"Besorgniserregende Sicherheitslage" in französischen Atomkraftwerken

AKW Cattenom bei Nacht. Cattenom_022.jpg:Bild: Les Meloures/CC BY-SA-1.0

Immer wieder gibt es massive Probleme in französischen Atomkraftwerken, wie die Explosion in Flamanville gerade wieder gezeigt hat

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Es ist eigentlich mehr als bezeichnend, wenn sogar der Chef der französischen Atomaufsicht (ASN) kürzlich im Rückblick auf das vergangene Jahr von einer "besorgniserregenden Sicherheitslage" in französischen Atomkraftwerken gesprochen hat. Noch aussagekräftiger ist, dass M. Pierre-Franck Chevet resümierte, die Lage sei "noch besorgniserregender als zu Beginn des Jahrs 2016".

Dass es in Flamanville gebrannt hat und es eine Explosion gab, es gerade im grenznahen Cattenom zweimal gebrannt hat, zeigt die dramatischen Zustände in französischen Meilern an.

Der Atompark ist alt, gibt auch Chevet zu, der auch herausstreicht, dass es massive Probleme bei "allen Neubauten" gibt. Beim Bau des neuen EPR in Frankreich flog am zentralen Sicherheitselement, dem Reaktordruckbehälter, der Skandal um Sicherheitszertifikate auf. Aber auch laufende Meiler haben fatale Probleme, die eigentlich niemand für möglich halten würde.

So geriet zum Beispiel am Oberrhein in Fessenheim 2014 ein Meiler außer Kontrolle, weil die Schaltschränke nicht wasserdicht in einer hochgefährlichen Anlage waren, in dem Wasser zur Kühlung verwendet wird. Allerdings wurde auch das erst zwei Jahre später bekannt. In keinem Bad würde - auch nicht in Frankreich - ein Elektriker zulassen, dass Wasser in Schalteinrichtungen eindringen kann. In französischen AKW ist das allerdings nicht so, wie sich nach dem Vorfall gezeigt hat. Darum werden nun etliche Meiler teuer nachgerüstet.

Doch darüber hinaus laufen in Frankreich derzeit aber auch noch andere gefährliche Meiler. Die ASN hat zugelassen, dass mindestens neun von zwölf Atommeilern wieder ans Netz gehen konnten, in denen Bauteile verbaut sind, die den Sicherheitsanforderungen nicht entsprechen. Und Chevet räumte in seinem Bericht auch ein, dass in einigen Fällen Sicherheitszertifikate für bedeutsame Bauteile gefälscht worden sein dürften. Abgeschlossen ist die Untersuchung der Unterlagen der Areva-Schmiede Forge Creusot noch nicht, aus der die Teile stammen.

Neben der französischen Staatsanwaltschaft ermittelt auch schon die US-Atomaufsicht und bekannt ist, dass mehr als 100 Atommeiler weltweit betroffen sind. Die ASN meint, dass es eine "erneute, diesmal komplette Überprüfung aller Fabrikationsunterlagen" geben müsse. Die Atomaufsicht schließt nicht aus, dass dabei "erneut schwer wiegende Unregelmäßigkeiten" festgestellt werden.

Aber es drängt sich geradezu der Eindruck auf, dass man die Sicherheit der Bürger kurz vor dem strammen Winter hintenangestellt und eben Meiler wieder ans Netz gelassen hat, um zu verhindern, dass im Atomstromland Frankreich die Lichter ausgehen, das zu 80% vom Atomstrom abhängt. Trotz allem musste der Atomstromanbieter EDF die Menschen zum Stromsparen aufrufen, um einen Blackout in einem Land zu verhindern, in dem die Mehrzahl mit Strom schlecht isolierte Wohnungen beheizt, das die Energiewende verschlafen hat.

Es lässt auch die Nachbarländer dafür zahlen, dass nicht genug Reservekapazität bereitgehalten wird und saugt bei Kältewellen Strom aus den Nachbarländern ab. Dort steigen deshalb die Strompreise. In Spanien wird das zunehmend tödlich, weil sich viele arme Menschen es nicht mehr erlauben können, angesichts explodierender Strompreise die Heizung anzuschalten.