Pentagon: Russland hat "versehentlich" arabische SDF-Kämpfer bombardiert

Mit den Türken sind die von Saudi-Arabien unterstützten Islamisten von Ahrar al-Sham in Al Bab eingerückt.

Russland weist die Beschuldigung zurück, die Situation in Syrien ist verworren, unübersichtlich und hochexplosive

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Gestern berichtete Generalleutnant Stephen Townsend, der Kommandeur der Anti-IS-Operation Inherent Resolve, dass russische Flugzeuge von den USA ausgebildete arabische Kämpfer bombardiert hätten. Dabei kann es sich nur um Kämpfer der von den syrischen Kurden dominierten SDF (Syrian Democratic Forces) handeln, die sich in der Nähe von Al Bab aufhielten, das von den türkischen Soldaten mit den sie begleitenden Milizen eingenommen wurde.

Vermutlich ging allerdings der Einnahme der lange umkämpften Stadt wie bei Dscharablus ein Deal mit dem Islamischen Staat vorher, der sich aus Al Bab zurückgezogen hat und damit den türkischen Verbänden den Vortritt ließ (IS überlässt türkischen Truppen Al Ban). Auch die syrischen Truppen standen kurz vor der Stadt, es kam bereits zu Schusswechseln zwischen diesen und den türkischen Verbänden. Russland steht zwischen der Türkei und Damaskus und könnte womöglich ausgetrickst worden sein.

Die türkische Regierung hat schon länger angekündigt, nach Al Bab Richtung Raqqa ziehen zu wollen. Die SDF-Verbände haben seit längerer Zeit, auch unter dem Druck der USA, eine Offensive auf die syrische "IS-Hauptstadt" Raqqa begonnen. Anders als in Mosul will das Pentagon hier einen Erfolg mit "seinen" Bodentruppen erzielen. Ankara aber will verhindern, dass die syrischen Kurden ihr territoriales Gebiet vergrößern. Dazu waren SDF-Verbände, die aktiv von den USA unterstützt werden, in letzter Zeit weiter von Manbij (Manbidsch), das die Türkei auch unter ihre Kontrolle bringen will, Richtung Al-Bab vorgerückt, um einen Korridor mit dem kurdischen Afrin zu bilden.

Ahrar al-Sham-Kämpfer angeblich in Al Bab.

Bemerkenswert an der Darstellung des Pentagon über die Bombardierung der arabischen Kämpfer - man will auf keinen Fall von kurdischen sprechen -, ist, dass den Russen zugestanden wird, dass es sich um ein Versehen handelt, obgleich betont wird, dass US-Soldaten nur wenige Kilometer entfernt gewesen seien. Sie hätten mithin auch zum Ziel werden können, was zu einem schweren Konflikt zwischen Russland und den USA geraten wäre. Das russische Militär sei davon ausgegangen, dass die Dörfer noch unter IS-Kontrolle stünden, während sie bereits von arabischen Kämpfern eingenommen worden waren. Peinlich für die russischen Militärs ist hingegen, dass es schon das zweite Mal ist. Zuvor waren türkische Milizen bei Al Bab versehentlich bombardiert worden (allerdings hatten vor einiger Zeit US-Kampfflugzeuge "versehentlich" syrische Truppen bei Deir Ezzor angegriffen und um die 100 Soldaten getötet).

Moskau weist die Behauptung zurück. Weder syrische noch russische Flugzeuge hätten syrisch-arabische Koalitionstruppen bombardiert. Das US-Militär habe den russischen Streitkräften genaue Koordinaten mitgeteilt, wo sich diese befinden, um einen unbeabsichtigten Angriff zu vermeiden. Das sei berücksichtigt worden, es sei in der Gegend kein einziger Angriff geflogen worden, teilte das russische Verteidigungsministerium mit.

Ob sich die Zurückhaltung dem Versuch verdankt, mit Washington unter Präsident Trump weiterhin eine Annäherung bewerkstelligen zu können, oder sich der komplexen Lage schuldet, nicht mit dem Nato-Partner Türkei anzuecken, muss dahingestellt bleiben. Fakt ist jedoch, dass die Kurden und die mit ihnen verbündeten Araber zum Opfer der unterschiedlichen geostrategischen Interessen werden könnten. Townsend sagte, die Bombardierung habe unter den syrischen Kämpfern - "unseren syrisch-arabischen Koalitionsstreitkräften" - zu Opfern geführt, aber Näheres war von ihm nicht zu hören. Er betonte lediglich, die Konflikte verkleisternd, dass die USA alle Seiten bekräftigen würden, sich auf den Kampf gegen den IS und die Eroberung von Raqqa zu konzentrieren. Townsend lobte denn diplomatisch auch die türkischen Truppen für ihren Erfolg über den IS bei Al Bab und erklärte, man habe die Einnahme mit Luftangriffen unterstützt.

Noch ist unklar, wie sich die US-Regierung unter Trump positionieren wird

Auf der anderen Seite macht das Pentagon deutlich, dass man weiterhin zu den kurdischen Bodentruppen der SDF in Syrien steht. So veröffentlichte das Central Command am Dienstag einige Fotos von kurdischen Kämpferinnen. Sie bekamen Schießausbildung und seien "Ready for the fight". Townsend sagte denn auch, sei überzeugt, dass die SDF weiter erfolgreich Raqqa isolieren werden, um die Befreiung der Stadt vorzubereiten. 6000 Quadratkilometer seien schon vom IS "gesäubert" worden.

Kurdische Kämpferinnen, Bild von CentCom

Man diskutiere weiterhin, "wie die Türkei und ihre Partnerstreitkräfte zur Befreiung der Stadt beitragen können", versicherte er. Kaum denkbar jedoch, dass die syrischen Kurden mit den türkischen Streitkräften freiwillig koalieren werden, nachdem letztere die SDF immer wieder beschossen und bekämpft haben. Es ist ein Eiertanz, den das US-Militär jetzt noch mehr als zuvor vollführt, so lange nicht bekannt ist, wie die neue US-Regierung militärisch in Syrien und im Irak vorgehen wird. Verteidigungsminister hat angeblich bereits einen Plan, den Islamischen Staat schnell zu besiegen, dem Weißen Haus bzw. dem Nationalen Sicherheitsrat übergeben. Einzelheiten sind nicht bekannt.

Nach Jeff Davis, einem Pentagon-Sprecher, soll es sich um einen "breiten Plan" handeln, der nicht nur militärisch ist und sich nicht auf Syrien und den Irak beschränkt, sondern Globales im Auge hat. Alle Elemente der "nationalen Macht" würden herangezogen, es sei ein "transregionaler Ansatz", wichtig sei die Diplomatie. Trump selbst hatte erklärt, er sei für die Einrichtung von "sicheren Zonen", was auch die Türkei fordert.