Saudisches Rehabilitationszentrum für Terroristen soll radikalisieren

Rehabilitationszentrumsnamensgeber Prinz Mohammed bin Naif mit der ehemaligen US-Außenministerin Hillary Clinton. Foto: US-Außenministerium

Guantanamo-Insasse weigert sich, in seine Heimat zurückzukehren

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

In einem vorher geheim gehaltenen Anhörungsprotokoll behauptet das in Guantanamo inhaftierte al-Qaida-Mitglied Ghassan Abdullah al-Sharbi, dass das saudische Beratungs- und Versorgungszentrum "Prinz Mohammed bin Naif", eine Rehabilitationseinrichtung für Terroristen, die dort Inhaftierten nicht resozialisieren, sondern in Wirklichkeit radikalisieren und für den salafistischen Krieg gegen Schiiten und Säkulare im Jemen und in Syrien rekrutieren soll.

Woher al-Sharbi diese Einschätzung hat, wird aus dem Dokument nicht klar. Anlass für Beschuldigung, die der saudische Staatsangehörige im Juni 2016 machte, war eine Anhörung vor dem Guantanamo-Bewährungsausschuss.

Die in der Nähe der saudischen Hauptstadt Riad angesiedelte Einrichtung umfasst ein etwa 10 Hektar großes Gelände mit einer Sauna, einem riesigen Swimmingpool und zahlreichen weiteren Sport- und Freizeitanlagen. Wenn sie sich wunschgemäß verhalten, wird Insassen als positiver Verstärker unter anderem gestattet, ihre Ehefrauen privat zu empfangen. Das Zentrum wurde in der Vergangenheit nicht nur von US-Präsident Barack Obama gelobt, sondern auch von Medien wie dem Wall Street Journal, das positiv über das dortige Angebot aus Sport und religiöser Unterweisung schrieb.

Diese religiöse Unterweisung durch saudische Theologen und Scharia-Rechtsgelehrte nimmt mehrere Stunden täglich ein. Alleine der Scharia-Unterricht umfasst 15 Wochenstunden.

Terrorismus- und Saudi-Experten wie der ehemalige US-Visastellenleiter Michael Springmann hatten – anders als Obama oder das Wall Street Journal Zweifel daran geäußert, dass sich Dschihadisten auf diese Weise entradikalisieren lassen. Springman meinte bereits vor al-Sharbis Aussage, die Einrichtung diene vor allem dazu, bei den Amerikanern Eindruck zu schinden.

"Kein Dschihad für Allah, sondern für den saudischen König"

Von den bislang 134 aus Guantanamo überstellten und im Jemen festgenommenen Terroristen, die das Programm in der Einrichtung durchliefen, betätigten sich mindestens 20 Prozent erneut als Dschihadisten. Der bekannteste unter ihnen ist Said Ali al-Shihri, der nach seiner Entlassung al-Qaida-Führer im Jemen wurde und Anschläge auf US-Einrichtungen plante.

Al-Sharbi meinte in seiner Berufungsanhörung, dass die Saudis den Terroristen auch solche Anschläge nicht ausreden, sie aber davon überzeugen würden, erst dann loszuschlagen, wenn sie das wollten. Das sei seiner Ansicht nach kein Dschihad für Allah, sondern für den saudischen König, weshalb er sich weigere, in seine Heimat überstellt zu werden.

Angeblich 9/11-Telefonat mit "euer Hoheit" mitgehört

Der Elektroingenieur, der 2001 eine Flugausbildung in den USA absolviert hatte, aber vor den Septemberanschlägen nach Afghanistan ausreiste, wo er Sprengsätze konstruierte, glaubt nach eigenen Angaben außerdem, dass ein Mitglied der saudischen Königsfamilie an den Angriffen auf das World-Trade-Center und das Pentagon beteiligt war, weil er angeblich ein Telefonat mithörte, in dem ein darin verwickelter Gesprächspartner mit "euer Hoheit" angesprochen wurde. Die saudische Staatsführung hat solche Mutmaßungen in der Vergangenheit zurückgewiesen. Zu den neuen Anschuldigungen gibt es bislang keine Stellungnahme.

Im letzten Monat hatte die Whistleblowerplattform WikiLeaks eine Mail veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass Hillary Clinton insgeheim davon ausging, dass die Saudis dem damals noch ISIS genannten IS und anderen sunnitischen Terrororganisationen "heimlich finanziell und logistisch unterstützten". Die Präsidentschaftskandidatin gab keinen Kommentar dazu ab, bestritt die Echtheit der Einschätzung jedoch nicht.