Firtasch wieder frei

Dmitri Firtasch. Foto: Inter. Lizenz: CC BY 3.0

Der ukrainische Ex-Präsident Janukowitsch glaubt, dass ihn eine Verschwörung des Oligarchen mit seinem altem Präsidialkanzleichef Sergej Ljowotschkin das Amt kostete

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Der ukrainische Oligarch Dmitri Firtasch, der am 21. Februar aufgrund eines Europäischen Haftbefehls aus Spanien in Wien festgenommen wurde, befindet sich seit Freitagnachmittag wieder in Freiheit. Die Freilassung erfolgte auf eine Entscheidung des Landesgerichts Wien hin, dass die Haft nicht erforderlich sei, weil Firtasch nicht nur seinen Pass hinterlegte und eine Meldeauflage akzeptierte, sondern nach seiner ersten Festnahme 2014 auch auch eine Rekordkaution in Höhe von 125 Millionen Euro hinterlegte. Nun hat die Staatsanwaltschaft zwei Wochen Zeit, um gegen diese Entscheidung Beschwerde beim OLG Wien einzulegen.

Ebenfalls am 21. Februar hatte das Oberlandesgericht Wien entschieden, dass der Oligarch an die USA ausgeliefert werden darf. Die Vorinstanz, das Landesgericht Wien, hatte 2015 noch anders geurteilt, weil der Auslieferungsantrag ihrer Überzeugung nach "auch politisch motiviert" ist. Dieser Einschätzung wollten die drei Richter am OLG nicht folgen. Der letztlich zuständige österreichische Justizminister Wolfgang Brandstetter hat noch nicht bekannt gegeben, ob er dieser Entscheidung folgen wird.

Flirtasch wird sowohl von den Strafverfolgungsbehörden in den USA als auch von denen in Spanien der Geldwäsche beschuldigt. Der Bezug zu den USA beschränkt sich jedoch auf die Nutzung von US-Banken und auf andere Verdächtige, die sich zeitweise dort aufhielten. Hintergrund sollen Bestechungszahlungen an indische Politiker für eine Titanabbaulizenz dort gewesen sein, die letztendlich nicht erteilt wurde. In Spanien geht es unter anderem um dubiose Immobiliengeschäfte.

Merkwürdige E-Mail und ein dubiose Detektivin

Firtasch selbst weist alle Vorwürfe als "absurd" zurück. Sein Rechtsanwalt Dieter Böhmdorfer (der im letzten Jahr für die FPÖ die Wiederholung der Bundespräsidentenwahl erwirkte), warnte nach der Entscheidung des OLG, man dürfe nicht zulassen, "dass Österreich zum Handlanger der politischen Weltmacht USA wird". Seiner Ansicht nach ist das eigentliche Ziel des Auslieferungsantrages, den Einfluss Russlands in der Ukraine zurückzudrängen (vgl. Ukrainischer Oligarch Firtasch darf ausgeliefert werden).

Dem Guardian liegen E-Mails vor, die darauf hindeuten, dass Böhmdorfer nicht ganz Unrecht haben könnte: Nachdem der damalige ukrainische Staatspräsident Viktor Janukowitsch der damaligen stellvertretenden US-Außenministerin Victoria Nuland 2013 zusicherte, das Assoziationsabkommen zwischen der Ukraine und der EU zu unterzeichnen, teilte das FBI nämlich den Wiener Behörden mit, die vorher beantragte Auslieferung Firtaschs habe nun keine Priorität mehr. Dafür, dass Firtasch selbst an einen politischen Hintergrund glaubt, spricht auch, dass er die ehemals für den DDR-Inlandsgeheimdienst tätige Privatdetektivin Christina W. engagierte, um via BND auf das FBI Einfluss zu nehmen. W. wurde dafür vor kurzem vom Amtsgericht Schwerin wegen Beamtenbestechung zu zwei Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt.

Personenflexibel - außer bei Timoschenko

Zum geschätzte 10 Milliarden Euro schweren Oligarchen wurde der 1965 im galizischen Bohdaniwka geborene ehemalige Feuerwehrmann, weil er nach dem Ende der Sowjetunion ins Gasgeschäft einstieg - und zwar so, dass er als Mittelsmann für Gaslieferungen aus Turkmenistan und via Russland selbst kräftig profitierte. Damit die "Rahmenbedingungen" für die Geschäfte stimmten, soll er auch Politiker an den Profiten beteiligt haben - unbestätigten Medienberichten nach waren darunter sowohl der prowestliche ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko als auch sein eher russlandfreundlicher Nachfolger Viktor Janukowitsch. Keine guten Kontakte pflegte er anscheinend zur ehemaligen Ministerpräsidentin und "Gasprinzessin" Julia Timoschenko, die lange als besonderer Favorit der USA galt.

Nach eigenen Angaben, die er dem Landgericht Wien gegenüber machte, wandte er sich 2012 von Janukowitsch ab und unterstützte den in Deutschland aus der Fernsehwerbung bekannten Ex-Boxer Vitali Klitschko (was dieser bestreitet). Im März 2014 traf sich Firtasch allerdings nachweislich mit Klitschko, dem jetzigen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und Janukowitschs altem Präsidialkanzleichef Sergej Ljowotschkin in Wien. Ziel des Treffens war angeblich ein Bündnis gegen Timoschenko. Danach schloss sich die UDAR-Partei des promovierten Boxers, der Bürgermeister von Kiew wurde, dem Block Poroschenko an (vgl. Ein Land, vier Oligarchen).

Janukowitsch wirft Firtasch Verschwörung vor

Dem 2014 gestürzten Präsidenten Janukowitsch zufolge waren Ljowotschkin, Firtasch und der damalige ukrainische Sicherheitsratschef auch maßgeblich mit für seinen Amtsverlust verantwortlich. Diese drei, sagte er dem Spiegel, hätten "hinter seinem Rücken ihr eigenes Spiel getrieben, […] ihn getäuscht, gelogen, betrogen". Ob jemand, der so flexibel agiert, ein reiner "Agent Moskaus" ist (wie manche Medien meinen) ist fraglich. Tatsächlich könnte das von den USA gestellte Auslieferungsabkommen nicht nur (oder nicht in erster Linie das Ziel haben), einen mächtigen Ukrainer auszuschalten, der gute Kontakte mit Russen pflegt, sondern Firtasch unter Strafandrohungs- und Haftbedingungsverschlechterungsdruck zu befragen und dadurch an belastendes Material über russische und ukrainische Geschäftsleute und Politiker zu kommen, das sich im Bedarfsfall "diplomatisch" einsetzen lässt.

In der Anklage, die dem spanischen Auslieferungsbegehren zugrunde liegt, wird Firtasch mit dem israelischen Mafiaboss Semion Mogilewitsch (der aus der Ukraine stammt) in eine illegale Geschäftsverbindung gebracht - was der Oligarch bestreitet. Ein anderer Verdächtiger, der in Spanien ansässige Sohn des ehemaligen Bürgermeisters von Kiew, der beim Verkauf einer ukrainischen an eine italienische Bank um 750 Millionen Euro reicher geworden sein soll, wurde inzwischen von den Behörden wieder auf freiem Fuß gesetzt. Dafür ließ die Staatsanwaltschaft Barcelona mit einem Europäischen Haftbefehl den in Wien wohnhaften Hares Y. in dieser Sache festnehmen, einen Syrer mit ukrainischem Pass. Er war Berater von Janukowitschs Vorgänger Juschtschenko und bestreitet alle Vorwürfe

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