Syrien: Regierung lehnt kurdisches Autonomiegebiet ab

Pressefoto, YPG-Rojava

Von Moskau werden die Kurden unterstützt, die Haltung der neuen US-Regierung ist noch nicht eindeutig. Ob die Offensive auf Rakka den Ausschlag gibt?

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Aus den USA kamen unter Obama Signale für ein föderales System als Lösung im Syrienkonflikt. Auch Russland scheint nicht abgeneigt und versucht dies dem syrischen Präsidenten Baschar al Assad nahezubringen. Dieser lehnt die föderale Option aber bislang ab.

Erdogan sieht seinen Einfluss schwinden, nachdem sich die türkischen Soldaten und die verbliebenen angegliederten islamistischen Milizen bei Al-Bab eine blutige Nase holten. Die "demokratische Föderation in Nordsyrien" hingegen ist vorsichtig optimistisch, nachdem ihr anscheinend von den USA schwere Waffen für den Kampf um Rakka zugesichert wurden.

Rojava-Delegation in den USA

Die Co-Vorsitzende des Syrischen Demokratischen Rates (SDC), Ilham Ehmed, besuchte mit einer Delegation von Repräsentanten der Assyrer, Christen und Eziden Mitte Januar Washington. Sie trafen mit Vertretern des Weißen Hauses, des US-Kongresses und des State-Departments zusammen und stellten das multiethnische und - religiöse Modell der "Syrischen Demokratische Föderation Nordsyrien" vor.

Sie hatten auch ein Treffen mit Brett McGurk, dem US-Sonderberater der Obama-Regierung, der die Föderation (auch bekannt unter dem Namen "Rojava") mehrmals besucht hatte. In den verschiedenen Treffen ging es auch um die Beziehungen zur neuen US-Regierung und dem Kampf gegen den IS. Die negativen Auswirkungen der türkischen Intervention in Syrien waren ebenso Bestandteil der Gespräche wie die Beteiligung des SDC an künftigen Friedensgesprächen in Astana. Ehmed berichtete, die Gespräche seien positiv verlaufen, die US-Repräsentanten sähen in der syrischen demokratischen Föderation in Nordsyrien eine mögliche Lösungsoption für die Krise in der Region.

Rojava-Delegation in Russland

Eine weitere Delegation des Syrischen Demokratischen Rates war auf Einladung des russischen Außenministers Lawrow zu Gesprächen mit Regierungsvertretern nach Moskau gereist. Lawrow stellte der Delegation das russische Modell für eine syrische Verfassung vor. Darin ist eine "kulturelle Autonomie" für die Kurden vorgesehen.

"Die kurdischen kulturellen Selbstverwaltungssysteme und ihre Organisationen verwenden die arabische und kurdische Sprache gleichermaßen", heißt es in dem Entwurf. Xalid Isa, ein in Frankreich lebender Vertreter der PYD, widersprach allerdings dem von Moskau vorgelegten Modell. Die kurdischen Vertreter kritisierten, dieser Vorschlag sei keine Lösung.

Sie bezeichneten ihn als nicht ausreichend. Der multikulturelle, multireligiöse und basisdemokratische Ansatz der Demokratischen Föderation Nordsyriens sei ein besserer Ausgangspunkt für Verhandlungen mit der syrischen Regierung über eine neue Verfassung.

Assad lehnt Modell der kurdischen Autonomie ab

Die syrische Regierung lehnte den russischen Vorschlag ebenfalls ab. Der von Russland vorgeschlagene Verfassungsentwurf schlägt ein dezentralisiertes Syrien vor, welches die Gleichstellung der kurdischen und arabischen Sprachen vorsieht. Die syrische Regierung lehnte jedoch jede Form der lokalen Autonomie und Anerkennung der kurdischen Sprache auf gleicher Ebene ab.

Bereits während der Friedensgespräche in Astana Ende Januar 2017 wies der syrische Regierungsgesandte Baschar Jaafari den Föderalismus explizit zurück und bezeichnete ihn als "verrückte Idee", die allerdings zur demokratischen Abstimmung gestellt werden solle. Die Ablehnung des föderativen Syriens durch die syrische Regierung ist deutlich.

Die Zentralregierung will an ihrer Macht nicht rütteln lassen, auch wenn Russland immer noch versucht, eine Vereinbarung zwischen Assad und der PYD zu finden. Der russische Verfassungsentwurf sieht weiter vor, dass der syrische Präsident nur für eine Amtszeit von sieben Jahren gewählt wird, ohne Recht auf Wiederwahl. Auch das lehnt die syrische Regierung aus naheliegenden Gründen ab.

Instrumentalisierung der Kurden in Nordsyrien?

Verschiedene Medien berichteten, dass die SDF (Syrian Democratic Forces) mittlerweile schwere Waffen und gepanzerte Fahrzeuge für den Kampf gegen den IS von den USA erhalten hätten. Diese seien noch von der Obama-Administration angeordnet worden. Der n-tv-Bericht beruft sich dazu auf eine Äußerung des SDF-Sprechers Talal Silo. Die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) dementierten dies allerdings am 1.2.2017 auf ihrer Website. Die Berichte dazu seien ungenau, berichtet der Sprecher Rêdûr Xelîl.

Dies könnte darauf hindeuten, dass die Repräsentanten der Demokratischen Konföderation Nordsyrien versuchen, sich nicht von Trump oder Putin instrumentalisieren zu lassen und dass es unterschiedliche Einschätzungen über den Umgang mit den Supermächten innerhalb der SDC gibt.

Vorsichtig interpretiert, könnte man Trumps Äußerungen, die Obama-Regierung hätte in Syrien zwar ohne Plan agiert und den IS erst möglich gemacht, er aber wolle den IS zerschlagen und diejenigen Kräfte unterstützen, die den IS real bekämpfen, als Zusage für eine Unterstützung der SDF deuten. Andererseits brachte Trump das Thema "Sicherheitszonen" wieder neu ins Spiel, was der Spiegel gleich in die von der Türkei seit Jahren favorisierten "Flugverbotszonen" übersetzte.

Nach einer Karte, die über Twitter kursiert, sollen die USA die von den SDF-kontrollierten Gebiete als Sicherheitszone kontrollieren. Die bislang von der Türkei und ihren islamistischen Verbündeten eroberten Gebiete von Jarablus bis zur westlichen Grenze von Nordsyrien sollen demnach unter türkischem "Protektorat" stehen, was bedeutet, dass sich auch der Kanton Afrin unter türkischer Herrschaft befände. Russland hätte eine Sicherheitszone von Aleppo bis Damaskus).

Bis jetzt agieren die Repräsentanten der nordsyrischen Föderation geschickt, indem sie nicht nur mit der Anti-IS-Koalition kooperieren, sondern auch versuchen, die Beziehungen zu Russland zu stärken. In wieweit Russland allerdings das politische Projekt einer "demokratischen Autonomie in Nordsyrien" unterstützt, bleibt abzuwarten. Letztendlich verfolgt auch Russland seine eigenen geostrategischen Ziele in Syrien - und ist angesichts des neuen US-Präsidenten auf der Suche nach Orientierung.