Die (postfaktischen?) Erzählungen der Münchener Sicherheitskonferenz

Wolfgang Ischinger auf der Sicherheitskonferenz 2016. Bild: MSC / Kuhlmann

Die Veranstalter erzählen 2017 die Geschichte von der guten "liberalen internationalen Ordnung", die von einer "antiliberalen Internationale" bedroht wird

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Die Sicherheitstagung kommt wieder nach München und verspricht mit den anreisenden Vertretern der Trump-Regierung spannend zu werden. Immerhin haben US-Vizepräsident Mike Pence, US-Verteidigungsminister James Mattis und Heimatschutzminister John Kelly ihr Kommen zugesagt. Von deutscher Seite nehmen u.a. Bundeskanzlerin Angela Merkel, Außenminister Sigmar Gabriel, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Bundesinnenminister Thomas de Maizière teil. Der Konferenzvorsitzende Wolfgang Ischinger legt sich entsprechend ins Zeug, um die Bedeutung des Treffens aufzuwerten, indem jedes Jahr zu einer Art Schicksalswende erklärt wird.

Letztes Jahr wurde der "Beginn eines instabileren Zeitalters" ausgerufen. Ischinger erklärte: "Der Nebel der Unordnung verdichtet sich. Konflikte werden zunehmend maß- und grenzenlos. Und die Ordnungswächter sind überwältigt und leisten nicht genug." Dieses Mal prophezeit er, dass 2017 für Europa das wichtigste Jahr seit dem Mauerfall oder sogar dem Ende des Zweiten Weltkriegs werden wird. Aber da gibt es natürlich auch die Unsicherheiten, die mit Donald Trump einhergehen, also wie es mit dem von der Sicherheitskonferenz gepflegten transatlantischen Bündnis weitergeht, ob Trump sich Russland nähert und die EU und die Nato umgeht.

Zur Konferenz wird auch ein Sicherheitsbericht vorgelegt, der schon mal alles Trendige im Titel durchspielt: "Post-Truth, Post-West, Post-Order?" Im Vorwort greift Ischinger die "Desinformationskampagnen" auf, die angeblich nur von Feinden der Offenen Gesellschaft ausgehen, aber niemals vom Westen, als hätte es etwa, um nur eine der größten herauszuheben, die amerikanisch-britische Lügenkampagne zur Legitimierung des Irak-Kriegs nie gegeben. Alternative Fakten wurden damals im UN-Sicherheitsapparat ganz offiziell von der US-Regierung präsentiert. Aber so kann man halt die Geschichten von den Guten ("der Westen und die internationale Ordnung", die "liberalen Demokratien") und den Bösen nicht so schön erzählen.

Das Vertrauen der Menschen in die Fähigkeiten der westlichen Demokratien nehme ab, so Ischinger, auf dem von den Gegnern aufgespannten Boden der Nachwahrheit, "die internationalen Beziehungen zu gestalten und die regelbasierte liberale Ordnung zu verteidigen", was offenbar mit eigenen Problemen der westlichen Demokratien nichts zu tun hat. Dann schildert Ischinger, dass sich die USA, die bislang "öffentliche Güter und internationale Sicherheit" geboten habe, nun einer unilateraleren oder nationalistischeren Außenpolitik zuwenden könnten. Damit wird suggeriert, die USA hätten zuvor selbstlos und ohne Machtinteresse gehandelt.

Wenn sich nun die USA zurückziehen, d.h. die transatlantischen Bande schwächer werden, sieht Ischinger ein "nachwestliches Zeitalter" anbrechen, in der "nichtwestliche Akteure" internationale Politik mitgestalten und das nicht immer so, wie das unter der amerikanischen Dominanz geschehen ist. Nein, so sagt es Ischinger nicht, er spricht von "multilateralen Frameworks als Fundament der internationalen Ordnung". Die wurde von den USA auch schon gerne mit multilateralen "Koalitionen der Willigen" unter Umgehung der Vereinten Nationen und zuvor auch mit der Unterstützung von Diktaturen verteidigt, während internationale Abkommen gerade nicht eingegangen wurden, um die Dominanz nicht zu gefährden oder in Regeln eingebunden zu werden. Aber wenn die USA sich zurückziehen und andere Akteure mitspielen, gelangen wir, so die Suggestion, in eine Welt nach der (amerikanischen) Ordnung.

So beginnt der Bericht, der das ideologische Narrativ weiter ausspannt, auch mit dem Satz: "Die Welt ist mit einem nichtliberalen Moment konfrontiert." Dann wird verengt, es seien die "westlichen Gesellschaften", die von außen, aber auch von innen durch "populistische Bewegungen" bedroht würden. Zwar wird erwähnt, dass dahinter ökonomische Faktoren stehen könnten, die Stagnation der Einkommen, von wachsender Ungleichheit der liberalen Gesellschaften will man lieber nicht sprechen, um aber gleich nachzuschieben, das sei nicht der Grund für den Wahlsieg von Trump gewesen, sondern eine ominöse "Angst um die Zukunft". Konflikte gebe es zunehmend weniger zwischen der klassischen Rechten und Linken, sondern zwischen einem "liberalen kosmopolitischen Pol" und einem "populistischen oder sogar xenophobisch autoritären".