Frankreich fehlen viele Milliarden für den Atomkraft-Rückbau

AKW Cattenom. Cattenom_022.jpg:Bild: Les Melours/CC BY-SA-1.0

"Wir haben Atomreaktoren gebaut, ohne uns die Frage nach ihrem Ende zu stellen", wurde nun festgestellt

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Es war längst klar, doch der Bericht der Berichterstatterin Barbara Romagnan zur technischen und finanziellen Durchführbarkeit des Rückbaus von Atomkraftwerken macht es noch einmal deutlich: "Nichts ist so gekommen, wie es vorgesehen war", erklärte die sozialistische Abgeordnete vor der Nationalversammlung vergangene Woche. Und es ist erstaunlich, dass dies in Deutschland praktisch unbeachtet blieb. Allein der Deutschlandfunk bildete dabei eine positive Ausnahme.

Es gab wenig Erfreuliches für die Nachbarn und den großen Energiekonzern EDF zu berichten, der ohnehin sehr hoch verschuldet ist und mit der mit dem Pleite-Kraftwerksbauer Areva und dessen Fiasko-Projekten ohnehin noch massive Risiken aufgeladen bekommen hat.

Doch die EDF, die nach eigenen Angaben mit den Rückstellungen von gut 22 Milliarden nur ein Drittel der Summe zurückgelegt hat, die der Konzern selbst für den Rückbau und die Endlagerung prognostiziert, hat sich zudem noch mit dem Neubau im britischen Hinkley Point in ein ökonomisches Wahnsinnsprojekt gestürzt, wie auch im Konzern kritisiert wird. Ohnehin wurde der Konzern (zu 85% in Staatshand) erst 2006 per Gesetz überhaupt verpflichtet, Rückstellungen für den Rückbau anzulegen.

Dass die Rechnung der EDF nicht aufgehen wird, zeigt allein das Cigeo-Projekt in Lothringen. Wurden einst als Endlagerkosten 18 Milliarden Euro veranschlagt, sind die Kosten allein für Cigeo beim Dorf Bure schon mit 41 Milliarden Euro explodiert, um den Atommüll in einem Tunnelsystem in einer Lehm-Ton-Schicht in einer Tiefe von 500 Metern zu lagern. Nach einer neuen Entscheidung des Parlaments sollen dort nun etwa 80.000 Kubikmeter zunächst für 100 Jahre angeblich "rückholbar" gelagert werden.

Blieben also gerade noch gut 20 Milliarden Euro für den Rückbau von insgesamt 58 Atomreaktoren. Dass der damit in der Zukunft bezahlt werden kann, ist schlicht illusorisch. Man schaue sich nur den Rückbau im deutschen Greifswald an. Als 1995 das Kraftwerk stillgelegt wurde, wurden die Rückbaukosten auf drei bis fünf Milliarden geschätzt. Eigentlich sollte der 2012 abgeschlossen sein, doch schon vor einem Jahr waren 4,2 Milliarden Euro an Steuergeldern in das teure Projekt geflossen. Es wird noch deutlich teurer werden, räumte auch Umweltministerin Barbara Hendricks schon ein.

So ist es kein Wunder, wenn die Französin Romagnan zu einem deutlich anderen Ergebnis als die EDF kommt und ihre Analyse auch auf viele andere Länder bezieht, die auf die angeblich so billige Atomkraft gesetzt haben: "Es gibt ganz objektiv gesehen Kosten, die nicht berücksichtigt werden, die aber dennoch existieren." Mangels Erfahrungen können die Rückbaukosten ohnehin nur geschätzt werden, doch es falle auf, dass die EDF die Kosten dafür nur auf etwa die Hälfte beziffert, wie sie zum Beispiel in Deutschland geschätzt würden. Festgestellt wird auch, dass sogar "die technische Machbarkeit nicht vollständig gesichert ist". Dies hat die EDF selbst schon eingeräumt, als vor einem halben Jahr mitgeteilt wurde, man werde die Arbeiten an den schon im Rückbau befindlichen Meilern erst im Jahr 2100 abschließen.

Immer wieder Pannen

Doch das sind nicht die einzigen Probleme. Bekannt ist ja, dass Areva bei zahlreichen Sicherheitszertifikaten geschummelt hat, was inzwischen zum weltweiten Problem geworden ist und enorme Schadensersatzansprüche nach sich ziehen kann. Zudem kostet auch die beabsichtigte Schließung des ältesten Kraftwerks an der deutschen Grenze den Konzern eine halbe Milliarde Euro.

Aber auch im Betrieb gibt es massive Probleme, wie im ebenfalls grenznahen Cattenom, dessen Abschaltung die rheinland-pfälzische Landesregierung seit Jahren von Frankreich fordert. Nun gab es in der vergangenen Woche einen riesigen Brand in dem Atomkraftwerk. Angeblich habe der Brand in einem Bürocontainerkomplex im nichtnuklearen Teil des Atomkraftwerkes begonnen, schließlich seien 1000 Quadratmeter des Betriebsgeländes betroffen gewesen.

Schon diese Meldungen sorgten für massive neue Kritik. Der Brand mache "die mangelnde Sicherheitskultur und offensichtlich einen unzureichenden Brandschutz in Cattenom deutlich", sagte die die rheinland-pfälzische Umweltministerin Ulrike Höfken und forderte erneut die Abschaltung des Pannenmeilers: "Es kann nicht sein, dass auf dem Gelände eines Atomkraftwerkes die Brandvorsorge nicht greift."

Nun wird von einem schon älteren Zwischenfall in einem der dortigen Verwaltungsgebäude berichtet. Bei einer Inspektion der französischen Atomaufsicht ASN hätten die Kontrolleure im vergangenen November in zwei Räumen unbekannte Flüssigkeiten auf dem Boden festgestellt. In einem Raum hätten Schilder gestanden: "Stark kontaminiert", stand darauf, Das geht aus einem Inspektionsbericht der ASN hervor.

Die Kontrolleure hätten an mehreren Stellen Spuren von ausgetretenen Chemikalien, darunter Bor und Soda, entdeckt und von der Kraftwerksleitung eine Aufklärung gefordert. Der Greenpeace-Spezialist Roger Spautz war bei der Inspektion dabei am 29. November dabei und wurde "selbst Zeuge der desolaten Zustände" in dem Atomkraftwerk. Nur notdürftig seien per Abtrennband die "kontaminierten Bereiche" abgetrennt worden. Doch keiner "der begleitenden EDF Mitarbeiter" hätte die Vorfälle erklären können.