Obama erlässt Chelsea Manning Haftstrafe

Hunderte Strafen erlassen. Auch Unabhängigkeitsaktivist López Rivera begnadigt. Wenig Chancen für Edward Snowden und Julian Assange

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US-Präsident Barack Obama hat wenige Tage vor Ende seiner Amtszeit die Whistleblowerin Chelsea Manning begnadigt. Die Militärangehörige war 2013 wegen der Weitergabe tausender vertraulicher Dokumente an die Enthüllungsplattform Wikileaks zu 35 Jahren Haft verurteilt worden. Nach Informationen der US-Presse wird Manning am 17. Mai aus dem Militärgefängnis Fort Leavenworth im US-Bundesstaat Kansas entlassen werden. Dort sollte sie ursprünglich eine Strafe bis zum Jahr 2045 absitzen.

Die Haftentlassung Mannings ist Teil einer großen Begnadigungsentscheidung Obamas, die insgesamt 273 Häftlinge umfasst. Insgesamt habe Obama in seiner Amtszeit 1.385 Strafen erlassen, heißt es dazu auf der Seite des Weißen Hauses – so viel wie kein Präsident vor ihm. Zu den prominenten Profiteuren der jüngsten Entscheidung gehört auch der Unabhängigkeitsaktivist Oscar López Rivera aus Puero Rico.

Die 29-jährige Manning war 2010 noch als Bradley Manning bekannt. In dem Spionageprozess über die Weitergabe von Geheimdokumenten gab Manning die Taten zu. Sie erklärte damals, schon während des Einsatzes im Irak unter einer Geschlechtsidentitätsstörung gelitten zu haben. In Haft beging Manning zwei Suizidversuche.

Die von Manning an Wikileaks weitergeleiteten Dokumente hatten die Kritik an den US-Kriegen in Irak und Afghanistan in den USA und weltweit massiv verschärft. Unter anderem wurde damals bekannt, dass die Anzahl der zivilen Kriegsopfer in beiden Staaten dramatisch höher liegt, als dies vom US-Verteidigungsministerium eingestanden wurde.

Für weltweites Aufsehen sorgte in diesem Zusammenhang auch ein geleaktes Video von einem Apache-Kampfhubschrauber der USA, in dem zu sehen ist, wie die Besatzung bei einem Einsatz über dem Zentrum von Bagdad das Feuer auf Journalisten eröffnet, von denen offensichtlich keine Gefahr ausging.

Alex Emmons vom Online-Journal The Intercept verweist in einem aktuellen Beitrag über die Begnadigung Mannings darauf, dass die Whistleblowerin für die Weitergabe vertraulicher Daten an Medien schon jetzt mehr Zeit in Haft verbracht hat als alle anderen in ähnlicher Sache Verurteilten: nämlich über sieben Jahre. "Nach ihrer Inhaftierung 2010 hat sie insgesamt elf Monate in Einzelhaft verbracht, zudem wurde ihr medizinische Betreuung wegen ihrer Geschlechtsidentitätsstörung verwehrt", schreibt Emmons.

Im vergangenen September erst hatte Manning einen fünf Tage währenden Hungerstreik durchgeführt, um eine chirurgische Behandlung zu erzwingen. Ende September wurde sie wegen eines neuen Suizidversuchs eine Woche in Einzelhaft gesteckt.

Die Enthüllungsplattform WikiLeaks feierte die Begnadigung Mannings. "SIEG", schrieben die Aktivisten in Großbuchstaben in einer ersten Reaktion über den Kurznachrichtendienst Twitter. Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International begrüßte die Entscheidung des scheidenden US-Präsidenten. US-Dokumentarfilmer Michael Moore twitterte an Obama gewandt ein "DANKE".

Der in Russland exilierte Whistleblober Edward Snowden schrieb ebenfalls auf Twitter: "In fünf Monaten wirst du frei sein. Danke für alles, was du für alle getan hast, Chelsea. Bleib noch etwas länger stark."

Eine Begnadigung von Snowden oder ein Ende der Verfolgung von Assange durch die USA ist indes unwahrscheinlich. Am Freitag erst hatte der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, bekräftigt, Snowden habe Material veröffentlicht, das "weitaus ernster und weitaus gefährlicher" war.