Mysteriöser Tod des Halbbruders von Kim Jong Un

Überwachungskameraaufnahme einer der Verdächtigen

Malaysische Behörden verfolgen Spuren nach Nordkorea - Verdächtige glaubte angeblich, sie würde bei einem Streich mit versteckter Kamera mitwirken

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Ein Sprecher des südkoreanischen Wiedervereinigungsministeriums verlautbarte heute, dass die malaysischen Behörden im mysteriösen Mordfall Kim Jong Nam Spuren verfolgen, die nach Nordkorea führen. Konkret gebe es fünf Verdächtige, die aus diesem Land stammten. Der 1971 geborene Kim Jong Nam war der älteste Sohn des ehemaligen nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Il. Der aktuelle nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un ist sein 13 Jahre jüngerer Halbbruder. Seit den Nuller Jahren soll Kim Jong Nam, der lange als erster Anwärter auf die Nachfolge seines Vaters galt, der japanischen Zeitung Sankei Shimbun zufolge nicht mehr in Nordkorea, sondern in der chinesischen Sonderverwaltungszone Macao gelebt haben.

Am Montag hatte der 45-Jährige in der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur nicht wie geplant ein Flugzeug nach Macao bestiegen, sondern um medizinische Hilfe gebeten und über Unwohlsein geklagt, das eingesetzt habe, nachdem ihm eine Frau am Flughafen eine Flüssigkeit ins Gesicht spritzte. Kurz darauf starb er. Obwohl die medizinischen Untersuchungen nach Angaben der malaysischen Behörden noch nicht abgeschlossen sind, gehen örtliche und internationale Medien übereinstimmend von einer Vergiftung aus. Über das verwendete Gift gibt es bislang nur Spekulationen.

Verdächtige glaubte angeblich an Streich mit versteckter Kamera

Allerdings vermutet offenbar auch die malaysische Polizei, dass Kim Jong Nam Opfer eines Verbrechens wurde, und fahndet deshalb nach sieben Nordkoreanern, von denen drei Verdächtige und vier Zeugen sein sollen. Ein 46-jähriger Nordkoreaner wurde bereits festgenommen - ebenso wie ein Malaysier, eine 25-jährige indonesische und eine 28-jährige vietnamesische Staatsangehörige. Eine der Frauen, von denen Überwachungskameraaufnahmen existieren, soll Kim Jong Nam die Flüssigkeit ins Gesicht gespritzt haben. Die indonesische Staatsangehörige gab dies gegenüber der Polizei angeblich zu, rechtfertigte sich aber damit, sie habe geglaubt, an einem TV-Streich mit versteckter Kamera teilzunehmen.

Der indonesische Polizeichef Tito Karnavian - der in die Ermittlungen in Malaysia bislang nicht einbezogen wurde - hält das für glaubhaft, weil er nach eigenen Angaben annimmt, dass sich echte Agentin, die bewusst handelt, nicht so einfach finden und festnehmen lassen würde. Außerdem hatte sich die Frau seinen Angaben nach bereits in der Vergangenheit an TV-Streichen beteiligt.

Nordkorea verlang Herausgabe der Leiche

Kang Chol, der Botschafter Nordkoreas in Kuala Lumpur, verlautbarte währenddessen, die malaysischen Behörden hätten die Obduktion Kim Jong Nams "ohne unsere Erlaubnis und Anwesenheit" von Vertretern seines Heimatlandes vorgenommen, weshalb man " das Ergebnis kategorisch zurückweisen" werde. Seinen Worten nach weigerte sich die malaysische Polizei, die Leiche der Botschaft zu übergeben, weil Südkorea und andere "feindliche Mächten" Druck auf Malaysia ausübten.

Abdul Samah Mat, der Polizeichef des malaysischen Bundesstaates Selangor, bestägtigte, dass die nordkoreanische Botschaft die Leiche Kim Jong Nams haben wollte, und rechtfertigte die Weigerung damit, dass sich bislang keine Familienangehörigen des Toten gemeldet hätten. Deshalb sei die Leiche noch nicht eindeutig identifiziert. Erst dann, wenn man aus Nordkorea DNA-Proben von leiblichen Verwandten des Toten habe, könne man über eine Überführung nach Pjöngjang entscheiden.

Song Hye Rim, die Mutter von Kim Jong Nam, kann keine solche Probe mehr abgeben- zumindest nicht mehr mit ihrer Zustimmung: Die Schauspielerin starb nämlich 2004 im Exil in Moskau. Auch um ihren Tod ranken sich Gerüchte. Kim Jong Nam selbst hatte in einem Interview vor sechs Jahren behauptet, man habe versucht, ihn in Macau zu ermorden. Über Kim Jong Un sagte er später, der sei zu unerfahren und werde sich nicht lange halten können.

China stoppt Kohleimport aus Nordkorea

Der mutmaßlich Ermordete soll gute Beziehungen zur politischen Elite Chinas gepflegt haben. Dort verkündete die Regierung am Samstag sie werde (vorerst bis Ende des Jahres) alle Kohleimporte aus Nordkorea stoppen. Als Grund dafür nannte sie nicht den Tod ihres möglichen Schützlings, sondern einen Raketentest der Chuch'e-Republik, den diese sechs Tage vorher entgegen eines UN-Verbots durchführte.

Mit der Chuch'e-Ideologie, die er Ende der 1960er Jahre propagierte, ging Kim Il Sung, der Großvater von Kim Jong Nam und Kim Jong Un, einen wirtschaftspolitischen Sonderweg, der sich von dem Chinas deutlich unterscheidet: Ganz oben steht in dieser Ideologie die nationale Autarkie, weshalb erhebliche Ressourcen in die Verteidigung gesteckt wurden, wodurch in anderen Bereichen Forschung und Modernisierung zunehmend auf der Strecke blieben.

Die Idee der Entstehung von Fortschritt durch Arbeitsteilung (auf welche sich sowohl die kapitalistische als auch die sozialistische Welt berief) verwarf die Chuch'e-Ideologie, weswegen Nordkorea dem internationalen Warenaustausch weniger Wichtigkeit beimaß als China. Seit 1989 fiel auch der früher wichtige Handel mit den RGW-Staaten zunehmend weg. Danach zeigten Flutkatastrophen und Dürrejahre mehrmals die Schwächen dieses Modells auf und führten zu schweren Hungerkatastrophen ebenso wie zu massiven Produktionsausfällen durch Rohstoffmangel.

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