Russland räumt erstmals Aufstellung von Infowar-Truppen ein

Der russische Verteidigungsminister Sergey Shoigu kündigte den Aufbau von Informationskriegstruppen an. Bild: mil.ru

Der russische Verteidigungsminister sprach von "kluger, kompetenter und effektiver" Propaganda

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Nachdem aus den USA und Europa den Russen schon lange und besonders mit dem Beginn des Ukraine-Konflikts vorgeworfen wurde, Cyberangriffe auf alle möglichen Ziele auszuführen, zuletzt auch die Wahlen in westlichen Ländern beeinflussen zu wollen, hat Moskau nun erstmals offiziell von der Gründung einer Infowar- oder Cyberwar-Einheit bei den Streitkräften gesprochen.

Wie Tass berichtet, erklärte Verteidigungsminister Sergey Shoigu letzte Woche im Rahmen des Berichts über die Situation der Streitkräfte, dass "Informationsoperationskräfte" aufgebaut worden seien. Sie sollen "weitaus effektiver" als die Mittel sein, die bislang zum Zweck der Gegenpropaganda verwendet wurden: "Propaganda muss klug, kompetent und effektiv sein."

Mehr als eine solche Andeutung gab der Verteidigungsminister nicht. Klar wird daraus höchstens, dass es bei der neuen Abteilung angeblich nicht um das gehen soll, was im Westen unter Cyberwar verstanden wird, nämlich um das Eindringen in Netzwerke, sondern um den Medienkrieg oder auch PsyOPs. Da Shoigu die Aufgabe dieser Informationsoperationskräfte nicht näher ausführte, aber die Gegenpropaganda explizit benannte, scheint es zumindest eher um die Verbreitung von Informationen zur Beeinflussung von Gegnern oder den Bevölkerungen von Ländern zu gehen, die aber auch über die Verbreitung von Informationen im Ausland hinausgeht, die von Staatsmedien wie etwa RT oder Sputnik realisiert wird.

Es finden nicht nur in westeuropäischen Ländern Wahlen statt, sondern bald auch in Russland. Man kann mithin davon ausgehen, dass ähnlich wie in den westlichen Ländern "Beeinflussungsoperationen" abgewehrt werden sollen, offenbar durch aktive Propaganda. Es könnte also darum gehen, dass man in Russland der im Westen als Abwehr von "Beeinflussungsoperationen" und "Fake News" legitimierten Aufrüstung im Medien- und Informationskrieg - es wird auch von "Information als Waffe" gesprochen - etwas entgegensetzen will oder meint zu müssen. Schließlich gilt überall, dass Informationen und Medien entscheidend für politische und militärische Konflikte sein können.

Die Zurückhaltung Shoigus, die sich in der seines Ministeriums spiegelt, da seine Bemerkungen in der englischen Wiedergabe seiner Rede nicht enthalten sind, könnte aber auch bedeuten, dass man zwar den Parlamentariern versichert, auch im Infowar aufzurüsten, aber vermeiden will, die damit verbundenen antirussischen Bestrebungen weiter zu schüren. Ansonsten wird hier durchaus minutiös die Aufrüstung und Modernisierung der konventionellen und strategischen Truppen vorgestellt, ebenso die Erfolge der russischen Streitkräfte und der russischen Waffensysteme in Syrien. Geopolitisch habe man den Zerfall des Landes verhindert und die "Kette der bunten Revolutionen" im Nahen Osten und in Afrika verhindert. Ganz wichtig war es, die Einsatzbereitschaft der strategischen Verbände herauszustellen, die zum großen Teil modernisiert und auch mit neuen Atomraketen ausgestattet worden seien.

In einem kürzlich veröffentlichten Handbuch der Nato über den russischen Informationskrieg (Die Nato und die Konstruktion des russischen Informationskriegs) wird das freilich anders gesehen. "Cyber" werde im russischen Konzept nicht verwendet und auch nicht getrennt von anderen Ebenen betrachtet, heißt es hier, so seien in ihm DDoS-Angriffe, Hacking als Ausbeutung von Sicherheitslücken oder RT-Fernsehen gleichermaßen Werkzeuge des Informationskriegs. So werde in Russland auch nicht von "Cyberkommando" wie in den USA gesprochen, statt vom Cyberspace spreche man vom "Informationsraum", der Computer und das menschliche Verarbeiten von Informationen umfasst. Information könne nach dem russischen Verständnis überall gespeichert sein und verbreitet werden, weswegen auch der Begriff der "Informationswaffe" breiter angelegt und nicht nur auf den Cyberspace bezogen sei.

Tatsächlich scheint es doch um mehr als Propaganda zu gehen. Ex-General Vladimir Shamanov, der Vorsitzende des Streitkräfteausschusses, sagte, die Aufgabe der Infowar-Truppen sei es, "die Interessen der nationalen Verteidigung zu schützen und sich am Infowar zu beteiligen. Dazu gehöre auch, feindliche Cyberangriffe abzuwehren. Der "Informationskonflikt" sei eine "Komponente des allgemeinen Konflikts". So ähnlich will es auch Viktor Ozerov, der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Föderationsrats sehen. Die Info-Truppen sollen die Datensysteme schützen, aber keine Angriffe im Ausland führen.

Eben das wird aber im Ausland gefürchtet oder beschworen, nachdem Geheimdienste, Nato und Sicherheitsbehörden im Westen Russland beschuldigen, seit dem Ukraine-Konflikt seine Interessen mit einer "hybriden" Kriegsführung, zu der auch Informationsoperationen gehören, durchzusetzen. In den USA soll, so wird behauptet, eine Kombination aus Hacks von angeblich zu russischen Geheimdiensten Hackergruppen und "Beeinflussungsoperationen" durch Verbreitung von Informationen mittels staatlicher Auslandsmedien und Internetnetzwerken sowie mittels WikiLeaks habe Einfluss auf die US-Wahlen zugunsten von Donald Trump genommen.

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