Griechenland: Todesfälle in Flüchtlingslagern

Flüchtlingslager in Ritsona. Bild: W. Aswestopoulos

Die Versorgung ist unzureichend, es mehren sich Selbstmordversuche

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Innerhalb einer Woche kam es in griechischen Flüchtlingslagern zu vier Todesfällen. Obwohl nicht alle Todesursachen zweifelsfrei geklärt sind, zeigt sich immer mehr, dass die Versorgung in den Lagern unzureichend ist. Seitens des Flüchtlingshochkommissariats der UNO, dem UNHCR, wurde öffentlich angeprangert, dass die griechische Regierung ebenso wie die EU-Kommission für die desolaten Zustände in den Lagern verantwortlich ist.

Das UNHCR prangerte zudem an, dass für den Hotspot in Moria auf der Insel Lesbos fertige, mit EU-Geldern mitfinanzierte, wetterfeste Unterbringungsmöglichkeiten seit mehr als einem Monat zur Verfügung stehen würden. Allerdings gäbe es für die Inbetriebnahme noch kein grünes Licht vom für die Asylverfahren zuständigen Amt. Auch deshalb seien während des Schneetreibens im Januar beheizbare Großzelte aufgestellt worden, was nur eine vorläufige, unzureichende Lösung sei.

Tatsächlich wurden zwei der Todesfälle in Moria registriert. Am Dienstag starb ein junger Flüchtling aus noch nicht geklärter Ursache im Lager. Am Mittwoch traf es einen zweiundvierzigjährigen Familienvater. Der Kurde klagte über starke Brustschmerzen und hatte trotz bestehender Vorerkrankungen wie Diabetes und Bluthochdruck seit über einem Monat keine Medikamente erhalten. Er suchte die Arztpraxis für das Flüchtlingslager auf und wurde von dort sofort ins Krankenhaus gebracht, wo er noch bei seiner Ankunft starb. Die amtlichen Verlautbarungen zum Fall berichten, dass der Mann seine Erkrankungen nicht korrekt gemeldet hätte, wogegen die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen bereits schon vor dem Winter anmahnte, dass die Erfassung kranker oder behinderter Flüchtlinge nicht richtig organisiert sei.

Den dritten Toten gab es auf der Insel Samos. Hier starb ein Mann ebenfalls an Herzversagen. Im Zusammenhang mit den Todesfällen wurde zusätzlich bekannt, dass es zahlreiche Selbstmordversuche gibt. Allein auf Samos wurden in den vergangenen zwei Wochen sieben registriert. Allein vier davon am vergangenen Mittwoch.

Beim vierten Todesfall liegt für die griechische Polizei die Schuld bei den Eltern. Deren zweimonatiger Säugling litt an Mukoviszidose. Die Syrer waren im Lager von Ritsona bei Chalkida, wo der Lagerarzt am Donnerstag die sofortige Einweisung ins Krankenhaus verordnete. Dort diagnostizierten die Ärzte die Mukoviszidose und empfahlen dringend die Verlegung in ein Athener Krankenhaus. Stattdessen entschied sich die Mutter, das Kind zurück ins Lager zu bringen, wo es am Samstag verstarb. Die Polizei nahm die Eltern unter dem Vorwurf der Vernachlässigung der elterlichen Pflichten fest.

48 Tage Hungerstreik

Ein weiterer, sich ankündigender möglicher Todesfall auf Lesbos hängt nicht mit den Bedingungen im Lager zusammen. Vielmehr handelt es sich beim Fall des neununddreißigjährigen Mohammad aus Ägypten um eine Folge der aktuellen Asylbestimmungen der EU. Der Mann befindet sich seit 48 Tagen im Hungerstreik. Er wehrt sich gegen seine Abschiebung in die Türkei, die gemäß des EU-Türkei-Flüchtlingsdeals als sicheres Drittland gilt und somit für einen Asylantrag zuständig wäre.

Der Mann behauptet, er würde vom derzeitigen ägyptischen Regime aus politischen Gründen verfolgt. Er selbst sagt: "Ich möchte nicht für immer in Griechenland bleiben. Ich möchte irgendwann in meine Heimat zurückkehren. Ich habe keinen Grund, für immer hier zu bleiben. In Ägypten habe ich Arbeit, Geld und ich brauche hier nichts dergleichen. Das, was ich möchte, ist dass man mir hier Asyl gibt, damit ich so lange bleiben kann, bis die Situation in Ägypten sich soweit beruhigt, dass ich mit Sicherheit zurück kann."

Er hat die ägyptischen Militärs gegen sich aufgebracht, als er während des Arabischen Frühlings Übergriffe von Soldaten, sowie Schüsse auf Demonstranten per Videokamera festhielt und dann im Internet veröffentlichte. Mohammad flüchtete, als sich abzeichnete, dass die Militärs ihn einsperren, foltern und vielleicht sogar töten wollten. Er fürchtet, dass die Türkei ihn zügig nach Ägypten abschieben würde.