Türkei: Mit Gewalt gegen die Nein-Sager

Ministerpräsident Yildirim droht, Reformgegner "auszulöschen"

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Der Wahlkampf um das Verfassungsreferendum in der Türkei hat begonnen. Die AKP und die ihr nahestehenden Medien trommeln kräftig für ein "Ja", während aktuelle Umfragen weiter darauf hindeuten, dass eine deutliche Mehrheit der türkischen Bevölkerung gegen die Einführung des Präsidialsystems ist.

Laut einer Erhebung des Gezici-Instituts würden momentan fast 60 Prozent mit "Nein" stimmen, sogar 35 Prozent der AKP-Wähler sollen die Reform ablehnen, berichtet BirGün. Die überwältigende Mehrheit der Anhänger der Oppositionsparteien CHP und HDP will demnach ebenso mit "Nein" stimmen wie rund 70 Prozent der Anhänger der rechtsnationalistischen MHP, deren Parteispitze die Reform im Parlament mitgetragen hat.

Ende Januar wollen sich die Abweichler innerhalb der Partei in Ankara treffen, um ihre eigene Nein-Kampagne zu starten. Die Reform würde ein Ein-Mann-Regime ohne Gewaltenteilung etablieren, warnte der MHP-Abgeordnete Yusuf Halaçoğlu gegenüber der Hürriyet. Auch CHP und HDP kämpfen für das "Nein", ebenso wie zahlreiche zivilgesellschaftliche Gruppierungen.

Ministerpräsident Binali Yildirim richtete Ende vergangener Woche eine deutliche Warnung an die Reformgegner. Die Hürriyet zitiert ihn mit den Worten, die Opposition müsse "umdenken. Wer sich dem Wandel widersetzt, wird ausgelöscht." Erst vor einigen Tagen hatte er zudem angekündigt, der Ausnahmezustand werde solange andauern, bis die Gülen-Bewegung vernichtet sei.

Auf den Straßen geht die Polizei bereits gewaltsam gegen jene vor, die von ihrem demokratischen Recht Gebrauch machen wollen, für das "Nein" zu werben. Im säkularen Istanbuler Stadtteil Kadiköy griffen am Samstag Polizisten mit Schlagstöcken und Tränengas gegen Demonstranten und Aktivisten vor, zahlreiche Personen wurden verhaftet. Anhänger der AKP drohen den Reformgegnern offen mit Gewalt, wie BirGün dokumentiert. Demnach seien Sätze gefallen wie "Wir werden auf der Straße auf euch warten" und "Wir werden in eurem Blut baden".

Erst vor wenigen Tagen wurde eine Demonstration von Gewerkschaftern in Malatya gegen die Suspendierung von mehr als hunderttausend Menschen seit Beginn der Säuberungen von der Polizei gewaltsam aufgelöst.

Das Referendum soll Mitte April stattfinden. In ihrer Kampagne will sich die AKP auf die Themen Sicherheit, Wirtschaft und Arbeit konzentrieren. Die Tatsache, dass sie in all diesen Bereichen zuletzt eine sehr schlechte Figur machte, dürfte einmal mehr ignoriert werden - ebenso wie die Details der Reform, die den Umbau des Landes zur Diktatur zementieren.