Trump kanzelt Merkel ab

Foto: Gage Skidmore / CC BY-SA 2.0

Wie auch die Nato, die EU, Iran und den Export deutscher Automobilfirmen

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Am Freitag übernimmt Donald Trump die Amtsgeschäfte als Präsident der USA, ab Montag, nach Beendigung der Feierlichkeiten, will er sich an die Arbeit machen. Einer seiner ersten Erlasse, die er am ersten Tag unterschreiben will, wird sich um die Sicherung der Grenzen drehen, sagte Trump der Bild-Zeitung in einem längeren Interview.

Auf die Gesetzgebung und auf die Dekrete und Vetos des Präsidenten wird es ankommen, um nüchtern einzuschätzen, welche Politik Trump tatsächlich verfolgt. Das ist trivial, aber angesichts der Aussagen, die Trump im Interview "raushaut" - ein Ausdruck, der von ihm stammt und seine Twitterkommunikation charakterisiert - , nicht nebensächlich.

Trump spricht viele brisante Themen an, den Brexit, die Migration, die Nato, die EU, Iran, Syrien, Handelszölle und nicht zuletzt Russland und er tut dies auf eine für europäische Öffentlichkeiten ungewohnte Weise: direkt, darauf bedacht, die Spannung nicht rauszunehmen - wie dies etablierte europäische Politiker gewöhnlich machen, um zu beruhigen - sondern sie zu steigern. Widersprüchlichkeiten und Stimmungsumschwünge sind kein Problem. Es soll knallen.

"Ich glaube, der Brexit wird sich letztlich als eine großartige Sache herausstellen", sagt er und auf die Frage nach den Gründen für den Brexit antwortet er:

Die Leute wollen nicht, dass andere Leute in ihr Land kommen und es zerstören.

Donald Trump

Man meint, den UKIP-Leader Nigel Farage sprechen zu hören, mit dem Trump ein gutes persönliches Verhältnis hat. Farage war häufiger Besucher des Trump Tower in den letzten Wochen. Für viele europäische Politiker ist er eine Art Paria. Der designierte Präsident der USA macht dagegen einen Schulterschluss.

Aber, das glaube ich wirklich, wenn sie nicht gezwungen worden wären, all diese Flüchtlinge aufzunehmen - so viele, mit all den Problemen, die das mit sich bringt -, dann wäre es nicht zum Brexit gekommen. Es wäre gerade noch einmal gut gegangen, aber das war der Tropfen, der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Die Leute wollen ihre eigene Identität. Wenn Sie mich fragen: Es werden weitere Länder austreten… In meinem Land werden wir von meinem ersten Amtstag an auf sehr sichere Grenzen setzen.

Donald Trump

Die deutsche Kanzlerin Merkel wird abgefertigt wie eine Kandidatin in der Trump TV-Reality-Show The Apprentice. Zwar sei sie eine "großartige Anführerin" gewesen, aber sie habe einen "äußerst katastrophalen Fehler gemacht, und zwar alle diese Illegalen ins Land zu lassen". Zweimal spricht er von einem "katastrophalen Fehler", dann kommt er nochmal darauf zu sprechen, kritisiert "einen sehr schlimmen Fehler" und dann fällt ihm eine ganze Kette zum Fehler ein: "Ich finde, es war ein Fehler. Menschen machen Fehler, aber ich finde, es war ein sehr großer Fehler".

Abkanzeln könnte man dazu sagen.

Lösungen, die viel billiger sind

Sein Vorschlag ist ganz einfach: Man hätte Sicherheitszonen in Syrien einrichten sollen. Sein Argument: Das wäre viel billiger gewesen. Seine Lösung: Die Golfstaaten hätten dafür zahlen sollen. Sein Urteil: Dann wäre Deutschland das Trauma, das es jetzt durchmacht, erspart geblieben.

Wie realistisch diese Lösung war, ist kein Teig für Gesprächsstoff à la Trump. Gegen welche Widerstände, vor allem Russlands und Syriens, eine Sicherheitszone durchzusetzen gewesen wäre, mit welchem Eskalationsrisiko dies einhergegangen wäre, das ist ihm keine Überlegung wert. Es geht Trump um Sätze, die am Puls des Publikums sind, er sucht die Koalition mit dem Publikum, den Beifall.

