Internationaler Vergleich: Deutsche Schüler in Mathe mittelmäßig

Carl Friedrich Gauß, Porträt von Gottlieb Biermann (1887). Bild: Wikipedia; gemeinfrei

Die TIMSS-Studie zeigt Erfolge beim Abbau der Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen. Die Mädchen sind besser geworden, die Jungen schlechter

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Die Ergebnisse des internationalen Vergleichstests von Schülern der vierten Klasse Grundschule in Mathematik und Naturwissenschaften (TIMSS) weisen Deutschland einen Platz im Mittelfeld zu. Das dürfte vielen nicht gefallen, die der deutschen Schulausbildung gute Noten geben wollen.

Denn es sind nicht nur die asiatischen Länder, wie gewöhnlich an der Spitze, die sehr viel besser abschneiden - der Spitzenreiter Singapur hat mit 618 Punkte fast hundert Punkte mehr als Deutschland (522)1 -, sondern auch europäische Länder wie Norwegen, Irland, England, Belgien, Portugal, Dänemark, Litauen, Finnland, Polen, die Niederlande, Ungarn, die tschechische Republik, Bulgarien und Zypern, die besser abschneiden.

Zu Schweden, mit 519 Punkten knapp hinter Deutschland, heißt es, immerhin, dass sich die Mathematik-Leistungen gegenüber dem letzten Vergleich vor vier Jahren wesentlich verbessert haben, während die Leistungen deutscher Schüler stagnieren.

Deutschland - knapp unter dem EU-Durchschnitt

Deutschland liegt auf der Rangliste der 55 beteiligten Länder auf Platz 24. Die Spitzengruppe bilden Singapur, Hongkong, Südkorea, Taiwan, Japan (593 Punkte). Mit etwas Abstand folgt Nordirland (570) und die russische Föderation (564), danach kommen mit Norwegen, Kasachstan, Portugal und den USA Länder, im 540-Punkte- Bereich, die nicht so weit entfernt von den Leistungen der deutschen Schüler sind. Der OECD-Durchschnitt liegt bei 528 Punkten, der EU-Durchschnitt bei 527, dann kommen Bulgarien (524) und Zypern (523) und dann Deutschland - knapp unter dem Durchschnitt.

Die Diskussion dürfte sich allerdings nicht an der Rangliste aufheizen, die ja immer eine verkürzte, an den Sport orientierte Darstellung ist, die überzeugte Lehrkräfte leicht vom Tisch wischen. Sie wird sich an anderen Phänomenen reiben.

Für Diskussionen dürfte zum Beispiel sorgen, dass es im Vergleich mit anderen Ländern auffallend viele Schüler in Deutschland gibt, die Kompetenzstandards nicht erfüllen - und dass es im Vergleich wenig sehr gute Schüler gibt, die in den höchsten Kompetenzstufen vertreten sind. Das wirft die Fragen nach den Standards des Mathematik-Unterrichts und nach der Förderung von sehr guten Schülern im Unterricht neu auf.

Zwei Beispielaufgaben

Im Nachfolgenden zwei Aufgaben, die das Gefälle in den Fragestellungen in den Mathematik-Tests veranschaulichen. Als schwerere, weil Problemlösungs-Aufgabe - unterschieden wird zwischen den drei kognitiven Anforderungsbereichen "Reproduzieren", "Anwenden" und "Problemlösen" - wird folgende gerne zitiert. Sie zählt zur höchsten Kompetenzstufe (V):

Tom kauft zwei große Eiswaffeln und vier kleine Eis am Stiel für zusammen genau 22 Zeds (fiktive Währung). Lena kauft eine Eiswaffel und drei Eis am Stiel für insgesamt 14 Zeds.
Wie viel kosten eine Eiswaffel und ein Eis am Stiel zusammen?
Wie viel kostet ein Eis am Stiel?

