch den Surround-Sound aufgrund der Beschaffenheit der Halle auf Stereo reduzieren. Es gab zuviele Reflektionen."

So ganz abstreiten können die Veranstalter den Wink mit dem Clubkulturzaunpfahl schließlich nicht, warum auch, haben sie u. a. durch das bekannte Frankfurter Minimal-Techno-Label Mille Plateaux eine Reihe international bekannter Musiker/Programmierer/Künstler wie etwa Alva Noto (Carsten Nicolai), Pansonic, Frank Bretschneider oder auch Monolake auf ihrem Veranstaltungs-Plan. Und da diese wiederum selbst (Bsp. Mika Vaino vom finnischen Duo Pansonic) des öfteren als Künstler ausstellen, bietet sich ein Ausnutzen der netzwerkartigen Strukturen für ein Projekt wie die Frankfurter "Frequenzen [Hz]" sicherlich auch an.

Warum allerdings der Anteil junger Männer sowohl im Bereich der Klangkunst als auch und vor allem bei den Abendveranstaltungen so immens hoch ist, weiß auch Jesper N. Jøorgensen nicht befriedigend zu beantworten: "Diese Frage wird viel diskutiert. Für die Laptopszene kann ich schlecht sprechen, generell gibt es ja zahlreiche gute DJanes in der elektronischen Musik. Und auch interessante Sound-Art-Künstlerinnen gibt es eine Menge. Mir geht es mehr darum, welche Arbeiten gut zusammen passen, egal ob von Frauen oder Männern konzipiert."

Ort: Schirn Kunsthalle Frankfurt, Römerberg, D-60311 Frankfurt.
Dauer: 09. Februar bis 28. April 2002.
Öffnungszeiten: So. + Di. 11 19 Uhr, Mi. Sa. 11 22 Uhr.
Eintritt EURO 6.
Katalog: Max Hollein / Jesper N. Jøorgensen / Schirn Kunsthalle Frankfurt (Hrsg.): Frequenzen [Hz] / Frequencies [Hz] Audivisuelle Räume / Audio-visual Spaces, Hatje Cantz Verlag, Ostfildern-Ruit 2002, 208 Seiten, mit CD. EURO 39,80, ISBN 3-7757-1154-6, www.hatjecantz.de