Das Brexit-Bashing bei Linken und Liberalen geht weiter

Vor allem in Deutschland wird EU-Kritik als moderne Form des Vaterlandsverrats hingestellt

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Wenn Linke oder Liberale auflisteten, was ihnen im vergangenen Jahr so besonders sauer aufgestoßen ist, fehlte das Brexit-Votum selten. Die Entscheidung einer knappen Mehrheit der britischen Bevölkerung, sich aus der EU zu verabschieden, rangiert neben der Trump-Wahl und dem internationalen Bedeutungszuwachs von Erdogan und Putin als Indikator für einen weltweiten Rechtsruck.

Nun ist nicht zu bestreiten, dass die Brexit-Kampagne mit großer Mehrheit mit nationalistischen Argumenten geführt wurde. Die Lexit-Kampagne linker Gruppen und einiger kleinerer Gewerkschaften, die mit ganz anderen Argumenten ebenfalls für den Austritt aus der EU warben, hatte es schon in Großbritannien schwer, wahrgenommen zu werden.

Doch in Deutschland wurde sie vor und nach dem Brexit-Votum gezielt ignoriert.

Die EU ist ein Desaster für Arbeiter- Gewerkschafts- und Flüchtlingsrechte

Das zentrale Argument der Lexit-Kampagne wurde nicht einmal diskutiert und kritisiert, sondern einfach nicht beachtet. Es lautet: Die EU in ihrer aktuellen Form ist ein Desaster für Arbeiter-, Gewerkschafts- und Flüchtlingsrechte. Sie ist also gerade nicht die von vielen Linken und Liberalen so hochgelobte Alternative zur nationalistischen Brexit-Kampagne, sondern nur die andere Seite der Medaille.

Deswegen hat das Lexit-Bündnis für einen Austritt aus der EU geworben und kämpft jetzt darum, Mitstreiter dafür zu gewinnen, dass ein Großbritannien außerhalb der EU eben nicht die Flüchtlingsrechte weiter einschränkt. Auch Arbeiter- und Gewerkschaftsrechte werden nicht am grünen Tisch, sondern in der konkreten Auseinandersetzung verteidigt. Wenn man mitbekommen hat, wie in den letzten Monaten die Arbeitskämpfe in Großbritannien in verschiedenen Bereichen zugekommen haben, könnte das auch schon ein kleiner Erfolg für die Lexit-Kampagne sein, obwohl viele der Streikenden sich selber gar nicht so positionieren wollten.

Schon vor einigen Monaten sorgten Londoner Mitarbeiter von einm Lieferservice-Start-Up mit ihrem Arbeitskampf für Aufmerksamkeit. Vor Weihnachten führten Streiküberlegungen von Beschäftigten der Post, Bahn und des Flugverkehres bei den herrschenden Torys zu Überlegungen, die Notstandsgesetze einzusetzen.

Das wäre doch für eine Linke, der angeblich so viel an Europa liegt, eigentlich eine Gelegenheit gewesen, diese transnationale Solidarität mal umzusetzen. Doch die Arbeitskämpfe und die Drohungen der Regierungen dagegen, wurden kaum registriert. Dafür ist noch immer das Lamento über den Brexit groß. Da wird auch die Generationengerechtigkeit ins Spiel gebracht.

Ältere Wähler hatten jüngeren Menschen um ihre Rechte als EU-Bürger gebracht, wird immer wieder behauptet. Um welche Rechte es genau geht, wird natürlich nie spezifiziert. Wenn es den Kritikern ernst wäre, müssten sie auf die deutsche Regierung Druck machen, dass die Briten auch nach einem Austritt nicht sanktioniert werden. Dann würden die vielzitierten jüngeren Briten auch nicht ihre EU-Rechte verlieren.

Aber dieselben Medien, die darüber klagen, setzen sich für harte EU-Austrittsverhandlungen ein und fordern, dass ein Exempel statuiert werden müsse, damit das britische Votum nicht etwa Nachahmer finden könnte. Da gäbe es vor allem in den Ländern der europäischen Peripherie sicher noch einige Kandidaten.