Als leichtere Aufgabe ("Reproduzieren"), Kompetenzstufe II, wird folgende präsentiert:

Jonas pflanzt je acht Bäume in fünf Reihen.
Wie viele Bäume pflanzt er insgesamt? Mögliche Antworten: A: 13, B: 32, C: 35, D: 40

Hoher Anteil schlechter Schüler

Dazu heißt es im Ergebnisüberblick der vollständigen Studie, dass fast ein Viertel der deutschen Viertklässler, 23 Prozent, lediglich über "einfache mathematische Fertigkeiten und Fähigkeiten" (Kompetenzstufe III) verfügen. Es sei davon auszugehen, "dass sie in der Sekundarstufe I erhebliche Schwierigkeiten haben werden, die Anforderungen im Fach Mathematik zu erfüllen".

In den asiatischen Teilnehmerstaaten, aber auch in einigen europäischen Nachbarstaaten wie der Flämischen Gemeinschaft in Belgien (12 %) oder den Niederlanden (17 %), würden die Anteile an leistungsschwachen Schülerinnen und Schülern geringer ausfallen als in Deutschland. Ein ähnlich Fazit wird bei den 4 Prozent der Schülerinnen und Schüler gezogen, deren Leistungsniveau der untersten Kompetenzstufe (I) zugeordnet wird, die nur über "rudimentäres mathematisches Wissen" verfügen.

Alle Teilnehmerstaaten mit Ausnahme der USA (5 %) und Ungarn (8 %), die in TIMSS 2015 auf der Gesamtskala Mathematik besser als Deutschland abgeschnitten haben, weisen in diesem Bereich anteilig weniger Schülerinnen und Schüler auf.

TIMSS 2015

Geringer Anteil von Schülern mit sehr guten Mathematik-Kenntnissen

Für die höchste Kompetenzstufe V- "Schüler verfügen über mathematische Fertigkeiten und Fähigkeiten, um verhältnismäßig komplexe Probleme zu lösen und ihr Vorgehen zu erläutern" - werden von den deutschen Grundschülern 5 Prozent ausgewiesen. Im internationalen Vergleich sei das gering, ist in der Bewertung der Ergebnisse zu lesen.

In den asiatischen Teilnehmerstaaten sollen 30 bis 50 Prozent aller Kinder über ein entsprechendes Leistungsniveau verfügen. Angeführt werden aber auch europäische Nachbarländer wie Dänemark, das mit 12 % einen sehr viel höheren Anteil von Schülern hat, die der höchsten Kompetenzstufe zugerechnet werden, die Flämische Gemeinschaft in Belgien mit 10 % , Polen ebenfalls mit 10 % und die Tschechischen Republik mit 8 Prozent. In den USA sind es 14 Prozent, in Russland 20, in Japan mehr als 30 Prozent.

Der deutliche Vorsprung der Jungen existiert nicht mehr

Es zeigt sich aber auch ein großer Erfolg der deutschen Grundschul-Unterrichtsarbeit in Mathematik - wie übrigens auch in den Naturwissenschaften. Die Zeit bringt das auf eine kurzen Nenner:

Der deutliche Vorsprung der Jungen im Bereich Mathematik und Naturwissenschaften vor den Mädchen existiert nicht mehr. Die Angleichung lag an den Jungen, die sich verschlechterten, während ihre Mitschülerinnen die Leistungswerte hielten oder leicht verbesserten.

Die Zeit

Im Fachjargon heißt das, dass die geschlechtsspezifischen Leistungsdisparitäten, die beim TIMSS 2007 noch bei 12 Punkte Vorsprung in Mathematik und 5 Punkte Vorsprung in Naturwissenschaften für die Jungen lagen, in Deutschland im Trend signifikant zurückgegangen sind.

Beim Vergleich von TIMSS 2007 zu TIMSS 2015 zeige sich, dass Mädchen in Mathematik ihre mittleren Leistungswerte gehalten haben und in den Naturwissenschaften tendenziell etwas besser geworden sind. Jungen hätten in TIMSS 2015 hingegen in beiden Domänen in der Tendenz schlechtere Leistungen erzielt als in TIMSS 2007. Kommentiert wird dies mit dem Satz:

In Bezug auf diese Entwicklung erweist sich Deutschland im internationalen Vergleich als einzigartig.

TIMSS 2015