Der Lukov-Marsch und die bulgarischen Nationalisten

Bild: F. Stier

Der eigentlich verbotene Marsch zu Ehren des faschistischen Generals ist zum fixen Termin für bulgarische Neonazis und ihre ausländischen "Kameraden" geworden

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Bizarre Szenerie an diesem regnerischen Samstagabend des 18. Februar 2017 vor Sofias Nationalem Kulturpalast (NDK): Ein Standartenträger im graugrünen Lodenmantel posiert für Bildjournalisten, daneben trägt eine junge Frau das fotografische Portrait eines Generals. Über den Platz vor dem NDK reihen sich einige Hundertschaften junger und nicht mehr ganz so junger Männer, manche in Uniform gekleidet und fahnenschwingend, manche kahlgeschoren, vereinzelt darunter auch Frauen.

Was man für den Set zu einem Historien-Film halten könnte, ist tatsächlich der Lukov-Marsch. Seit 2003 wird er jährlich zum Gedenken des bulgarischen Generals und einstigen Kriegsministers Hristo Nikolov Lukov abgehalten. Er wurde am 13. Februar 1943 vor seinem Wohnhaus in der Sofioter Artilleriestraße 1 von einem kommunistischen Killerkommando erschossen.

Freiheit ist nach Rosa Luxemburg immer die Freiheit des Andersdenkenden, so mag es in einer demokratisch verfassten Gesellschaft wie der bulgarischen gute Gründe dafür geben, auch den radikalen Nationalisten der Bulgarischen Nationalen Union (BNS) das Versammlungsrecht zu gewähren. Doch wird die Abhaltung einer politischen Kundgebung von einer Stadtverwaltung Jahr ein Jahr aus was für Gründen auch immer untersagt, so ist es doch merkwürdig, dass diese dennoch Jahr für Jahr stattfinden und sich zur mächtigsten Parade der extremen Rechten in Bulgarien entwickeln kann. www.lukovmarsh.info

Außer den Vertretern der bulgarischen und internationalen Bürgerrechtsbewegung fordern seit einigen Jahren verstärkt auch ausländische Botschafter ein Verbot des Lukov-Marsches. Erstmals untersagte Sofias Bürgermeisterin Jordanka Fandukova im Jahr 2014 seine Durchführung. Seitdem aber gleicht sich das Prozedere Jahr für Jahr. Nachdem die Bürgermeisterin den Lukov-Marsch verboten hat, geleiten massive Polizeikräfte die Lukov-Marschierer zur Kranzniederlegung am Wohnhaus des ermordeten Generals. "Wenn wir den Lukov-Marsch nicht stoppen, legitimieren wir den Hass", kritisiert Solomon Bali von der jüdischen Vereinigung B'nai B'rith in Sofia diese Praxis. Immerhin aber habe auch das nicht durchgesetzte Verbot die Zahl der Teilnehmer von bis zu zweitausend auf einige hundert reduziert, gesteht er zu.

Bild: F. Stier

"Demonstration der vereinigten europäischen Neofaschisten"

Ungeachtet seines formellen Verbots ist der Lukov-Marsch zum fixen Termin geworden nicht nur für bulgarische Neonazis, sondern auch für ihre ausländischen "Kameraden". In diesem Jahr waren die Fahnen mit dem schwarzen Pfeil auf grünem Grund der skandinavischen "Nordischen Widerstandsbewegung" zu sehen. Und eine Gruppe deutscher Teilnehmer trug ein Transparent, auf dem geschrieben stand "Für ein gemeinsames Europa". Vermutlich um der Polizei keinen Vorwand zum Einschreiten zu liefern, verzichten die Lukov-Marschierer für gewöhnlich auf radikale Sprechgesänge etwa gegen Minderheiten oder die Regierung. Stattdessen skandieren sie immer wieder "General Hristo Lukov" sowie ihr Motto "Svoboden, Nationalen, Sozialen" (Frei, National, Sozial).

