Saudi-Arabien: Von der Leyen trifft Taliban-Unterstützer

Moschee in Dschidda. Foto: Faisal Al-Abdullah / CC BY-SA 3.0

Die Verteidigungsministerin ist zu Schlüsselgesprächen im "gegenseitigen Interesse" in Riad

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Aus saudi-arabischer Sicht wird der Besuch der deutschen Verteidigungsministerin auf unverfängliche Formeln gebracht: Von der Leyen kommt zu "key talks", meldet Arab-News. Am heutigen Donnerstag werde sie mit dem Vize-Kronprinzen Mohammed bin Salman über "Themen des gegenseitigen Interesses" sprechen, über die Lage in der Region und über die Erweiterung der bilateralen Beziehungen.

Sachte wird angesprochen, dass mit der "Ausbildung der saudischen Jugend", worüber man eine Einigung erzielen will, eine militärische Ausbildung gemeint ist.

In deutschen Medien wird der Besuch bei einem "schwierigen Partner als "heikel" bezeichnet.

Doppelte saudi-arabische Manöver

Das Heikle ließe sich anhand nur eines Exempels der saudischen Interessenspolitik grobkörnig so skizzieren: Die Chefin der Bundeswehr, die in Afghanistan Regierungstruppen für den Kampf gegen die Taliban ausbildet, sieht sich dem de-facto-Regierungschef des Königreichs gegenüber, das die Taliban seit Jahren mit üppigen Geldzahlungen unterstützt.

Man kann die Komplexität noch ein wenig erhöhen: Saudi-Arabien unterstützt, wie dem eben verlinkten New York Times-Artikel ebenfalls zu entnehmen ist, auch die afghanische Regierung, allerdings mit etwas weniger Geld, aber dafür offiziell. Indessen verläuft die Finanzierung der Taliban über die sogenannten dunklen Kanäle, für die es keine offizielle Bestätigung gibt.

Clinton empfahl: Druck ausüben

In dem Artikel kommt zudem zur Sprache, was Hillary Clinton in einem E-Mail 2014 mitteilte, dass mit Diplomatie und Geheimdienst-Informationen Druck auf die Regierungen von Katar und Saudi-Arabien ausgeübt werden müsse, da die beiden Staaten "finanzielle und logistische Unterstützung für ISIL und andere radikale sunnitische Gruppen in der Region liefern".

Auch das ist kompliziert. (Clinton hat sich auch selbst nicht daran gehalten, sondern gerne Geld aus Saudi-Arabien für ihre Stiftung empfangen.) Denn anders als der IS werden manche der von Saudi-Arabien unterstützten radikalen Gruppen, wie zum Beispiel in Syrien Ahrar al-Sham, im Westen unter "Rebellen" geführt und im weiteren Dschihadisten als Oppositionsvertreter anerkannt. Wie zum Beispiel Mohammed Alloush von Jaish al-Islam, der bis zu seinem Rücktritt Ende Mai dem Hohen Verhandlungskomitee vorstand, das in Riad zusammengestellt wurde. Natürlich mit Einfluss des Königreiches.

Opfer in Aleppo werden beweint, im Jemen werden sie übersehen

So beweint die deutsche Regierung Opfer eines brutalen Krieges in Aleppo, sieht aber, zumindest in offiziellen Äußerungen, darüber hinweg, dass die Eskalation von Radikalen befördert wurde, die auf Geld und Unterstützung des KSA zählen konnten. Schärfer formuliert: Dass aus anfänglich politischen Protesten in Syrien ein Krieg mit bewaffneten Milizen wurde, hat Saudi-Arabien wesentlich mitzuverantworten.

Im Jemen fliegt Saudi-Arabiens Luftwaffe mit Tornados aus europäischer Produktion Angriffe, die einen hohen Blutzoll unter der Zivilbevölkerung anrichten. Auch hier gibt es grausige Bilder von Kindern, die zum Opfer von Bombardierungen wurden.

Die Empörung darüber hält sich gegenüber der über Aleppo in Grenzen oder wird, wie man in Großbritannien am Umgang mit der Kritik des Außenministers Johnson am Krieg der Saudis beobachten kann, eilfertig korrigiert, weil dessen Äußerungen nicht den Usancen entsprechen.

Dabei hatte Johnson noch betont, dass seiner Auffassung nach das KSA im Jemen eine "gewisse Schwelle" nicht überschreite. Von Kriegsverbrechen wolle er nicht sprechen. Im Fall Assad und Putin tut man sich da leichter.

Im Jemen verwendet Saudi-Arabien laut aktuellen Vorwürfen von Human Rights Watch Bomben, geliefert aus den USA, die gegen internationale Regelungen verstoßen.

Geheimdienst und Regierung

Kann von der Leyen, die mehr Verantwortung für die deutsche Stellung in der Welt will, Druck ausüben? An fehlenden Geheimdienstinformationen dürfte nicht liegen, dass dies ausbleibt. Man erinnert sich, der BND warnte vor einiger Zeit vor den Machtbestrebungen des Vizekronprinzen, der die Stabilität in der Region gefährde. Die deutsche Regierung beschwichtigte den Eklat rasch.

Es fehlt der politische Wille, um einen Riss mit dem strategisch und geschäftlich wichtigen Land zu riskieren. Dazu gibt es Ausreden genug:

Das federführende Wirtschaftsministerium beantwortete eine Anfrage so: Deutschland hat Vereinbarungen gegenüber europäischen Partnernationen, mit denen die Kampfflugzeuge produziert werden.

Tagesschau

Emanzipieren von den USA, wie es von der Leyen kürzlich forderte, heißt auf das Verhältnis mit Saudi-Arabien bezogen, in den Fußspuren der USA gehen, es ganz genau so machen. Im Tagesschau-Bericht gibt es dazu einen treffenden Satz:

(…) dass wir ohne Saudi-Arabien nicht können, auch wenn wir nicht immer mit Saudi-Arabien wollen, dass es uns aber keine andere Möglichkeit lässt, als mit den Saudis zusammen zu arbeiten.

Sebastian Sons, Mitarbeiter der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik