Späte Einsicht: US-Luftwaffe greift Ausbildungslager der al-Nusra an

Foto: Propagandamaterial, pro-al-Qaida-Kanal/Telegram. Quelle: Twitter, Thomas Joscelyn

Laut Pentagon wurden hundert al-Qaida-Kämpfer getötet, um Kooperationen mit syrischen Oppositionsgruppen zu verhindern. Update

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Kurz vor Ende der Amtszeit Obamas griff die US-Luftwaffe mehrmals Ziele von Dschihadisten in Syrien an. Am Donnerstag meldete das Pentagon, dass Präzisions-Angriffe von Flugzeugen und Drohnen in einem Ausbildungslager in Idlib "mehr als hundert al-Qaida-Kämpfer" getötet hätten.

Das Statement des Pentagon-Sprechers Jeff Davis enthält zwar die üblichen rhetorischen Vorsichtsmaßnahmen, legt aber doch den wunden Punkt der Syrien-Politik unter der alten Regierung offen. Man habe das Lager zerstört, um die Ausbildung weiterer Rekruten zu verhindern und "um Hardliner-Islamisten und syrische Oppositionsgruppen davon abzuhalten, auf dem Schlachtfeld mit al-Qaida zu kooperieren".

Späte Trennungs-Operationen

Das läuft genau auf die Trennung zwischen terroristischen Milizen und anderen oppositionellen Milizen hinaus, die im vergangenen Herbst von den USA gefordert worden war. Die Trennung markierte den zentralen Punkt der Abmachungen mit Russland.

Der Angriff vom vergangenen Donnerstag macht deutlich, dass die US-Führung die Kenntnisse dazu hatte, aber nicht den politischen Willen. Laut Informationen der New York Times war das Ausbildungslager Scheich Suleiman im syrischen Idlib dem Pentagon "seit einigen Jahren" bekannt.

Die mitgelieferte Behauptung, dass es erst "seit Kurzem eine Basis für Kämpfer" geworden ist, die zum Kern der al-Qaida zählen, erscheint wenig glaubhaft angesichts der vielen Verbindungen, die al-Nusra mit der Terrororganisation hatte, was den US-Geheimdiensten sicher nicht entgangen ist.

Wie glaubwürdig ist, dass die al-Nusra-Front erst vor Kurzem al-Qaida-Mitglieder in ihr Ausbildungslager zugelassen hatte, nachdem sich die Gruppe formell und offiziell mit neuem Namen (Jabat Fatah al-Sham) von der Mutterorganisation distanziert hatte?

(Einfügung: Tatsächlich war es seit 2011 ein al-Qaida-Ausbildungslager - "Base 111, near the village of Sheikh Suleiman", wie einem Bericht des New Yorker zu entnehmen ist.)

Al-Nusra ist empört

Dass das Ausbildungslager von der al-Nusra-Front zur Ausbildung neuer Rekruten betrieben wurde, räumen deren Mitglieder selbst ein. Sie empörten sich über den US-Angriff in einem Statement, aus dem die amerikanische Zeitung das bekannten Propaganda-Mem zitiert: "Amerika entschied sich dazu, das syrische Volk und seine Mudschahedin anzugreifen."

Die US-Airforce würde damit Kämpfer eliminieren, die gegen Assad kämpfen. Zu sehen ist daran, dass dieses Argument durchaus einmal Zugkraft hatte. Auffällig ist, dass Experten, die lange Zeit einen Einfluss auf die öffentliche Darstellung des Konflikts in Syrien hatten, wie der Buchautor Hassan Hassan, sich nach wie vor darauf konzentrieren, diplomatische Vertuschungsmanöver der dschihadistischen Verbindungen der Opposition mit zu vollziehen.

Hassan Hassan wiederholt die offizielle Stellungnahme des Pentagon, wonach das Ausbildungslager von al-Qaida betrieben wurde, was al-Nusra selbst bestreitet. Dass die Glaubwürdigkeit der Berichterstattung über den syrischen Konflikt spätestens in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres stark verlor, lag wesentlich daran, dass die Darstellung in den USA von diesen Experten geprägt wurde und von deutschen Medien häufig übernommen wurde.

Anscheinend ändert sich etwas in der deutschen Berichterstattung über die extremistischen Gruppen in Syrien. So wird die Miliz Ahrar al-Sham im aktuellen Spiegel tatsächlich als das bezeichnet, was sie ist: "eine Terrororganisation", die auch von deutschen Gerichten als solche eingestuft werde.

Im Sommer zählten sie noch zu den Rebellen und waren "die letzte Hoffnung Aleppos". Jetzt, wo es um deutsche Waffenhilfe für die Türkei geht, wird Ahrar al-Sham als Verbündete der Türkei zum heiklen Problem.

Update: Nour al-Din al-Zenki und die aktiven White-Helmets

Das französische Magazin L'Express berichtet, dass das Ausbildungscamp bei Scheich Suleiman von der al-Nusra-Front und Nour al-Din al-Zenki gemeinsam betrieben wurde. Beide beklagen Opfer der Angriffe. Gestützt ist der Bericht auf Kommunikation von Dschihadisten im Instant-Messaging-Dienst Telegram. Dazu präsentiert er auch eine offizielle Erklärung der al-Nusra-Front, aka Jabat Fata al-Sham, zum Angriff.

Nour al-Din al-Zenki wurde früher von den USA unterstützt. Seit längerem gibt es aber keine ernstzunehmenden Zweifel mehr daran, dass diese Gruppe aus Dschihadisten besteht. Hintergründe zu katarischen Terrorfinanziers machen deutlich, das die Ausrichtung der Gruppe, ihre Nähe zu al-Qaida, schon sehr früh deutlich wurde.

Der Bericht veröffentlicht Fotomaterial aus der Dschihadisten-Telegram-Kommunikation, auf denen deutlich die White Helmets zu erkennen sind. Die ominöse Gruppe mit engen Verbindungen zu den syrischen Oppositionsmilizen steht im Verdacht, dass sie auch zur al-Nusra-Front gute Beziehungen pflegt.

Als Indiz dafür wurden u.a. Fotos gewertet, die sie bei Einsätzen zeigen, wo Mitglieder der al-Nusra präsent sind. Wo al-Nusra ist, sind auch die White Helmets, lautet die Behauptung. So ist es auch dieses Mal. Zufall? Das französische Magazin L'Express ist kein "russisches Propagandamagazin", die White Helmets genießen in Frankreichs großen Medien hohes Ansehen.