Den wird bei nicht wenigen auch dafür bekommen, dass er die EU als Domäne Deutschlands beschreibt. Spaltungen und Verstörungen gehören zur Dramaturgie des Auftritts, der darauf ausgerichtet ist, Licht auf seine Person zu werfen:

Im Grunde genommen ist die Europäische Union ein Mittel zum Zweck für Deutschland. Deswegen fand ich, dass es so klug von Großbritannien war auszutreten. Ihr habt es geschrieben, ihr habt es auf der Titelseite gebracht: "Trump sagte, dass der Brexit kommen wird‘. Das war, als es noch gar nicht danach aussah, wissen Sie, alle glaubten, ich sei verrückt. Obama sagte zu der Zeit, ihr Briten müsstet euch hinten in der Reihe anstellen.

Donald Trump

Viel Echo bekam das Interview durch die Aussage Trumps zum Geschäft der deutschen Automobilindustrie: "Wenn man durch die 5th Avenue geht, hat jeder einen Mercedes-Benz vor seinem Haus stehen, stimmt’s? Tatsache ist, dass ihr den USA gegenüber sehr unfair wart. Es besteht keine Gegenseitigkeit. Wie viele Chevrolets sehen Sie in Deutschland? Nicht allzu viele…"

Sein Angebot:

Ich würde BMW sagen, wenn sie eine Fabrik in Mexiko bauen und Autos in die USA verkaufen wollen ohne eine 35-Prozent-Steuer, dann können sie das vergessen. Wenn sie also für die Welt Autos bauen wollen, würde ich ihnen alles Gute wünschen. Sie können Autos für die USA bauen, aber sie werden für jedes Auto, das in die USA kommt, 35 Prozent Steuern zahlen. Was ich damit sage, ist, dass sie ihre Fabrik in den USA bauen müssen - es wird für sie viel besser sein und für unsere Bemühungen.

Donald Trump

Auf die Verhandlungsmasse kommt es an

Er sei kein Politiker, sagt der kommende Präsident an mehreren Stellen des Interviews. Er sei ein Verhandler, stellt er heraus, er wolle die besten Deals herausholen. Dazu gehöre, dass er sich nicht in die Karten schauen lasse. So liefert er auch keine belastbaren Aussagen zur künftigen Politik, die er der Nato, Russland, China oder Iran gegenüber betreiben will. Auch diese Aussagen folgen alle der Regel aus der Aufmerksamkeitsökonomie: "Abwarten, da kommt etwas."

Die Nato hält er für obsolet, weil sie sich nicht rechtzeitig um den Terrorismus gekümmert habe und er betont nochmals, dass die USA auch hier unfair behandelt würden. Letztlich ist die Nato dann aber doch wieder wichtig.

Die andere Sache ist, dass die Länder nicht ihren fairen Anteil bezahlen. Also, wir sollen diese Länder schützen, aber viele dieser Länder zahlen nicht, was sie zahlen müssten. Das ist sehr unfair gegenüber den Vereinigten Staaten. Abgesehen davon ist mir die Nato aber sehr wichtig.

Donald Trump

In der Nato und in Berlin sollen diese Äußerungen für Beunruhigung gesorgt haben, heißt es. Genau diesen Effekt wünscht sich Trump, er will, so sagt er im Interview, möglichst gute Verhandlungsmasse. Man dürfe nicht so vorgehen, dass man alles ankündigt "wie Obama". Das sei ein Fehler, nicht nur beim Angriff auf Mossul, der sich zu einem "Desaster" entwickelt. Deshalb gibt es keine Ankündigen zu seiner Politik gegen Iran, sondern nur Signale. Das Atomabkommen hält er für einen denkbar schlechten Deal.

"Eines der schlechtesten Abkommen, die je getroffen worden sind. Es ist eines der dümmsten Abkommen, die ich je gesehen habe, eines der dümmsten im Sinne eines Geschäfts" - was er damit machen wird, bleibt offen ("Ich lasse mir nicht in die Karten gucken"). Auch, wie er das Verhältnis zu Russland gestalten will, bleibt offen, Trump deutet auch hier eine Überraschung an:

Sie haben Sanktionen gegen Russland - mal sehen, ob wir ein paar gute Deals mit Russland machen können. Zum einen finde ich, dass es deutlich weniger Nuklearwaffen geben sollte und sie erheblich reduziert werden müssten, das gehört dazu. Aber da sind diese Sanktionen, und Russland leidet im Moment schwer darunter. Aber ich glaube, da könnte manches gehen, von dem viele Leute profitieren würden.

Trump

Ab Montag, den 23. Januar wird die Öffentlichkeit nach und nach mehr wissen. Ein paar Handlungsbögen sind schon gespannt, in dieser merkwürdigen Mischung aus TV-Versprechen, Familienserie und Politik:

Jared (Kushner, der Schwiegersohn) ist so ein guter Junge, er wird ein Israel-Abkommen schließen, das sonst niemand zustande bringt.

Donald Trump