Die Glaubwürdigkeitslüge

Grafik: TP

Wie ich lernte, die Fake-News zu lieben - Teil 3

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Zu Teil 1: Wie ich lernte, die Fake-News zu lieben

Zu Teil 2: Von Angst getrieben

Facebook ist derzeit der zentrale Angriffspunkt, wenn es um Fake-News geht. Etliche Politiker kaprizieren sich auf das soziale Netzwerk und antworten nicht einmal auf die Frage, ob es bei den Fake-News eigentlich auch um sonstige (etablierte) Medien geht. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat diesbezüglich die vermeintliche Aufgabe von Facebook, gegen Falschmeldungen anzugehen, damit begründet, dass Facebooks wichtigstes Kapital seine Glaubwürdigkeit sei.

Bereits diese Ansicht zeigt, dass die Politik Facebook falsch einordnet: als Nachrichtenmedium, obwohl es nie als solches gedacht war. Facebook ist, wie Bernd Paysan in einem Forenbeitrag treffend geschrieben hat, ein soziales Netzwerk, das von persönlichen Kontakten lebt. Sein wichtigstes Kapital ist die vielfache einfache Nutzung durch Personen, die Daten miteinander teilen - egal ob diese nun als Video, Bild, Ton, Schrift vorhanden sind.

Diese Daten enthalten oft Meinungen - wobei aber weder Facebook noch seine Nutzer in irgendeiner Form eine Glaubwürdigkeit vorgeben oder diese für sich beanspruchen. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen Facebooks enthalten zahlreiche Regeln für die Daten, die bei Facebook veröffentlicht werden - aber sie enthalten keine Regel, die besagt, dass die veröffentlichte Information korrekt sein muss.

Wenn seitens der Politik verlautbart wird, Facebook solle bei Falschmeldungen schneller reagieren, dies sei schließlich auch bei Spam möglich, so zeugt dies von einem Schwarzweißdenken und Fehlinformiertheit bis Dummheit. Spam lässt sich verhältnismäßig einfach orten, da er bestimmte Charakteristika aufweist und seine Intention klar gegeben ist. Es kann also bestimmt werden, ob etwas, das bei Facebook veröffentlicht wird, diesen Vorgaben entspricht. Wie jedoch soll (abgesehen von einigen sehr klaren Fällen) entschieden werden, ob etwas der Wahrheit entspricht? Wie soll wer bei Facebook jede veröffentlichte Information prüfen?

... und nichts als die Wahrheit

Die Meinungen, die bei Facebook gepostet werden, sind auf sehr viele Themen verteilt - und natürlich können sich hinter den Meinungen auch "Hetze", Verleumdung, Übertreibung, Propaganda verbergen. Doch wenn beispielsweise Susanne über ihren Freund schreibt, er habe sie mit seiner Kollegin betrogen; wenn jemand berichtet, er habe gerade gesehen, wie drei ausländisch aussehende Menschen einen Stein in das Fenster des Nachbarn geworfen haben; wie Neonazis einen Ausländer bepöbelten … wer soll wie recherchieren ob dies der Wahrheit entspricht? Was ist mit Meldungen, die nicht offiziell verlautbart werden? Und wie soll, ohne die Privatsphäre der Nutzer auszuhöhlen, eine solche Wahrheitsüberprüfung gestaltet werden?

Nehmen wir den Fall der betrogenen Susanne. Um hier eindeutig ermitteln zu können, ob ihr Vorwurf zutrifft, müsste nicht nur mit ihr gesprochen werden, sondern auch mit dem beschuldigten Freund sowie dessen Kollegin, Daten müssten verglichen und analysiert werden, bis dann, einem Gerichtsverfahren ähnlich, bewertet wird, wer die Wahrheit spricht bzw. wessen Meinung als wahr angesehen wird und welche nicht. Dies würde nicht nur einen völlig unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten, es wäre auch schlichtweg nicht mehr mit einer Privatsphäre der Nutzer und dem Datenschutz vereinbar.

Selbst bei politisch aufgeladenen Themen, die sich zwangsläufig bei einem derart stark frequentierten Portal ergeben, ist es kaum möglich, überall eine Qualitätskontrolle durchzuführen. Und bei einem Portal, dessen Aufgabe nicht die ist, korrekte Informationen zu verbreiten, ist dies auch nicht notwendig. Dass nicht jede Information, die über Facebook verbreitet wird, der Wahrheit entspricht, sollte jedem Nutzer klar sein.

Quantität statt Qualität

Facebook lebt, anders als Nachrichtenmedien, nicht von der Qualität der dort veröffentlichten Daten, es lebt von der Quantität. Je mehr Nutzer es immer öfter verwenden, desto mehr rentieren sich personenbezogene Werbung und/oder Ideen wie Einkaufsvorschläge usw. Seit Facebook seinen Höhenflug begann, hat die Glaubwürdigkeit keine Rolle gespielt. Dass seitens der Politik eben diese Glaubwürdigkeit nun als wichtigstes Kapital Facebooks ins Feld geführt wird, kann als Ablenkungsmanöver und Vernebelung angesehen werden.

Facebook und andere soziale Medien wurden spätestens seit dem "Arabischen Frühling" als neue elektronische Kraft im politischen Dasein nicht nur bezeichnet, sondern regelrecht gefeiert. Das Ergebnis war, dass alle auf den Facebookzug aufzuspringen versuchten. Politiker, Unternehmen, Medien, staatliche und nicht staatliche Organisationen, sie alle versuchten nun, von der iCrowd zu profitieren und scheiterten oft genug daran, dass sie meinten, ihre bisherigen Vorgehensweisen einfach 1:1 via Facebook benutzen zu können.

Wie schon bei Abgeordnetenwatch oder fragdenstaat merkten die anfangs noch euphorischen Newcomer jedoch bald, dass ihre Vorstellungen nichts mit der neuen Realität zu tun hatten, die keineswegs einfach nur einen neuen Pulk von willfährigen Rezipienten mit sich brachte. Vielmehr wurden die an das einfache Sender-Rezipient-Verfahren gewohnten Protagonisten mit einem System konfrontiert, dass die trivialen Antworten oder Worthülsen, die sie zu veröffentlichen gewohnt waren, in Sekunden einem riesigen Empfängerkreis zur Verfügung standen, der selbst nicht nur kommentierte, sondern auch recherchierte, nachhakte und auf Widersprüche hinwies.

Es verwundert daher wenig, dass Facebook nunmehr zum Feindbild hochstilisiert wird und der Strohmann Glaubwürdigkeit erst mühsam errichtet und dann geradezu rituell abgefackelt wird. Statt eines neuen Propagandasenders hatte man es schließlich plötzlich mit einem Medium zu tun, dessen Nutzer auch als Korrektiv wirken konnten.

Dies ist auch ein Aspekt, der beim Thema der Fake-News eher selten angesprochen wird. Dass auch auf Facebook "Hetzschriften" und Verfälschungen zu finden sind, liegt in der Natur der Sache. Doch es gibt gleichermaßen Nutzer, die korrigierend und/oder deeskalierend wirken. Statt also die bisherigen Möglichkeiten weiter auszuschöpfen und auch auf die "Selbstreinigungskräfte" zu vertrauen, wird eine Art Wächtergremium geschaffen, dessen Zusammensetzung alleine bereits Anlass zur Kritik bietet.

Teil 4: Die Wächter der Meinungsfreiheit

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