Vendetta zwischen Tsipras und Schäuble?

Griechisches Parlament. Bild: W. Aswestopoulos

Tsipras Rentengeschenke, der Mehrwertsteuersatz der Inseln und die Folgen

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Als der griechische Premierminister Alexis Tsipras vor knapp zwei Wochen ankündigte, den Beziehern geringer Renten das in der Krise gestrichene Weihnachtsgeld auszuzahlen und die griechischen Grenzinseln von der Mehrwertsteueranpassung auszunehmen, führte dies dazu, dass die Tage zuvor von der Eurogruppe beschlossenen Maßnahmen zur Schuldenerleichterung bis 2060 eingefroren wurden. Seitdem herrscht zwischen Berlin und Athen Eiszeit.

Die Griechen erfahren, dass Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble außer sich ist und das Ende der Solidarität erreicht sieht. Er verbittet sich, von Tsipras als jemand, der griechischen Rentnern an den Kragen will, dargestellt zu werden. Tsipras dagegen findet ebenfalls harte Worte. Eine Weihnachtsfeier für Flüchtlingskinder im griechischen Parlament nutzte er am Donnerstag zu einer kurzen Replik an Schäuble.

Tsipras' ironische Weihnachtswünsche nach Berlin

"Diejenigen, die den Finger erheben, um auf Verträge hinzuweisen und mit provozierender Dreistigkeit auf die Griechen herabblicken, müssen zuerst wissen, dass es ihnen zu allererst obliegt, die Vereinbarungen einzuhalten", sagte der Premier vor den Flüchtlingskindern in seiner offenbar an den deutschen Finanzminister gerichteten Grußadresse. Er erwähnte Schäuble niemals namentlich.

Tsipras schloss seine Ansprache mit: "Weil es Festtage sind, wünschen wir Ihnen ein frohes Weihnachtsfest und ein gutes Herz. Mögen Sie gesegnet sein und froh in der Seele. Denn, diejenigen, deren Seele krankt, können die Probleme Ihrer Länder, Europas und der gesamten Welt nicht lösen. Was Primärüberschüsse betrifft, die eventuell einige Länder haben, sie können nie den Überschuss der Seele des griechischen Volks erreichen." Mit einer kurzen Stellungnahme bemühte sich hinterher das Amt des Premierministers zu bemerken, dass mit denen "deren Seele nicht gesund ist" keineswegs der deutsche Finanzminister persönlich gemeint sei.

Nur zwei Tage zuvor hatte er von Kreta aus die Kreditgeber dazu aufgerufen, an den Verhandlungstisch zu kommen, um zu einer Einigung zu gelangen. Wie diese Einigung aussehen soll, ist für Tsipras klar. "Die Souveränität des Landes wird wiederhergestellt. Die kommissarische Verwaltung und die Memoranden enden", sagte er und attackierte den "Europäischen Rechtsextremismus" und den "Populismus", die gemeinsam Griechenland vorschreiben würden, welche Politik das Land haben soll. Tsipras meinte, die Kreditgeber würden "Dinge verlangen, die nicht realisierbar sind".

Auf welche verletzten Regeln sich Tsipras berief, das wird durch einen im Griechenlandblog aus dem Griechischen ins Deutsche übertragenen Beitrag des Bloggers Giorgos Kimporopoulos deutlich. Kimporopoulos bezieht sich in seinem Beitrag auf Regeln des ESM und der Eurogruppe, die mit Schäubles Reaktionen und Sanktionen auf Tsipras Vorstoß zur Auszahlung einer einmaligen Hilfe für Rentner zusammenhängen. Er schildert anhand von Beispielen dass selbst die auf die deutsche Vorherrschaft zugeschnittenen Statuten des ESM verletzt wurden.

Andere Regierungspolitiker wie der Parlamentspräsident Nikos Voutsis nahmen dagegen kein Blatt vor den Mund. Für Voutsis sind Forderungen nach einer weiteren Kürzung der Renten, sowie sie aus den Ansprüchen Schäubles und des IWF folgen, "ungerecht, ohne Grundlage und unsinnig". Sie würden vielmehr einem Plan dienen, die Bewohner des Balkans zu einem Leben ohne jegliche soziale Sicherung und mit Löhnen von 300 Euro monatlich zu verdammen. Voutsis fügte ferner hinzu, dass den Kritikern der Rentensonderzahlung entgehen würde, dass die Rentner Griechenlands im Familienverbund 1,25 Millionen einkommenslose Erwerbslose unterstützen würden.

Kritische Stimmen zu Schäuble kommen jedoch auch von den griechischen Oppositionsparteien. Während diese der Rentensonderzahlung nur zähneknirschend zustimmten oder wie die Nea Dimokratia faktisch verweigerten, gab es wenige Tage nach der namentlichen Abstimmung zur Rentenzahlung bei der Frage der Mehrwertsteuerentlastung eine ungewohnte Einigkeit. Hier stimmten am Mittwoch alle anwesenden 259 Abgeordneten mit "Ja". Damit bleiben für Grenzinseln, auf denen Flüchtlinge in den Hotspots im Winter in vielen Orten schon fast die Mehrheit der Bevölkerung stellen, die Mehrwertsteuersätze für ein Jahr geringer als auf dem Festland.