Atom-Frankreich hängt am europäischen Strom-Tropf

AKW Fessenheit. Bild: Florival fr/CC BY-SA-3.0

Da es wieder einmal kalt ist, wird ein Blackout durch massive Zukäufe im Ausland verhindert, trotz allem frieren viele Franzosen längst bitter

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Wenn es kalt ist, dann wird es im Atomstromland Frankreich meist eng bei der Stromversorgung und im Februar 2012 wurde sogar schon der Blackout erwartet und mit Notmaßnahmen reagiert. Die Lage hat sich für Frankreich aber etwas verbessert, obwohl im Land etliche Atommeiler wegen der "Unregelmäßigkeiten" abgeschaltet waren oder sind, da Sicherheitszertifikate gefälscht wurden. Deshalb wurde längst darüber spekuliert, dass es bei einer Kältewelle zu einem Blackout kommen könnte.

Angesichts der fatalen Lage, wurde sogar zum Jahresende wieder ein Block des ältesten Kraftwerks in Fessenheim am Oberrhein in Betrieb genommen, der eigentlich ohnehin längst definitiv abgeschaltet sein sollte. Das hatte der sozialdemokratische Präsident Hollande im Wahlkampf versprochen. Und das Versprechen hat er noch einmal bekräftigt, nachdem im vergangenen Frühjahr bekannt geworden war, dass das Atomkraftwerk sogar schon einmal kurzzeitig außer Kontrolle war.

Doch da das Land, in dem Millionen in schlecht gedämmten Wohnungen und Häusern mit angeblich billigem Atomstrom heizen, der sogar illegal unter Gestehungspreis verkauft wurde, musste nun ein Meiler im Erdbebengebiet am Oberrhein angesichts der Stromknappheit zum Jahreswechsel wieder in Betrieb genommen werden, auch wenn die Sicherheitsbedenken sehr hoch sind. Ähnliches gilt für einen Meiler im ebenfalls grenznahen Cattenom, der an Weihnachten wieder ans Netz ging.

Obwohl mehr als zweifelhafte Atomkraftwerke nun also wieder gefährlichen Strom erzeugen, kann auf einer Stromkarte sehr deutlich gesehen werden, wie das französische Netz nur durch massive Zukäufe aus dem Ausland stabil gehalten wird. Die Electricity Map (http://electricitymap.tmrow.co/) zeigt auch am Samstagnachmittag erneut, dass das Netz in Frankreich aus den Nachbarländern funktionsfähig gehalten wird. Beachtet werden muss bei der Betrachtung der Karte, dass es sich um Echtzeitdaten handelt, die also schnell variieren können.

Doch bei einer Beobachtung während der kalten letzten Tage hat sich in gezeigt, dass die Stromproduktion in diesen Tagen schwankend um den Bereich von 70% aus Atomkraftwerken stammt, die zu etwa 85% ausglastet sind. Seit Tagen Strom wird unter anderem Strom massiv aus Deutschland importiert, mehr als 2000 Megawatt (MW), also die Menge von etwa zwei Atommeilern. Auch aus der Schweiz und aus Belgien wird fast so viel Strom nach Frankreich exportiert. Aus Großbritannien sind es noch einmal knapp 1000 MW und diese Liste ließe sich absteigend praktisch mit allen Nachbarn fortsetzen. Am Samstag gab es aber eine Besonderheit, dass Strom nach Spanien weitergeleitet wurde, aus dem am Vortag sogar fast so viel Strom importiert worden war wie der, der aus Deutschland kam.

Gerade neue Leitungen auf die Iberische Halbinsel, die erst nach dem Fast-Blackout 2012 in Betrieb genommen wurden, helfen in diesen Tagen dem Land, sein Stromnetz zu stabilisieren. Deshalb war bisher auch nicht von Notmaßnahmen wie 2012 zu hören, dass zum Beispiel die Beleuchtungen von Straßen und Gebäude abgeschaltet werden oder auch Geschäfte die Schaufensterlampen abschalten mussten, etc.

Allerdings sorgt auch der schmale Geldbeutel vieler darbender Familien in Frankreich dafür, dass das Netz derzeit nicht überlastet wird, denn Energie-Armut ist auch im Nachbarland ein großes Thema. Drei Viertel aller Franzosen sagen schon, dass es bei ihnen zu Hause schon zu kalt war, weil die Wohnung nicht gut isoliert ist, weil die Heizung kaputt ist oder aus Angst vor einer zu hohen Stromrechnung", schreibt die Zeitung Dernières Nouvelles d’Alsace. Beschrieben werden Fälle, wo die Menschen bei 8 Grad in eiskalten Wohnungen sitzen. Und berichtet wird auch davon, dass ständig mehr Franzosen unter Energiearmut leiden. Schon 12 Millionen Menschen, also fast ein Fünftel der gesamten Bevölkerung, seien davon betroffen.