Nordirak: Peschmerga greifen Shengal an

Kämpfe im Shengal. Bild: ANF-News

Erdogan und der Präsident der Autonomen Region Kurdistan, Barsani, als Strippenzieher

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Kurdische Peschmergas griffen am Freitag die kurdischen ezidischen (jezidischen) Einheiten im Shengal (auch Shingal) an. Auf beiden Seiten gab es Tote und Verletzte. Auch zwei Journalisten wurden bei den Gefechten verletzt, darunter die Journalistin Nûjian von Cira TV. Vieles deutet darauf hin, dass Erdogan diesen Angriff mit Barsani eingefädelt hat.

Vergangene Woche besuchte der Präsident (ohne Mandat) Barsani den türkischen Präsidenten Erdogan. Dabei ging es neben Fragen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit auch um die Bekämpfung des IS und vor allem der PKK. Die Türkei fliegt regelmäßig Luftangriffe gegen das Hauptquartier der PKK im Qandilgebirge an der Grenze zum Iran.

Ezidische Selbstverteidigungskräfte im Visier

Nun haben Erdogan und Barzani die von der PKK ausgebildeten ezidischen Einheiten YBŞ/YJŞ im Visier. Beide versuchen, sie als PKK-Militante zu diskreditieren. Die ezidischen Einheiten werden sowohl von Bagdad wie auch von Washington unterstützt. Am Mittwoch wurden auf Befehl der KDP die sogenannten Rojava-Peschmergas (Roj Pesch) an der Grenze zu Syrien zwischen die Stellungen der SDF (YPG/YPJ) und der YBŞ/YJŞ stationiert.

Die Peschmergas sollten auf Geheiß Barzanis in zwei Städten, Sinune (Sinûnê) und Khansor (Xenêsorê), die außerhalb der kurdischen Autonomieregion liegen und von den ezidischen Einheiten kontrolliert werden, Stellung beziehen. Es kam zu Kampfhandlungen, weil die ezidischen YBŞ dies nicht akzeptierten. Dabei wurden vier Peschmerga-Kämpfer von den YBŞ-Einheiten gefangen genommen, darunter zwei ehemalige Mitglieder des IS.

Lokale Quellen berichteten, dass die beiden Araber den IS verließen und sich nach einer militärischen Ausbildung durch die Türkei den FSA-Gruppen anschlossen, als die türkischen Streitkräfte unter dem Namen "Euphrat-Schild" Jarablus vom IS übernahmen. Nach dem jüngsten Treffen von Erdogan und Barzani sollen die beiden über Erbil zu den Roj Pesch gebracht worden sein.

Zardasht Shingali, ein YBŞ-Kommandant, sagte den kurdischen lokalen Nachrichten, dass sie nicht mit den Zusammenstößen begonnen hätten und es nicht ihr Interesse sei, die Peschmerga zu bekämpfen. Das Peschmerga-Ministerium hingegen behauptete, die der PKK nahe-stehenden YBŞ hätten einen Personalaustausch der Peschmergaeinheiten verhindert und das Feuer eröffnet.

In einer Erklärung verkündeten sie, dass die Peschmerga-Einheiten frei seien, sich jederzeit und überall auf kurdischem Territorium zu bewegen, sie bräuchten keine Erlaubnis von irgendjemand. Wohlgemerkt auf einem Territorium, das nicht zur kurdischen Autonomieregion gehört.

Die Eziden sind politisch gespalten

Das Oberhaupt der KDP-nahen kurdischen Ezidi-Gemeinde, Mir Tahseen Beg, forderte beide Streitkräfte auf, die Zusammenstöße zu stoppen. Die Eziden sind politisch gespalten. Es gibt einerseits die ezidische Peschmerga-Einheit von Qasim Shesso, die sich der KDP verpflichtet fühlen, obwohl die Peschmergas die Eziden beim Überfall auf den Shengal und dem anschließenden Genozid des IS 2014, sich selbst überließen (siehe dazu: Streit um Shengal).

Andererseits gibt es die ezidischen Einheiten, die sich mit den PKK-Einheiten, die letztlich den Fluchtkorridor für tausende von Eziden im Shengal-Gebirge schufen, verbunden fühlen und ein demokratisches System nach dem Vorbild der "Demokratischen Föderation Nordsyrien" (auch unter Rojava bekannt) aufbauen möchten. Der Korrespondent der Barzani-nahen Nachrichtenagentur "Kurdistan24" meldete am Freitag Nachmittag, dass der YBŞ-Kommandant den Chef der Peschmergas, Jamal Iminiki kontaktierte, um die Zusammenstöße zu stoppen.

Dies wurde auch von der Gegenseite, Qasim Shesso bestätigt. Seine ezidischen Peschmerga-Einheiten weigerten sich, gegen die YBŞ vorzugehen. Ezidische Mütter gingen wegen den Auseinandersetzungen zu den Stellungen der KDP-Streitkräfte und skandierten:

Wir brauchen keine Hilfe von außen, die YBŞ/YJŞ beschützen uns schon. Ihr habt uns verlassen und seid geflohen, als der IS Shengal angegriffen hat, was wollt Ihr hier jetzt? Wir wollen nicht, dass die KDP uns beschützt. Wir wollen hier keine andere militärische Kraft als YBŞ/YJŞ und HPG/YJA-Star.

Ezidische Mütter

Die Türkei und Barsani

Kurdische Medien berichteten, dass sich 80 junge Rojava-Peschmergas weigerten, an dem Angriff teilzunehmen. Der KDP-Geheimdienst Parastin soll ihnen die Waffen abgenommen, sie verhaftet und versucht haben, den Eindruck zu erwecken, als ob die jungen Peschmergas bei den Zusammenstößen getötet worden zu sein.

Die jungen Leute befinden sich nun in der "Obhut" des KDP-Geheimdienstes an einem unbekannten Ort. Drei oppositionelle kurdische Parteien, die im Parlament der Autonomieregion vertreten sind, sprechen von einer Intrige und verurteilten die Angriffe auf die Bevölkerung im Shengal.

Erdogan und die KDP hätten diese Angriffe verursacht. Die Rojava-Peschmergas seien überdies vom türkischen Geheimdienst ausgebildet und finanziert worden. In Syrien investierte die Türkei Millionen Dollar, indem sie den Pro-Barzani-Kurdischen Nationalrat (ENKS) finanzierte. Die Türkei trainierte und rüstete über 5.000 Barsani-treue syrische Kurden aus.

Die sogenannten Roj Pesch wurden nach Rojava geschickt und sollten dort versuchen, Einfluss zu erlangen, indem sie andere syrische Kurden auf die Seite der KDP bringen sollten um Rojava zu destabilisieren. Aber der Plan scheiterte. Die "Demokratische Föderation Nordsyrien" gilt in immer mehr Kreisen als ein Modell für Frieden im Nahen Osten. Die USA wie auch Russland betrachten deren Armee als erfolgreichste Verbündete im Kampf gegen den IS.