Abschied von Armin Medosch

Viel zu jung ist der Telepolis-Mitbegründer gestorben - ein Nachruf

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Vor wenigen Tagen ist der Medienkünstler und -theoretiker Armin Medosch gestorben. Eine Nachricht, die aus der Ferne zu uns über Umwege nach München kam. Einigen Lesern von Telepolis wird Armin als Redakteur und Autor noch bekannt sein. Er hat zusammen mit Jürgen Fey und mir Telepolis in einer Zeit gegründet und mit aufgebaut, als das Web noch ziemlich am Anfang stand.

Wir sind uns begegnet, als in München das Kulturreferat daran interessiert war, ein städtisches Medienlabor aufzubauen. Vorausgegangen war 1991 ein internationales Symposium über den Cyberspace und Virtual Reality im Deutschen Museum. Armin hatte das Kunst-Raum-Schiff MS Stubnitz mit initiiert und durchgeführt, worauf Stefan Iglhaut, damals Siemens Kulturprogramm, ohne das es das Medienlabor nicht gegeben hätte, aufmerksam geworden war. Armin wurde zum Leiter des Medienlabors. Wir führten einige Ausstellungen und Symposien in dieser aufregenden Zeit des Aufbruchs der digitalen Medien und des Internet durch und luden interessante Künstler und Theoretiker wie Stelarc oder Lev Manovich zu Aufenthalten in München ein. Das größte Projekt, das Armin mit unglaublicher Energie und Kreativität mit zum Erfolg führte, war die Ausstellung mit dem Namen Telepolis, die das Medienlabor München im Auftrag des Goethe Instituts im November 1995 in Luxemburg, der damaligen Kulturhauptstadt Europas, durchführte. Vorgestellt wurde anhand einzelner Anwendungen und Projekte, wie das Internet das Leben in den Städten verändern wird. Parallel dazu fanden in München und Luxemburg zwei Symposien mit der Burda Akademie mit bekannten Architekten und Stadtplanern statt, letztere waren damals allerdings meist der Meinung, dass das Internet kaum Folgen für die Architektur und das urbane Leben haben würde.

Jürgen Fey, der damalige Korrespondent der c't in München, war nach Luxemburg gekommen, war von dem Projekt angetan und schlug eine Zusammenarbeit mit dem Heise Verlag vor. Zur Ausstellung hatten wir bereits ein Online-Magazin gestartet, zu der Zeit war Wired zu dem Kultmagazin der digitalen Szene und des "kalifornischen Traums" geworden, es fehlte aber noch ein deutsches Wired. Fey brachte Armin und mich mit Steven Steinkraus, dem damaligen Geschäftsführer von Heise zusammen. Ziemlich überraschend und schnell waren Armin und ich dann Redakteure des neuen Online-Magazins Telepolis, das der Heise Verlag in den Boomzeiten des Internet vor 2000 mutig und innovativ startete.

Armin war sechs Jahre bei Telepolis, das zunächst als Online-Magazin sehr stark auf Theorie, Kultur und Kunst im und über das Internet ausgerichtet war, aber immer auch die politischen Entwicklungen im digitalen Zeitalter im Blick hatte. Er hat maßgeblich das frühe Aussehen mitgeprägt, für die Einbeziehung von Netzkunst und Netzkünstlern gesorgt und vor allem, als er 1997 nach London übergesiedelt war, wichtige Impulse für die damals noch deutsch-englische Ausgabe gegeben. Mit seinen Kontakten war er auch Impulsgeber für den Schwerpunkt auf die Ende der neunziger Jahre über die digitale Technik aufkommende globale Überwachung mit dem Schwerpunkt auf Echelon, Enfopol und die europäischen Bemühungen, möglichst weitgehend die Gesellschaften informatorisch unter Kontrolle zu bekommen.

Telepolis startete bereits im März 1996 als noch wenige andere Medien im Netz waren, es war eine aufregende Zeit des Experimentierens in einer Zeit, in der das Internet aber schnell zu einem Massenmedium wurde. Armin mit seiner künstlerischen Seite konnte hier viel mit anschieben und einbringen, Telepolis wurde als ambitioniertes Projekt bekannt und bekam Preise. Zusammen mit Janko Röttgers brachte er 2001 das erste und erfolgreiche Telepolis-Buch heraus: "Netzpiraten. Die Kultur des elektronischen Verbrechens". Doch im Jahr 2000 platzte die Dotcom-Blase, was in der Folge mit dem Einbruch von Online-Werbung und dem Stellenmarkt, auch Folgen für den Verlag und Telepolis hatte. Telepolis musste sich einer radikalen Budgetkürzung unterziehen, was neben vielen anderen Umstellungen auch personelle Konsequenzen hatte, Armin verließ den Verlag. 2003 erschien noch sein Buch "Freie Netze" in der Telepolis-Reihe, das es weiterhin als kostenloses PDF zum Herunterladen gibt. Armin träumte vom Comeback der Internet-Utopien mit den Wireless Local Area Networks.

Seitdem haben sich unsere Wege, wohl auch teilweise unsere Welten leider getrennt. Armin zog schließlich von London nach Wien, war tätig als freier Kurator, Journalist etwa für Radio Ö1 und ORF.at und widmete sich weiter der Medienkunst und der kritischen Reflexion der digitalen Medien. Schon mit 54 Jahren ist er, wie wir hören, nach kurzer, schwerer Krankheit aus dem Leben gerissen worden. Ich kannte ihn als umtriebigen, neugierigen und einfallsreichen Menschen, der mithelfen wollte, die Welt technopolitisch zu verbessern, der Kunst als Politikum verstand, der aufrecht war. Auch im Namen der anderen Telepolis-Mitarbeiter verabschiede ich mich von Armin, der für eine spannende Zeit ein maßgeblicher Wegbegleiter im digitalen Labyrinth gewesen war.