Aleppo: USA und Russland verhandeln über Abzug der Milizen

Al-Nusra, Foto ohne Datum aus Ost-Aleppo, Propagandaaufnahme

Deren Niederlage steht fest. Die Frage ist, wer freiwillig abzieht. Der Türkei könnte ein "beängstigendes Szenario" bevorstehen

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US-Außenminister Kerry und sein russischer Amtskollege Lawrow arbeiten das nächste Abkommen zu Aleppo aus. Wieder ist die Trennung bewaffneter Milizen von den dschihadistischen Gruppierungen der heikle Punkt.

Kerry hatte am vergangenen Freitag in Rom angekündigt, dass in dieser Woche eine Reihe von "Ideen" in Gesprächen zwischen amerikanischen und russischen Diplomaten in Genf getestet werde. Es sei wichtig, dass man auf dem diplomatischen Weg weiterkomme.

Niemand warte auf die nächste amerikanische Regierung, sagte Kerry nach einem Treffen von Lawrow: "Wir beide haben das Gefühl, dass die Situation dringend ist."

Lawrow: Abzug aller Milizen ohne Ausnahme

Heute übermittelt die russische Nachrichtenagentur Tass ein paar Details zu den Ideen und die Haltung Lawrows. Demnach habe Kerry dem russischen Außenminister in Rom Vorschläge übergeben, die einen Wegeplan und Termine für den Abzug von "allen Milizen ohne Ausnahme aus Ost-Aleppo" betreffen. Der Abzugsplan solle miteinander koordiniert werden.

Lawrow kommentierte dazu den wenig überraschenden Kerngrundsatz aus Sicht Russlands: "Gruppen, die sich weigern, Ost-Aleppo zu verlassen, werden als Terroristen behandelt". Wer nicht abzieht, gebe damit zu erkennen, dass er den bewaffneten Kampf weiterführen wolle. Russland werde die syrische Armee darin unterstützen, gegen die bewaffneten Banden vorzugehen.

Laut Lawrow haben die USA eine Bringschuld. Von ihnen stamme die Initiative, die Milizen aus Ost-Aleppo abziehen zu lassen. Sie müssten genau wissen, welche Schritte sie und ihre Verbündeten zu unternehmen haben und welcher Einfluss auf die Milizen auszuüben sei.

Sobald sich die russischen und amerikanischen Verhandlungspartner über konkrete Routen und den Zeitplan des Abzugs aller Milizen geeinigt haben, werde eine Waffenruhe angeordnet, teilte der russische Außenminister mit.

Den Entwurf einer Sicherheitsratsresolution für eine mehrtägige Waffenruhe, den Spanien, Ägypten und Neuseeland - mit Unterstützung Frankreichs und Großbritanniens - vergangene Woche vorgelegt haben (vgl. Der Aufschrei des französischen UN-Botschafters) lehnte Lawrow ab.

Einige Gruppen weigern sich

Er begründete dies damit, dass die "Extremisten die Feuerpause sicherlich dazu nutzen werden, sich neu zu formieren und zu bewaffnen". Das würde die Befreiung Ost-Aleppos von diesen Gruppen verlangsamen. Der Entwurf stelle keine Bedingungen an die Milizen, kritisierte Lawrow. Da Russland bei der für heute anberaumten Entscheidung des Sicherheitsrats über diese Resolution ein Veto einlegen wird, steht der der Ausgang so gut wie fest.

Das Wall Street Journal zitiert ungenannte Vertreter der amtierenden US-Regierung mit der Einschätzung, dass sie für "wenig wahrscheinlich" halten, dass noch in der Amtszeit Obamas ein Deal mit Russland zustande komme. Der neugewählte Präsident Trump ließ bislang erkennen, dass er nicht dazu bereit ist, islamistische Umstürzler gegen den syrischen Präsidenten zu unterstützen.

Die Niederlage der von Dschihadisten und al-Qaida-Ablegern geführten Besatzung Ost-Aleppos ist nur mehr eine Frage der Zeit und nicht mehr aufzuhalten. An dieser Einsicht gibt es in Washington keine Zweifel, wie dem Zeitungsbericht zu entnehmen ist.

Die Unterstützung der gegenwärtigen Regierung konzentriert sich allem Anschein nach nun darauf, diejenigen FSA-Gruppen, die man unterstützt hat, zu einem Abzug zu verhelfen. Wer dazu bereit ist, muss sich erst herausstellen.

Einige Gruppen haben bereits erklärt, dass sie sich dem verweigern. Die Frage wird sein, welche Unterstützung sie auf ihrem verlorenen Posten noch von Saudi-Arabien oder Katar bekommen.

Flucht nach Idlib oder an die Grenze zur Türkei

Die Türkei könnte ernsthafte Schwierigkeiten an ihren Grenzen bekommen, spekuliert al-Monitor, da bewaffnete Gruppen aus Aleppo sich dorthin zurückziehen könnten. Was diese schwer bewaffneten, kampferfahrenen Gruppen dann dort machen, sei eine zentrale Frage in einem "beängstigenden Szenario".

Laut Informationen der Publikation sind die Verhandlungen darauf ausgerichtet, die Milizen, die Aleppo verlassen, nach Idlib zu schicken. Das dürfte dann der nächste Schauplatz nicht nur von Angriffen seitens der syrischen Armee und ihrer Verbündeter sein, sondern auch von zunehmenden Konflikten innerhalb der bewaffneten Gegner der syrischen Regierung.