Siebenschläfer können ihr Erbgut "verjüngen"

Siebenschläfer. Bild: Public Domain

Telomere an den Enden der Chromosomen werden länger statt kürzer

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Der Siebenschläfer ist ein mausähnliches Tier mit einem buschigen eichhörnchenartigen Schwanz, das mehr als sieben Monate im Jahr im "Torpor" verbringt - einem Winterschlafstadium mit herabgesetztem Stoffwechsel. Dazu gräbt sich das im Sommer nachtaktive Tier, das in einigen Ländern als Delikatesse gilt, bis zu einem Meter tief in die Erde ein, wo es vor Frost geschützt ist. Aufgrund der auf fünf Grad Celsius abgesenkten Körpertemperatur kann der Siebenschläfer in so einer kleinen Höhle mit sehr wenig Sauerstoff überleben, ohne zu ersticken.

Eine Forschergruppe um den Ökophysiologen Franz Hölzl vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien hat jetzt in Scientific Reports Studienergebnisse veröffentlicht, die zeigen, dass dieses Säugetier über eine sehr ungewöhnliche Eigenschaft verfügt, die sonst nur bei Keim-, Stamm-, und Tumorzellen anzutreffen ist:

Bei Siebenschläfern, die das fünfte Lebensjahr überschritten haben, verkürzen sich die für Stabilität sorgenden Telomere an den Enden der Chromosomen nämlich nicht (wie das bei anderen Lebewesen der Fall ist), sondern verlängern sich stattdessen. Die Regel, dass ein Tier um so älter ist, je kürzere Telomere es hat, gilt deshalb bei ihnen nicht. Dass heißt allerdings nicht, dass sie ewig leben: Wenn sie nicht vorher von Eulen, Katzen oder Mardern gefressen werden, haben sie eine Lebenserwartung von bis zu 13 Jahren – also eine deutlich längere als Mäuse und andere kleine Säugetiere.

Ausreichendes Nahrungsangebot Voraussetzung

Die Telomere verlängern sich den Erkenntnissen der Wissenschaftler nach nicht während den Schlaf-, sondern während den Wachphasen. Durch Untersuchungen in einem “Hungerjahr”, in dem Bucheckern (die neben Eicheln und Kastanien ein wichtiges Siebenschläfer-Grundnahrungsmittel sind) knapp waren, fand Hölzls Team außerdem heraus, dass ein Zusammenhang zwischen der Telomerverlängerung und dem Nahrungsangebot besteht: Während die Telomere aus Speichelproben einer Siebenschläfergruppe, die sie in diesem Jahr zusätzlich mit Sonnenblumenkernen fütterten, genau so lang oder länger waren wie zu Beginn des Experiments, hatten sich diejenigen der Kontrollgruppe, die mit dem kargen Nahrungsangebot der Natur auskommen musste, verkürzt.

Warum sich die Telomere bei Siebenschläfern verlängern, ist unklar. Ein möglicher Zusammenhang könnte mit der relativen Besonderheit bestehen, dass sich Siebenschläfer nur in Jahren mit einem guten Nahrungsangebot fortpflanzen. Das liegt nicht nur an den Weibchen, sondern auch an den Männchen, deren Befruchtungsfähigkeit man in solchen Jahren an deutlich vergrößerten Hoden erkennt. Wie und warum es dazu kommt, ist noch weitgehend unerforscht.

Widersprüchliche Ergebnisse zu Fortpflanzung und Telomerlänge

Diesem Ansatz nach könnten Sexualhormone für die Verlängerung der Telomere verantwortlich sein. Die bisherigen Forschungsergebnisse zu Fortpflanzung und Telomerlänge sind allerdings widersprüchlich:

Während eine 2014 veröffentlichte Untersuchung an Frauen über 65 darauf hindeutet, dass mehr Kinder bei Menschen für kürzere Telomere sorgen könnten, kam eine mit 75 Cakchiquel-Maya-Frauen in Guatemala durchgeführte und Anfang 2016 erschienene Studie zum gegenteiligen Ergebnis: Hier hatten sich die Telomere der Frauen innerhalb eines Zeitraums von 13 Jahren statistisch gesehen um so weniger verkürzt, je mehr Kinder sie geboren hatten.

Eine Erklärung für diesen Widerspruch könnte darin liegen, dass Kinder bei den Cakchiquel ihren Eltern eher Arbeiten abnehmen und so das Leben erleichtern, während sie in entwickelten Ländern eher ein Stressfaktor sind. Darauf, dass Lebensumstände wie Stress die Telomerlänge mit bestimmen, deuten Studien bereits länger hin.