Separatisten übernehmen ukrainische Koks- und Stahlfabriken

Die ehemaligen Kämpfer von Milizen kontrollieren mittlerweile auch die Straße zwischen Kurakhove und Marinka. Bild: censor.net.ua

Zuvor hatten Veteranen von rechten ukrainischen Milizen die Einfuhr blockiert, sie werden jetzt mitunter als "Agenten Moskaus" bezeichnet

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"Alles läuft nach Plan. Fast vierzig ukrainische Unternehmen wurden von einem externen Management übernommen", verkündete Aleksander Sachartschenko, der Gouverneur der prorussischen "Volksrepublik Donezk" am Mittwoch.

In den Separatistengebieten Donezk und Luhansk übernahmen die prorussischen Rebellen am Mittwoch Kohle- und Stahlfabriken, die noch von der Ukraine verwaltet wurden, aber auch weitere ukrainische Firmen, nach Sachartschenkos Aussage. Der Separatistenchef erklärte den ersten März "zum Siegestag der Republik Donezk". Er will die Stahl und Koksunternehmen "verstaatlichen" und deren Erzeugnisse der Russischen Föderation und anderen Ländern verkaufen.

Seit Ende Januar begannen ukrainische Veteranen die Eisenbahngleise zu blockieren, die die Kohle aus den Separatistengebieten in die von Kiew kontrollierte Ukraine transportierte. Trotz der permanenten bewaffneten Konflikte an der Demarkationslinie waren diese Handelsbeziehungen bis dahin bestehen geblieben. "Blut-Handel" nennen es die Blockierer, die aus dem Umfeld der Freiwilligenbataillone "Donbass" und "Ajdar" kommen. Mit dem Geld würden die Separatisten Waffen kaufen, die sie gegen die Ukrainer richteten, so der Kommandeur des "Donbass"-Bataillons und Abgeordnete Semen Sementschenko. Die Ukraine hat darum bereits Mitte Februar den Energienotstand ausgerufen (Ex-Milizionäre üben mit Kohleblockaden Druck auf Kiew aus).

Die Wut richtete sich auch gegen den ukrainischen Oligarchen Rinat Achmetow, dem die Anlagen hauptsächlich gehören und der sich nicht deutlich genug gegen die Separatisten ausgesprochen habe. In den letzten Tagen wurden die Blockierer von "nicht identifizierten Angreifern" ohne Schusswaffen körperlich angegriffen. Viele sehen den Oligarchen als Auftraggeber. Achmetow hingegen will die Besetzung seiner Unternehmen nicht hinnehmen und keine Steuern an die Separatisten bezahlen, wie es von den "Volksrepubliken" verlangt wird.

Lange Zeit hat die Regierung in Kiew zu vermitteln versucht, allerdings erklärte der ukrainische Innenminister Arsen Avakov Anfang dieser Woche, dass er die Blockaden bald mit militärischer Gewalt auflösen wolle. Zwar ist der Handelsweg nun durch die Separatisten selbst blockiert, allerdings wollen die Veteranen auch Verbindungen mit Russland sperren.

Kremlsprecher Dmitri Peskov zeigte aus humanitären Gründen Verständnis für die Übernahme der ukrainischen Unternehmen durch die Separatisten.

Mittlerweile werden die Blockierer von einigen ukrainischen Medien auch in die Nähe Moskaus gerückt. Denn der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU veröffentlichte am Dienstag eine Unterredung Aleksander Sachartschenkos mit seinem Polizeichef. Demnach wollten die Separatisten die ukrainischen Unternehmen auch dann in Anspruch nehmen, wenn die ukrainischen Veteranen die Verkehrsblockade aufgegeben hätten und weiterhin die Lieferung der Kohle blockieren: "Wir kümmern uns nicht darum, was sie machen, wir geben ihnen (der Ukraine) kein Stück Kohle mehr." Somit wären die patriotischen Blockierer "nützliche Idioten des Kremls", da sie einen Vorwand lieferten, die ukrainischen Unternehmen zu enteignen, oder sie seien gar "Agenten Moskaus".

Die Energieversorgung des Landes ist vor allem von Kohle abhängig

Die Ukraine steht nun in vieler Hinsicht unter Druck. Nach Angaben des staatlichen Energiekonzerns "Ukrenergo" langten die Vorräte an Anthrazitkohle noch rund 30 Tage, um einen stabilen Betrieb des Stromnetzes in der Ukraine aufrecht zu erhalten.

Premier Vladimir Groisman erklärte auf einer Pressekonferenz nach einem Gespräch mit Vertretern der Stahlindustrie, das Land habe bald nur noch zwei Möglichkeiten: Kohle aus den USA zu kaufen, dies wäre zu teuer oder aus Russland. Der Mitte-Rechts-Abgeordnete Andrey Denisenko befürchtet, dass so die Kohle aus dem Separatisten-Teil des Donezkbeckens als russische Kohle deklariert an die Ukraine verkauft werden könnte.

Verbreitet ist auch die Meinung, dass die okkupierten Industrieanlagen abgebaut und nach Russland transportiert wird, so dass die Region lebensunfähig wird.

Nach Einschätzung von Gouverneur Aleksander Sachartschenko werde die Ukraine nur noch 60 Tage existieren. Dies erklärte Wladimir Solojow, dem Moderator der populären politischen Talkshow "Der Abend" in dem staatlichen russischen Fernsehsender Rossija 1 und hatte so ein großes Publikum.