Keinen Datenschutz für Stasi-Mitarbeiter?

Eingangstor. Bild: Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen/Gvoon

Der Leiter der Stasi-Gedenkstätte in Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, hat persönlich dafür gesorgt, dass Journalisten über einen Link Einsicht in die Akte von Andrej Holm erhielten

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Fünf Wochen war Andrej Holm Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Mieten und Stadtentwicklung in Berlin. Schon nach seiner Ernennung begannen verschiedene Kreise, an seinen Stuhl zu sägen. Dass nun ein Mann in die Politik gegangen war, der die Investoren zumindest zwingen könnte, sich an die Gesetze zu halten, beunruhigte manche. Da war es klar, dass die Vita von Holm mit Akribie durchleuchtet wurde.

Holms angebliche Nähe zu der außerparlamentarischen Linken und zu Hausbesetzern wurde sofort in den Fokus gerückt. Schließlich war der parteilose Holm seit Jahren in vielen mieten- und stadtpolitischen Initiativen aktiv. Doch dann rückte die MfS-Vergangenheit von Holm in den Vordergrund, die er schon vor 10 Jahren mit Stasi-Opfern öffentlich gemacht hatte. Schnell stellten sich Widersprüche zwischen Holms Darstellung und der MfS-Akte heraus, die plötzlich in der Öffentlichkeit zirkulierte.

Nun wurde bekannt, dass der Leiter der Stasi-Gedenkstätte in Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, persönlich dafür gesorgt hat, dass Holms Akte ausgewählten Journalisten bekannt gemacht wurde. Nach Mitteilung des Tagesspiegels könnte In der Weitergabe ein Verstoß gegen das Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG) vorliegen. Dies sieht eine Herausgabe von Unterlagen an Medien nur in engen Grenzen vor. Grund dafür ist der strenge Datenschutz angesichts der sensiblen persönlichkeitsbezogenen Informationen.

Der für die Aufsicht über die Gedenkstätten-Stiftung zuständige Kultursenator Klaus Lederer (Linke) sieht eine eigenmächtige Aktenweiterleitung kritisch: "Mitarbeiter der Stiftung sind gemäß Gesetz grundsätzlich nicht befugt, Unterlagen von Einzelpersonen ohne besondere Genehmigung an Dritte weiterzureichen", sagte ein Sprecher Lederers.

Kein Recht auf Vergessen für MfS-Mitarbeiter?

In einer Stellungnahme bestätigte die Gedenkstätte die Datenweitergabe, sieht dabei aber Hubertus Knabe vollkommen im Recht. Er habe die Daten zu Holms Akte nicht als Leiter der Stasi-Gedenkstätte, sondern als Privatmann, dazu noch im Urlaub, weitergegeben.

Hubertus Knabe auch im Urlaub als Stasijäger immer im Dienst, könnte man dazu sagen. Ob diese Trennung in Privatmann und Urlauber einer Überprüfung standhält, muss sich zeigen. Die Frage ist, ob Knabe hier nicht berufliche und private Interessen vermischt hat. Zudem liefert die Gedenkstätte eine bedenkliche rechtliche Bewertung, wenn schon in der Unterüberschrift der Pressemitteilung steht: "Unterlagen über "Ex-Stasi-Mitarbeiter können frei veröffentlicht werden." In einem eigenen Passus wird diese Auffassung in der Pressemitteilung noch einmal präzisiert:

Die Veröffentlichung von Unterlagen über ehemalige Stasi-Mitarbeiter wurde vom Gesetzgeber ausdrücklich gewünscht. Er verpflichtete deshalb den Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen , derartige Unterlagen zum Zweck der politischen und historischen Aufarbeitung auf Antrag an jedermann herauszugeben. Der Versuch, die öffentliche Diskussion über die Stasi-Tätigkeit von Herrn Holm als nicht rechtskonform erscheinen zu lassen, ist von Unkenntnis der Gesetzeslage geprägt. Nur die personenbezogenen Informationen über Stasi-Opfer und Dritte sind aus Datenschutzgründen geschützt.

Stellungnahme der Gedenkstätte

Das Fazit dieses Abschnittes lautet, für ehemalige Mitarbeiter des MfS gibt es keinen Datenschutz. Dabei spielt auch keine Rolle, wie lange die Person beim MfS war, wie alt sie war und ob sie Menschen konkret geschadet hat. Sollte diese Auffassung der bisherigen Praxis entsprechen, wäre jedem Betroffenen zu raten, dagegen mit allen juristischen Mitteln vorzugehen. Denn selbstverständlich gelten Datenschutzregeln für alle und können nicht für eine bestimmte Gruppe außer Kraft gesetzt werden.

Es ist bekannt, dass wegen rechten Straftaten Verurteilte schon erfolgreich dagegen geklagt haben, dass ihr Name mit mehr als ein Jahrzehnt zurückliegenden Delikten in Verbindung gebracht wird. Sie klagen ein, dass ihre Namen im Internet nicht mehr genannt werden dürfen. Es gibt ein Recht auf Vergessen auch dann, wenn sie vor einigen Jahren als Straftäter berechtigt Thema der Zeitgeschichte waren. Andrej Holm wurde nie einer Straftat überführt oder auch nur beschuldigt. Warum sollte für ihn kein Recht auf Vergessen gelten?

Sollte sich die Version der Gedenkstätte Hohenschönhausen durchsetzen, wäre das die Aberkennung von Grundrechten für eine ganze Personengruppe, unabhängig von ihren konkreten Handlungen und Taten. Das sollte auch für die Holmbleibt-Bewegung stärker in den Fokus rücken, die seit der Entlassung des Stadtsoziologen durch die Humboldtuniversität das sozialwissenschaftliche Institut besetzt halten und am 28.Januar gemeinsam mit Mieterinitiativen demonstrieren wollen.