Macht Mainstreammedienverächter Trump den Journalismus wieder groß?

Nach den Demütigungen der liberalen Medien als Fake-News-Lieferanten wollen diese den Fehdehandschuh aufnehmen, was aber die verzweifelte Lage nur verstärkt

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Mit seinen Tweets, mit denen Donald Trump auch noch als designierter Präsident Politik machte und seine persönlichen Leidenschaften und Abneigungen explizit macht, hat er bereits den politischen Stil dramatisch verändert - vermutlich nachhaltig, kaum denkbar, dass er in Zukunft auf die schnelle Aktion und Reaktion verzichten wird, auch nicht auf das Austricksen der von ihm verhassten liberalen oder kritischen Medien, also der angeblich vierten Gewalt, die mit der Presse- und Meinungsfreiheit die staatlichen Mächte der Exekutive, der Legislative und der Judikative kontrolliert. Angekündigt hat er schon, dass er seinen persönlichen Twitter-Account beibehalten will, um "bing bing bing" zu machen.

In seiner letzten Pressekonferenz hatte Trump noch einmal deutlich gemacht, dass er mit Medien und Medienvertretern, die er nicht schätzt, kurzen Prozess machen will. Fragen werden nicht entgegen genommen, Journalisten auch persönlich beleidigt, Medien als Fake News bezeichnet. Der Präsident, zumindest der designierte, schlägt also zurück und lässt sich nicht mehr alles gefallen, sondern sucht zunehmend die Medien und ihre Berichterstattung in seinem Sinn zu kontrollieren. Wer nicht mitspielt, wird ausgeschlossen von der Nähe zur Macht. Eingeschlossen ist die liberale "Elite", Hollywood beispielsweise, etwa Meryl Streep. Kaum jemand aus der Prominentenelite will schließlich an der Amtseinführung teilnehmen.

Im Prinzip setzt Trump damit eingespielte Rituale aus, die bislang ein Netz zwischen der Regierung und den großen Medien geknüpft haben. Wer zum engeren Kreises des neuen Hofes dazugehört, erhält eher Zugang zu Informationen, zu Pressekonferenzen, zu Interviews, was nicht nur eine gewisse Exklusivität garantiert, sondern für private Medien auch geldwert ist. Daher bestand von Seiten der privilegierten Medien auch kein Bedürfnis, die Rituale zu beenden und die Netzwerke zu öffnen.

Jetzt werden sie damit konfrontiert, dass das Weiße Haus die Regeln verändert. Noch hat Donald Trump, der freilich auch schon mal mit der Verschwörungswebsite Infowars.com ein langes Interview am Beginn des Wahlkampfes führte, nicht gezeigt, dass er sonderlich anders mit Interviews umgehen wird (Der Präsident der USA im Infowar: Wenn eine Medienlandschaft den Knall nicht hört). Zuletzt durften die britische Times und Bild mit Trump sprechen, der dabei (verbal) heftig um sich schlug und entsprechende Ängste über seine künftige Politik auslöste. Auch ansonsten liebt er die großen Auftritte.

Aber sein Team plant schon einen weiteren Anschlag auf die alte Vertrautheit: die Verlegung der Pressekonferenz aus dem Weißen Haus an einen anderen Ort, an dem mehr Journalisten teilnehmen können. Der Presseraum im Weißen Haus hat nur 49 Sitzplätze, Pressekonferenzen hier sind also eine wirklich exklusive Angelegenheit. Trumps Stabchef Reince Priebus kündigte an, man wolle Pressekonferenzen möglichst weit allen interessierten heimischen und ausländischen Journalisten öffnen. Dagegen protestieren die Medien, die ihren exklusiven Zugang verlieren könnten. Deren Sprecher meinte, dass "der Zugang im West Wing zu hohen Regierungsmitarbeitern und dem Pressesprecher entscheidend für die Transparenz und die Möglichkeit der Journalisten, ihren Job zu machen, ist". Das ist natürlich scheinheilig und nur der Versuch, lange eingeführte Traditionen und Privilegien zu erhalten - in einer Welt, in der auch die Mainstreammedien zunehmend mit einer Vielzahl von Online-Medien, Bloggern und einer virtuellen Öffentlichkeit konfrontiert sind und die Exklusivität der Berichterstattung verlieren.

