Die Nato und die Konstruktion des russischen Informationskriegs

Ein von der Nato veröffentlichtes "Handbuch für den russischen Informationskrieg" gegen den Strich gelesen

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Bereits Ende des letzten Jahres wurde von der Nato ein "Handbuch für den russischen Informationskrieg" veröffentlicht. Es richtet sich an Nato-Mitarbeiter, die "mit den russischen Prinzipien der Kriegsführung" nicht vertraut sind, und stellt die angebliche russische Doktrin des Informationskriegs, Cyberwar eingeschlossen, vor.

Es werden vornehmlich russische Quellen verwendet, der Autor des Handbuchs schreibt allerdings, dass die russische Quellen nicht die russischen Konzepte direkt beschreiben, sondern in der Regel die Ansätze, von denen sie annehmen, dass sie von ausländischen Mächten praktiziert werden, um Russland zu schaden. Die sollen dann irgendwie indirekt zeigen, was "Russlands Doktrin" ist, wobei ziemlich wahllos zitiert wird. Ansonsten werden westliche Autoren zitiert, die erklären, wie die russische Strategie sein soll. Es fällt auf, dass das Handbuch nicht die Informations- bzw. Cyberstrategien und vor allem -praktiken der Nato-Staaten erklärt, sondern höchstens auf offizielle Erklärungen und Definitionen zurückgreift, um von diesen aus zu schließen, dass Russland und die Nato auf völlig verschiedenen Ebenen operieren.

Der Informationskrieg werde von Russland unabhängig von Krieg und Frieden geführt, während er im Westen angeblich als begrenzte Informationsoperation während Auseinandersetzungen gilt. Der russische Informationskrieg schließe das "Stehlen, Platzieren, Verhindern, Manipulieren, Verändern und Zerstören von Information" ein. Davon könne alles von Computer bis Smartphones, von wirklichen oder erfundenen Nachrichten bis hin Äußerungen von Politikern oder Prominenten betroffen sein, auch Trollkampagnen, Textbotschaften, Äußerungen besorgter Bürger oder YouTube-Videos. Dabei gehe es um das Erreichen strategischer Zwecke. Als Beispiel wird genannt, den Konsens in der Nato über die Beistandspflicht, Artikel 5, zu untergraben.

Nach dem Autor des Handbuchs ist für Russland Information immer "eine Waffe, ein Ziel und ein Operationsgebiet" im breit angelegten Konzept des Informationskriegs. Man suche Überlegenheit, da Informationskrieg der Ausgang der neuen Kriegsführung sei, wobei Massenmedien ebenso benutzt werden wie Computernetze und das Internet. Der Autor hebt hervor, dass in der Nato über das Konzept des Informationskriegs eher Konfusion herrscht, während die Russen da angeblich weiter seien und Informationskrieg, PsyOps, Beeinflussungsoperationen, Strategische Kommunikation, Computernetzwerk-Operationen oder Militärische Täuschung (MILDEC) nicht unterschiedlich definieren, sondern unter dem Begriff des Informationskriegs verbunden hätten.

"Cyber" werde im russischen Konzept nicht verwendet und auch nicht getrennt von anderen Ebenen betrachtet, so seien in ihm DDoS-Angriffe, Hacking als Ausbeutung von Sicherheitslücken oder RT-Fernsehen gleichermaßen Werkzeuge des Informationskriegs. So werde in Russland auch nicht von "Cyberkommando" wie in den USA gesprochen, statt vom Cyberspace spreche man vom "Informationsraum", der Computer und das menschliche Verarbeiten von Informationen umfasst. Information könne nach dem russischen Verständnis überall gespeichert sein und verbreitet werden, weswegen auch der Begriff der "Informationswaffe" breiter angelegt und nicht nur auf den Cyberspace bezogen sei. Ein russischer General wird zitiert, nach dem Informationswaffen auch in Friedenszeiten verwendet werden können, nach dem Autor eine "offensichtliche Asymmetrie zur Nato-Praxis".

Zuvor war allerdings von Stuxnet die Rede, der vermutlich von amerikanischen und israelischen Geheimdiensten entwickelt und gegen iranische Atomanlagen eingesetzt wurde, allerdings keineswegs nach einem erklärten Krieg. Um die Nato-Position zu belegen, zitiert der Autor hingegen den Chef der Strategischen Kommunikation von SHAPE, der erklärt, dass die Doktrinen der Nato-Staaten dem Militär vieles nicht erlauben würden, was die Russen machen, bevor nicht der Kampf grundsätzlich begonnen wurde. Das mag man glauben oder nicht, der Autor bleibt auch schuldig zu sagen, wann für die Nato "the fighting basically starts".

NATO must use various channels, including the traditional media, internet-based media and public engagement, to build awareness, understanding, and support for its decisions and operations. This requires a coherent institutional approach, coordination of effort with NATO nations and between all relevant actors, and consistency with agreed NATO policies, procedures and principles.

Nato Strategic Communications, wozu auch PsyOps gehört

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