Die unendliche Geschichte der griechischen Euro-Rettung

Foto: Wassilis Aswestopoulos

Zauberer oder Zauderer? Alexis Tsipras zwischen deprimierenden Daten, neuen Sparmaßnahmen und falschen Versprechen

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Bei den Griechenland-Verhandlungen der Eurogruppe gibt es immer noch keinen messbaren Fortschritt. Die Euro-Finanzminister kamen am vergangenen Montag lediglich darüber ein, dass Griechenland nach Verabschiedung neuer, für die Folgejahre wirksamer Sparmaßnahmen mit der Ankunft der Kreditgeber in Athen zur Wiederaufnahme der entsprechenden Verhandlungen zur Beendigung der zweiten Inspektion des dritten Rettungsprogramms rechnen kann.

Eigentlich hätte die diesbezügliche Inspektion und damit die Freigabe der entsprechenden Kredittranche laut Kreditvertrag vor knapp einem Jahr abgeschlossen sein müssen.

Die Ernüchterung

Zudem wurde der griechische Premierminister als Zauderer präsentiert, der Reformen nicht vorantreiben würde. In der Heimat ließ sich Tsipras dagegen als Zauberer feiern. Er würde jedem Euro neuer Belastung einen Euro der entsprechenden Entlastung der Steuerzahler entgegensetzen. Besonders der Minister für Digitale Politik, Nikos Pappas, trat dabei auf allen Fernsehkanälen als Verkünder der frohen Botschaft auf.

Die Ernüchterung folgte schnell. Denn die regierungsamtlichen Darstellungen gingen nicht konform zu den Meldungen, die der ausländischen Presse zu entnehmen waren. So erfuhren die Griechen aus den entsprechenden Übersetzungen der einheimischen Presse, dass zum Beispiel die Berliner Zeitung eine Lösung des Problems erst nach den Bundestagswahlen im September sieht.

Sie lesen, dass die von den Kreditgebern geforderte erneute Rentenkürzung sofort umzusetzen ist, während selbst der demonstrativ vor Optimismus strotzende Pappas die von ihm versprochenen sozialen Gegenmaßnahmen für 2019 verspricht.

Foto: Wassilis Aswestopoulos

Tsipras hatte zudem immer wieder betont, dass er eine politische Lösung anstreben würde. Er war guter Hoffnung, da viele der Austeritäts-Maßnahmen gegen EU-Recht verstoßen. Diesen Hoffnungen schob Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Donnerstag einen Riegel vor. So lange ein Land in einem Rettungsprogramm ist, ist das EU-Recht außer Kraft gesetzt - darauf fassten die griechischen Medien Junckers Äußerungen zusammen.

Die nächste Ernüchterung folgte aus dem Mund des für einige Tage von der Bildfläche verschwundenen Finanzministers. Euklid Tsakalotos war nach dem Treffen der Eurogruppe nicht vor die Mikrophone getreten und hatte bis zum Donnerstag geschwiegen. Während über seinen (politischen) Tod spekuliert wurde, hieß es in Journalistenkreisen, dass Tsakalotos sich von den falschen Jubelarien seiner Parteikollegen distanzieren wolle.

Sparmaßnahmen?

Am Donnerstag erklärte er im Parlament, dass er noch nicht wisse, wie tief einschneidend die noch nicht explizit ausformulierten, geforderten Maßnahmen der Kreditgeber seien. Offen widersprach er dem engsten Freund seines Premierministers, indem er betonte, dass einige Bürger viel verlieren würden und andere eventuell sogar etwas gewinnen könnten. Dafür würde sich die Regierung einsetzen, versprach er.

Der ehemalige Bildungsminister Nikos Filis scheint einige der Sparmaßnahmen konkreter zu kennen, als Tsakalotos es vorgibt. Gegenüber Journalisten sagte er, dass eine Rentenkürzung mit gleichzeitiger Senkung des Steuerfreibetrags für Bürger aber paralleler Senkung der Unternehmenssteuern nicht durchsetzbar sei. Filis räumte ein, dass er sich mehrfach mit Tsakalotos getroffen habe.

Filis schafft sich zudem ein Image des Dissidenten. Er wettert öffentlich gegen die bestehende Koalition mit den rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen, deren Legitimation er anzweifelt. Vor den Wahlen hätte beide Parteien zumindest die ablehnende Haltung zum Spardiktat geeint.

Das sei nunmehr hinfällig, meint Filis, der statt des Verteidigungsministers Panagiotis Kammenos, die PASOK unter Fofi Genimata jedoch ohne den früheren Vizepremier Evangelos Venizelos an der Seite der Regierung sehen möchte.

Die PASOK weist diese Annäherungsversuche brüsk als den Versuch, die Schuld des Scheiterns teilen zu wollen ab.

Foto: Wassilis Aswestopoulos

Filis ist mit seinen Zweifeln an der Durchsetzbarkeit der Sparmaßnahmen nicht allein. Selbst der Staatsekretär im Arbeitsministerium, Tasos Petropoulos bezweifelt, dass eine Kürzung des Steuerfreibetrags ohne soziale Gegenmaßnahmen das Parlament passieren kann. Bei Filis, der bislang als treuer Parteisoldat auftrat, wiegen die Äußerungen jedoch schwerer. Offenbar bereitet sich der überzeugte Linke auf die Zeit nach Tsipras vor.

An dessen Koalitionspartner und Freund Panos Kammenos lässt er kein gutes Haar. Statt Kammenos geplante Aufrüstung der Luftwaffe mit F-35 Stealth Jets und weitere Rüstungseinkäufe über knapp zwei Milliarden Euro Renten zu kürzen, meint Filis, solle Kammenos doch lieber beim Sold seiner Militärs sparen. Diese wurden nämlich aufgrund von Kammenos Veto von den bisherigen Sparmaßnahmen weitgehend ausgeklammert.