Japans Regierung verzwanzigfacht die Förderung militärischer Forschung

Bild: JGSDF/CC BY-2.0

Regierungschef Abe hat bereits den ersten Kampfeinsatz im Ausland durchgesetzt und setzt offenbar auch auf Produktion für den Waffenmarkt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Seit Jahren versucht der japanische Regierungschef Shinzo Abe Japans Militär aufzurüsten. Nach der Niederlage im Zweiten Weltkrieg wurde in der pazifistisch Verfassung von Beteiligung am Krieg Abstand genommen. Die auch unter Druck der USA aufgebauten "Selbstverteidigungskräfte" waren strikt auf Verteidigung angelegt, aber stets eng verzahnt mit den in Japan stationierten US-Truppen. Schritt für Schritt wuchs das Verteidigungsbudget, nahmen japanische Soldaten ab 1992 an UN-Friedenseinsätzen teil, wurde 2007 ein Verteidigungsministerium geschaffen und zur selben Zeit beschlossen, das US-Raketenabwehrschild auch in Japan zu stationieren. Japan gibt etwas mehr als 40 Milliarden US-Dollar für das Militär aus, was 1,0 Prozent des BIP entspricht, etwas mehr als Deutschland, das aber 1,2 Prozent des BIP für Rüstung ausgibt.

Letztes Jahr ging die Abe-Regierung noch weiter und brachte ein Gesetz durch, nach dem japanische Truppen auch zu militärischen Interventionen etwa zur Unterstützung von bedrohten Einrichtungen anderer Staaten oder von bedrohten Soldaten und Zivilisten im Ausland eingesetzt werden können. Japan müsse, so die Regierung ähnlich wie die deutsche, mehr "Verantwortung" übernehmen, ausgehebelt wird damit die Beschränkung militärischer Gewalt auf Verteidigung und Friedens- oder Stabilitätseinsätze, allerdings dürfen keine Soldaten in Kriegsgebiete entsendet werden. Abe begründete die gesetzliche Erweiterung auch mit einer besseren Kooperation mit den USA, die Japan vor China und Nordkorea schützen und wiederum Japan als Verbündeten brauchen, um China einzudämmen.

Es ist ein langsamer Abschied vom Pazifismus. Im Dezember wurden bereits die ersten japanischen Soldaten zu einem Kampfeinsatz in den Südsudan entstandt, angeblich um japanische Bürger dort zu schützen. Angeblich sei dort weiterhin ein Waffenstillstand in Kraft, argumentierte die Abe-Regierung mit ihrem Vorstoß. Die japanischen Streitkräfte haben im Dezember mit Übungen zur militärischen Rettung von bedrohten japanischen Zivilisten im Ausland durch Aufstände oder Terroristen begonnen. Der Einsatz ist nicht mehr wie früher gebunden an UN-Missionen, sondern das Außenministerium kann nun theoretisch weltweit Truppen zur Rettung japanischer Zivilisten entsenden.

Ende Dezember hat Japan zusammen mit anderen Staaten eine von den USA in den UN-Sicherheitsrat eingebrachte Resolution durch Stimmenthaltung blockiert. Diese sah ein Waffenembargo für den Südsudan vor, was Japan als konterproduktiv ansah, da die Übergangsregierung dort positive Schritte unternommen habe. Auch Russland und China enthielten sich. Unmut erregte Abe auch, als er sich nicht den übrigen G7-Ländern im Dezember angeschlossen hatte, um Russland wegen der militärischen Aktionen in Syrien zu verurteilen. Stattdessen empfing der japanische Premier den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Schon Mitte November hatte sich Abe als erster Regierungschef mit Donald Trump getroffen, wobei es auch um die Sicherheitsinteressen Japans ging. Das Land zahlt für den amerikanischen Militärschutz jährlich 1,9 Milliarden US-Dollar, gut möglich, dass Trump in Zukunft mehr haben will.

Bislang hat Japan keine Waffen exportiert

Der Abe-Regierung geht es wohl nicht nur darum, Japan wieder zu einem "normalen" Staat mit einem normalen Militär zu machen und im Ausland auch militärisch aktiver zu sein, offenbar sieht man auch im Rüstungsmarkt Chancen für japanische Produkte. Ähnlich wie die EU nach dem Brexit auch militärischer selbständiger von der Nato werden will und auf Ersparnisse und Innovationen in der europäischen Rüstungsindustrie setzt, erhöhte die japanische Regierung die Förderung von Forschung im Rahmen der Rüstung für das Jahr 2017 um das fast Zwanzigfache. 2016 waren erst 600 Millionen Yen (5,1 Millionen US-Dollar) dafür vorgesehen, im Haushaltsjahr 2017, das im April beginnt, sind des bereits 11 Milliarden (93 Millionen US-Dollar). Das ist zwar weiterhin nicht viel, zeigt aber, dass Japans Regierung daran interessiert ist, bei der Rüstung vom Ausland weniger abhängig zu werden und in den Waffenexport stärker einzusteigen. Begonnen wurde mit dem Programm erstmals 2015 mit nur 300 Millionen Yen.

Hauptwaffenexporteur nach Japan sind nach SIPRI natürlich die USA, Großbritannien, Schweden und Deutschland haben zusammen nicht einmal einen Anteil von einem Zehntel. Als Waffenexporteur ist Japan bislang nicht aufgetreten. Das soll sich ändern nicht nur durch Forschungsförderung, sondern auch durch die Art. Bislang erhielten einzelne Projekte maximal 30 Millionen Yen, ab 2017 sollen größere und langfristigere Projekte auch mit Hunderten von Millionen oder auch Milliarden Yen gefördert werden. Vorgesehen ist eine enge Zusammenarbeit der Universitäten mit der Privatwirtschaft, angestrebt werden soll angeblich die Entwicklung von technischen Systemen für extreme Bedingungen, beispielsweise unzerstörbare Elektronik, Materialien, die hohen Temperaturen standhalten können, oder Elemente, die hohe Stromstärken produzieren.

Noch kommt das politische Programm, die Forschung Richtung Rüstung zu drängen, offenbar nicht überall gut an. Während das Tokyo Institute of Technology nichts dagegen hat, wollen die Universitäten Hiroshima und Kansai keine Förderung durch das Verteidigungsministerium erlauben. Diskutiert wird, ob der Wissenschaftsrat Japans sein Verbot der militärischen Forschung aus den Jahren 1950 und 1967 beibehalten soll. Und die japanische Koalition gegen militärische Forschung an Hochschulen wendet sich strikt gegen die schon begonnene Auflösung des Verbots. Das sei nicht nur ein Angriff der Regierung auf die Versprechen der Wissenschaftler, nicht wieder an militärischer Forschung teilzunehmen, sondern bedrohe auch die akademische Freiheit, weil die Ergebnisse der militärischen Forschung nur nach Genehmigung des Verteidigungsministeriums veröffentlicht werden dürfen.