Die türkische Mauer

Türkische Mauer an der Grenze zu Syrien. Screenshot aus einem Video/ YouTube/Al Mayadeen

An der türkisch-syrischen Grenze entsteht eine 900 km lange Mauer. Eine breit vernetzte Miliz für Erdogan wird aufgebaut

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Über Trumps Mauer zu Mexico wird hierzulande viel geschrieben, die Empörung ist groß. Selbst der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim kritisierte die geplante Mauer zwischen Mexiko und den USA:

Ihr baut Mauern, aber Mauern sind nie eine Lösung. Sie werden eingerissen, so wie die Berliner Mauer

Binali Yildirim

Nun ist jedoch die Türkei seit 2014 selbst dabei, eine 500 km lange Mauer entlang der türkisch-syrischen Grenze zu bauen.

Die Mauer der Schande

Der Bau soll im ersten Halbjahr 2017 fertig sein, so die Prognose des türkischen Verteidigungsministers Fikri Isik. 367 km sind davon schon fertiggestellt. Das Ziel der türkischen Regierung ist es, die kurdische Bevölkerung auf beiden Seiten endgültig voneinander zu trennen. Sie will verhindern, dass sich die durch die Grenze geteilten Familien weiterhin treffen, dass das Embargo gegen Nordsyrien ohne Schlupflöcher vollkommen verwirklicht wird.

Denn es gab einen regen Warenhandel im Grenzgebiet, der für viele Familien die einzige Einkommensquelle darstellt. Betroffen sind auch die syrischen Flüchtlinge, die versuchen, in die Türkei zu gelangen. Sie werden von den türkischen Grenzbeamten mit Gewalt zurückgehalten, es kam schon zu mehreren Todesfällen.

Gebaut wird die Mauer von der staatlichen Baugesellschaft TOKI, die auch damit beauftragt ist, die zerstörten Städte mit billigen Wohnblocks wiederaufzubauen. Dagegen gibt es Proteste aus der kurdischen Bevölkerung, die hinter den Wohnungsbaumaßnahmen eine Verdrängungspolitik der Regierung vermutet. Denn es ist geplant, in den Wohnsilos hauptsächlich arabische Syrer, Turkmenen und Gagausen anzusiedeln.

Dass es sich um einen Eingriff in die demographische Zusammensetzung der Bevölkerung im Südosten der Türkei handelt, wird auch daran deutlich, dass Erdogan es Syrern ermöglichen will, bei dem Referendum im April mit abzustimmen. Die syrische Regierung verurteilte den Mauerbau, unter anderem auch weil sie teilweise auf syrischem Territorium gebaut wird - so geschehen in der "Nordsyrischen demokratischen Föderation" (auch Rojava genannt).

Das syrische Außen- und Auswärtige Ministerium hat den UNO-Generalsekretär und den Präsidenten des UN-Sicherheitsrates dazu aufgerufen, auf die Türkei einzuwirken, den Mauerbau zu beenden. Die Mauer sei eine "Verletzung des Grundsatzes gutnachbarlicher Beziehungen". Die Mauer verläuft nämlich südlich der Gleise der Bagdad-Bahn, also auf syrischem Territorium.

Dabei kommt es ständig zu Grenzverletzungen, da die Bagger unter dem Schutz des türkischen Militärs auf syrischen Boden vordringen, um die Mauer zu errichten. Die autonome Verwaltung der Nordsyrischen Föderation postulierte, die Mauer stelle eine Verletzung der Souveränität des Volkes dar. Kritiker nennen die Mauer "Die Mauer der Schande".

Erdogans Milizen

Die Vorbereitung auf einen möglichen Bürgerkrieg scheinen voll im Gange. Der Schwiegervater von Präsident Erdogans Sohn Bilal, Orhan Uzuner, baut für Erdogan eine bewaffnete Miliz auf. Dies berichtete die Zeitung cumhuriyet am Montag vergangener Woche.

Die Miliz soll sich Kardeş Kal Türkiye (brüderliche Türkei) nennen. Uzuner möchte ein großes Netzwerk aufbauen, um in kürzester Zeit bei einem erneuten Putschversuch viele Menschen auf die Straßen mobilisieren zu können. Über Whats-App-Gruppen soll eine schnelle Kommunikation laufen, eine zentrale Whats-App-Gruppe für alle Beteiligten soll dies gewährleisten.

Jeder Einzelne soll aber auch eigene Whats- App-Gruppen gründen, womit er selbst schnell mobilisieren kann. Funkanlagen sollen in allen Regionen bereitgestellt werden, damit eine nahtlose Funkkommunikation möglich ist. Eine Gruppe mit dem Namen "Zello" soll sich darum kümmern. Sie soll auch die Verbindung zu einem Radiosender herstellen, der eigens für die Miliz aufgebaut werden soll. Zweck des Radios ist es in erster Linie, die Aktivitäten der Miliz bekannt zu geben.

Aber auch Propaganda für den Präsidenten und sein Referendum soll über den Sender laufen. Es werden auch verschiedene Schulungen für die Mitglieder von Kardeş Kal Türkiye angeboten, wie zum Beispiel "Erste-Hilfe". Das Ministerium für Gesundheit zertifiziert die "Erste-Hilfe-Ausbildung". Schulungen soll es auch zu Kommunikation- und Informationssicherheit gegeben, auch Funklizenzen sollen erworben werden können.

Die Generaldirektion für zivile Luftfahrt bildet sie an unbemannten Drohnen aus. Angeführt wird die Miliz von Bilal Erdogans Schwiegervater. Bilal ist der Sohn von Präsident Erdogan und soll in dubiose Ölgeschäfte mit dem IS und Geldwäsche in Italien verwickelt sein.

Im Falle eines erneuten Putschversuchs, Sabotageaktion wie die Unterbrechung des Stromnetzes oder des Internet soll ein mobiles Warnsystem über Handmegaphone und Sirenen die Massen mobilisieren. Die Etablierung dieser Miliz bedeutet letztendlich nichts anderes als die staatliche Förderung einer bewaffneten Bürgerwehrtruppe, die jederzeit und an jedem Ort gegen die Kritiker eingesetzt werden kann.

Spezialeinheiten des Volkes

Eine weitere Miliz ist schon seit Monaten im Aufbau: Die Halk Özel Hareketi (HÖH), was so viel heißt wie "Spezialeinheiten des Volkes". Immer wieder werden Autos mit der Aufschrift HÖH gesichtet, die mit einem alten osmanischen Emblem und türkischer Fahne versehen sind.

Diese Gruppe hat auch einen Verein mit einer sehr nationalistisch-islamistisch geprägten Website, die darauf schließen lässt, dass es sich um eine Miliz ähnlich der Spezialeinheit Osmanli Ocaklari handelt.

Es gibt Befürchtungen, dass sich aus diesen Milizen heraus eine Art Islamische Garde für Erdogan herausbilden könnte ähnlich wie die Pasdaran im Iran. Der CHP - Abgeordnete Hamut Tanal fragte vergangene Woche im Parlament nach, ob die Aktivitäten der HÖH der Regierung bekannt seien und ob sie an offizielle Stellen angebunden seien.