Schulz, der lachende Merkel-Jäger

Martin Schulz auf dem SPD-Bundesparteitag in Berlin im Dezember 2015. Bild: Olaf Kosinsky/CC BY-SA-3.0

Im ARD-DeutschlandTrend liegt der SPD-Kandidat bei der Kanzlerfrage gleichauf mit Merkel

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Fotos mit Politikern, die herzhaft lachen, sind selten. Lächeln gehört zum Standard und die triumphale Freude, die Trump auf vielen Fotos zeigt, ist auch etwas anderes. Martin Schulz lacht auf den Fotos, die gestern in vielen Medien kursierten. Sein Gesicht strahlt; in ihm ist, und das ist das Ungewöhnliche, Vergnügen abzulesen.

Nur ein flüchtiger Oberflächeneindruck? Ein Manipulationsversuch von Bildredakteuren? Fotos von AfD-Politikern, die vergnüglich und herzhaft lachen, muss man jedenfalls suchen; auch bei der CDU, bei den Grünen, bei den Linken - und bis gestern bei der SPD.

Die schnell durchgeführte ARD-DeutschlandTrend-Umfrage zur Überraschungsnachricht vom Dienstagnachmittag bestätigt ein geglücktes Kanzlerkandidaten-Casting der Sozialdemokraten. Fast zwei Drittel (64 Prozent) der am Telefon befragten 1011 repräsentativ Zufallsausgewählten, beantworteten die Frage "Ist Martin Schulz ein guter Kanzlerkandidat für die SPD?" mit ja. Unter SPD-Anhängern waren es 81 Prozent.

Die Schwäche von Merkel: Glaubwürdigkeit

Noch besser kommt es für Schulz bei den Umfrage-Antworten zur Frage, wie er gegen Merkel abschneiden würde, wenn die Befragten den Bundeskanzler jetzt direkt wählen könnten. Hier liegt er gleichauf mit Angela Merkel. Beide erhielten 41 Prozent.

Merkel ist leicht im Minus (2 Punkte) gegenüber Dezember und Schulz legt um 5 Punkte zu. Der Anteil der Befragten, die angaben, dass keiner der beiden Politiker als Regierungschef infrage kommt, liegt bei elf Prozent.

Merkel profitiert deutlich vom Kanzlerbonus. Sie hat einen Vorsprung bei der Einschätzung von "Führungsstärke" und "Kompetenz" . 79 Prozent halten sie für führungsstark, 78 Prozent für kompetent. Schulz erreichte demgegenüber 60 Prozent bei der Führungsstärke und 68 Prozent bei der Frage nach der Kompetenz.

Bekanntlich hat die Kanzlerin, was ihr selbst in Unionskreisen schon vorgehalten wurde, auch mit einem Malus zu kämpfen. Bei der Glaubwürdigkeit ist Schulz der knappe Sieger: Dass Merkel glaubwürdig ist, finden 64 Prozent der Befragten. 65 Prozent halten Schulz für glaubwürdig.

Neue Aussichten für die SPD?

Hier öffnet sich ein Möglichkeitsraum. Ob, wie es Boulevardmedien formulieren, Schulz "Kanzler kann", ist zunächst zweitrangig. Auch bei Merkel war man sich am Anfang unsicher angesichts des trampelnd selbstbewusst auftretenden Vorgängers Schröder. Schulz wurde auch zum Kanzlerkandidaten gekürt, weil seine Umfrageergebnisse besser waren, erklärte Gabriel.

Schulz wird anders als Gabriel, Steinmeier, Steinbrück und zuvor Schröder nicht mit dem Ur-Vorwurf gegen die SPD verbunden - den des "Verrats" der Partei an ihre sozialdemokratischen Wurzeln. Zwar zeigte sich Schulz gegenüber der linken Syriza-Partei während der Griechenland-Krise nur zu Anfang solidarisch, er bemühte sich um Verständigung, in der Sache aber blieb er hart. Da er sich aber nie als Linker präsentiert hat, sondern dem Mainstream zugerechnet wird, hat ihm das kein großes Glaubwürdigkeitsproblem eingetragen.

Angriffsfläche bietet er für die AfD, die sich an seiner EU-Politik abarbeiten wird, wahrscheinlich nach dem Muster von Le Pen (Schulz als Vertreter des Systems, das Interessen der Konzerne über die des Volkes stellt, usf). Aber die AfD ist nicht die große Konkurrenz der SPD. Der sollte es darum gehen, sich möglichst gegenüber der Union zu profilieren.

Da Schulz nicht wie Gabriel oder zuvor Steinbrück in der großen Koalition am Kabinettstisch saß und auch jetzt, anders als vor Wochen spekuliert wurde, keinen Regierungsposten übernimmt, muss er sich nicht in dem Maße für Kompromisse in der Regierungspolitik rechtfertigen, wie dies vom Kandidaten Gabriel verlangt worden wäre.

Bis jetzt sind auch keine engeren Beziehungen zur Finanzwelt bekannt, wie dies bei Steinbrück der Fall war. Es ist nicht so, dass Schulz als echter Neuanfang verkauft werden kann. Er ist aber mit weniger Altlasten befrachtet. Vor Wochen noch sahen beide möglichen SPD-Kandidaten Gabriel oder Schulz gegen Merkel aus wie sichere Verlierer.

"Gespür für die Sorgen der Bürger"

Schaut man sich die Umfrageergebnisse der Parteien an - die SPD scheint bei Werten um die 20 Prozent festgezurrt - so ist der Möglichkeitsraum, den Schulz und die SPD haben, nicht wirklich groß. Doch standen die Zeiten noch selten so günstig dafür, dass Stimmungen eine Veränderung in der politischen Landschaft herbeiführen können.

Wenn Schulz mit Vorhaben überzeugen kann, welche die Ungleichheit nicht nur mit bloßer und billiger Polemik kommentieren, sondern fassbare Konter- und Gestaltungsvorschläge bieten, wenn er Mut zeigt, für Arbeitnehmer einzutreten, und wenn Gabriel als Außenminister nicht als Kalter Krieger gegen Russland auftritt und ihm dazwischen funkt, gäbe es möglicherweise eine Wählerschaft, die die SPD zurückgewinnen kann.

Die DeutschlandTrendumfrage deutet diese Möglichkeit an: "69 Prozent der Bürger glauben, dass der SPD mit Schulz ein Neuanfang gelingen wird. Von den SPD-Anhängern sind sogar 85 Prozent dieser Meinung. 51 Prozent aller Befragten sind der Auffassung, dass Schulz ein gutes Gespür für die Sorgen der Bürger hat."