Die Organisatoren des Lukov-Marsch bestreiten, durch seine Durchführung undemokratische, minderheitenfeindliche Ideen propagieren zu wollen, Sie wollten lediglich einem "großen Patrioten die Ehre erweisen", beteuern sie. In Hristo Lukov sehen sie einen Helden, von dem die Legende geht, er habe im September 1918 wenige Wochen vor dem Ende des Ersten Weltkriegs praktisch alleine, nur mit Hilfe von vier Kanonen und einer Handvoll Getreuer, die Einnahme der westbulgarischen Grenzstadt Kjustendil durch die serbische Armee vereitelt. Auch halten sie Lukov zugute, er habe während seiner Zeit als bulgarischer Kriegsminister von 1935 bis 1938 die vom Friedensvertrag von Neuilly vorgesehenen Beschränkungen für die bulgarische Armee überwunden und zu ihrer Wiedererstarkung beigetragen.

Seine Gegner sehen im Lukov-Marsch indes die Huldigung eines Faschisten, der in den 1930/40er Jahren als Führer des Bunds bulgarischer nationaler Legionen (SBNL) ein glühender Anhänger Hitlers und Kollaborateur der deutschen Nationalsozialisten in Bulgarien gewesen sei. General Lukov und seine Legionäre hätten sich jeglichen demokratischen Prinzipien und allem Fremden widersetzt, sagt etwa Solomon Bali, der zudem die Lukov zugeschriebenen militärischen Heldentaten bestreitet: "Für jeden, der kriegshistorische Literatur gelesen hat und die Geschichte kennt, klingt es lächerlich, dass Lukov allein mit vier Kanonen und fünf Schafshirten eine gegnerische Kompanie besiegt und Kjustendil beschützt haben soll".

Die "Demonstration der vereinigten europäischen Neofaschisten" habe Sofia "zu Europas Hauptstadt des Neonazismus gemacht", hat Balis B'nai B'rith in scharfen Worten gegen die Durchführung des diesjährigen Lukov-Marsch protestiert. "Am 18.02. wehten durch Sofia die farbigen Fahnen des Hasses bulgarischer, polnischer, deutscher, ungarischer, schwedischer und weiterer europäischer Neofaschisten. Seit nunmehr vierzehn Jahren haben wir den Marsch zum Höhepunkt des Neonazismus im Lande erklärt und versucht, die Politiker davon zu überzeugen, dass es keine falschere Politik gibt als die Toleranz gegenüber Intoleranten. Zum wiederholten Male sind die Politiker dem Hass und der Furcht gewichen, um sie in Wahlergebnisse zu kapitalisieren", heißt es in der Protestnote von B'nai B'rith.

Den Marsch durch die Institutionen der parlamentarischen Demokratie lehnenY die Organisatoren des Lukov-Marsches von der Bulgarischen Nationalen Union lehnen ab. Sie seien zum Schluss gekommen, "die Rettung Bulgariens kommt nicht durch Abgabe des Wahlzettels alle vier Jahre, sondern durch alltäglichen unbeugsamen Kampf würdiger bulgarischer Männer und Frauen, die in ihrem Herzen ein neues Ideal tragen, das dem heute herrschenden liberal-demokratischen System total entgegensteht".

Ungeachtet ihres erklärten Anti-Parlamentarismus pflegt die BNS freundschaftliche Kontakte zu nationalistischen Parlamentariern wie dem Europa-Abgeordneten Angel Dschambarski. Der stellvertretende Vorsitzende der VMRO BND - Bulgarische Nationale Bewegung sieht in General Lukov einen bulgarischen Volkshelden, der zu ehren sei. "Es ist seltsam und unzulässig, eine Verbindung zum Nazismus zu ziehen, denn zu der Zeit, als Lukov den Kampf um Kjustendil geführt hat, gab es weder Faschismus noch Nationalsozialismus. Diese Vorwürfe stammen von Leuten mit hormonellen Problemen, die die Geschichte weder lesen noch kennen", sprach Dschambarski anlässlich des Lukov-Marsches 2012.