Verzweifelt suchen die Platzhirsche nun als Reaktion nicht nur beleidigt oder panisch zu reagieren wie etwa die New York Times (Donald Trump's Dangerous Attacks on the Press) oder hier (The 'News' Media as We Knew It Is Finished), sondern die Konsequenzen zu ziehen. So wird schon gejubelt, dass die seit Jahren zurückgehenden Abos für Mainstreammedien wie die Washington Post oder die New York Times seit Trumps Wahlsieg wieder zunehmen würden. Die Mainstreammedien also als eine Art Kompensation zur Verschiebung der Macht im Weißen Haus.

Hinter dem Verhalten von Trump steckt eine Strategie, die der alte republikanische Haudegen und Trump-Unterstützer Newt Gingrich gerade auf dem rechten Sender FoxNews klar machte. Trump wolle nicht nur den FoxNews-Konkurrenten CNN "schrumpfen und isolieren", sondern die "Elitepresse" plattmachen. Trump gibt sich als bekanntlich als Außenseiter, so hat er sich erfolgreich und kaum verständlich im Wahlkampf präsentieren können, als jemand, der gegen die urbane und akademische Elite mit ihrer politischen Korrektheit ausspricht, was das Volk denkt.

Bekannt ist, dass Politiker und der Kongress von den Menschen in den USA praktisch kein Vertrauen entgegenbracht wird. Wer dazu gehört, wird abgelehnt. Trump mit seinem Familienunternehmen gehörte tatsächlich am Rande zum Club in Washington, sein Beißen gegenüber Washington, der Wallstreet, dem Kongress und den Mainstreammedien scheint seine Reputation gefördert zu haben. Offenbar hält sich die Ansicht, obwohl sein Kabinett das bislang reichste und mit den meisten Milliardären besetzt ist. Ein Außenseiter sollte eigentlich anders aussehen. Aber vielleicht sind es sein Verhalten und seine zur Schau getragene Ästhetik, die ihn von der "Elite" unterscheiden und ihn volksnah machen.

Beleidigte Reaktionen

Jedenfalls überlegen nun die Mainstreammedien, wie sie sich gegenüber Trumps Medienstrategie aufstellen sollen. Am schönsten formuliert es Jack Shafer auf Politico.com, der eher verzweifelt anmutend versucht, das Beste herauszuholen und zu behaupten, dass Trump, der Amerika wieder groß machen will, auch den Journalismus wieder groß machen wird: Trump Is Making Journalism Great Again. Dass hier nur der Slogan Trumps aufgegriffen wird, zeugt schon von der Verlegenheit, ihm keine eigenen Ideen entgegensetzen zu können. Was Shafer ausbreitet, sind denn auch nur scheinbar aufmüpfige Strategien, die aber eigentlich dem entsprechen, was man von den Medien erwartet, nämlich Aufklärung über die Machenschaften der Mächtigen. Die große Idee, die eigentlich den Niedergang des Journalismus dokumentiert:

Anstatt exklusiv auf die traditionellen Fertigkeiten der politischen Berichterstattung zu vertrauen, sollte die Träger der Presseausweise daran denken, Trumps Washington als Kriegsgebiet (war zone) zu betrachten, wo Konflikte auf Konflikte folgen, wo der Nebel die direkte Sammlung von Informationen von den Kämpfenden verhindert, wo der Einsatz eine Sache von Leben und Tod ist.

Das ist reichlich pathetisch, eine Feier des Journalismus. Trump habe die Journalisten freigesetzt, sie müssten den Tag der Amtseinführung als Befreiungstag begehen und nun Nachrichten "außerhalb der gewohnten Zirkel Washingtons" suchen. Medien und Journalisten sollten den Presseraum im Weißen Haus vergessen: "Es ist Zeit, hinter die Feindeslinie zu gehen." Das hätten die Medien schon lange machen können, anstatt nur den Zirkus Trump versus Clinton zu beklatschen und für den einen oder anderen Gladiator zu sein.

Jetzt würden die Medien Trumps Geschäfte untersuchen, was sie schon längst hätten machen sollen. Man würde Informationen aus den Behörden holen, die Trump nicht gewogen seien. Ausgerechnet die Geheimdienste werden dann als Retter gefeiert, die für Trump schädliche Informationen leaken sollen. Und so weiter. Eine politische Vision? Fehlanzeige. Beleidigt ist man und will den Zerstörer der Exklusivität der Mainstreammeiden zerstören. Groß wird so der Journalismus nicht, es ist ein kläglicher und einfallsloser Abgesang. Traurig.