Als Patient in Schweden: Bitte warten

Ein Eindruck vom schwedischen Gesundheitssystem

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Es gibt viel Gutes über Schweden zu sagen. Die schöne, aber nicht unberührte Natur. Die netten, aber distanzierten Menschen. Die offene, jetzt zunehmend restriktive Flüchtlingspolitik. Sogar die freundliche, aber unnachgiebige Steuerbehörde. Nur krank werden sollte man hier besser nicht. Schon gar nicht psychisch.

Knochenbruch? Nicht in Schweden

Um die medizinische Versorgung ist es beim nördlichen Nachbarn Deutschlands eigentlich gut bestellt. Moderne Einrichtungen, Universitätskliniken, medizinische Forschung finden sich hier. Beliebt ist das Land als Auswanderungsziel für deutsche Ärzte wegen seiner ausgezeichneten Arbeitsbedingungen, so ist beispielsweise Dienstschluss nach Plan keine Seltenheit.

Die Unterschiede beschränken sich allerdings nicht allein auf die Ärzteschaft. Auch als Patient ist vieles anders. Im Krankheitsfall ruft man bei der örtlichen "Vårdcentral", einer Art Polyklinik, an. Bereits dies kann eine Herausforderung darstellen: In manchen Kliniken beginnen die Telefonzeiten um 8 Uhr, und zehn Minuten später sind bereits alle Zeiten ausgebucht. Zumal längst nicht jeder auch einen Termin bekommt.

Der Anruf wird von einer Krankenschwester entgegengenommen, die den Zustand des Anrufers abfragt. Erst dann entscheidet sie, ob sie einen Arzt hinzuzieht oder den Anrufer mit einigen Ratschlägen vertröstet. Selbst bei Verdacht auf Knochenriss seitens des Anrufers erhält dieser mit etwas Glück einen Termin bei einem Allgemeinarzt in der Vårdcentral. Ab Mai soll in mindestens einem Regierungsbezirk eine Strafzahlung von umgerechnet etwa 20 Euro verlangt werden, wenn man einen solchen Termin innerhalb von 24 Stunden absagt.

Nimmt man den Termin wahr, so wird der Arzt bzw. die Ärztin dann, wenn er oder sie es für notwendig erachtet, eine Überweisung ins nächste Krankenhaus ausstellen, das den Patienten dann beispielsweise röntgen und weiter versorgen kann. Handelt es sich um eine aufwändigere Operation, so ist es durchaus nicht unüblich, dass die Verletzung erst einmal provisorisch zwischenversorgt wird, bis ein Operationstermin in einigen Monaten gefunden werden kann.

Zwar ist es möglich, direkt online einen Antrag bei einer Spezialklinik zu stellen, aber auch dort werden Bearbeitungszeiten von bis zu zwei Wochen angegeben. Übrigens wird eine Patientengebühr ab etwa 15 Euro schon beim Vorsprechen beim Allgemeinarzt verlangt und kann für Besuche bei Fachärzten auf über 40 Euro ansteigen. Kinder allerdings bezahlen nichts.

Nach einer Therapie liegen die Dinge nicht unbedingt besser. Selbst nach Behandlungen wegen Bandscheibenvorfall bis hin zu schwerwiegenden Eingriffen wie Krebsoperationen wird zudem äußerst sparsam mit Rehabilitationsmaßnahmen umgegangen. Den Patienten werden einige Hinweise gegeben, welche Übungen sie machen sollen, und dann werden sie nach Hause entlassen. Das fördert zweifellos die Eigenverantwortung, ist jedoch in einem mit Kuren und Reha-Maßnahmen reichlich versorgten Land kaum vorstellbar.

Zumal den Ärzten zwar durchaus nicht Kompetenz abgesprochen werden kann. Nur inwieweit sie diese zugunsten des Patienten zur Anwendung bringen, steht auf einem anderen Blatt. Nicht umsonst ist das allzeit ärztlich empfohlene und häuslich als Universalheilmittelchen angewendete Präparat das Schmerzmittel Alvedon.

Auf der anderen Seite wird durch dieses System dem deutschen Standard der schonungslosen Ausbeutung von Klinikärzten mit 48-Stunden-Schichten und Wochenendarbeit vorgebeugt. Manch ein deutscher Arzt dürfte sich im Paradies wähnen, wenn er an ein schwedisches Krankenhaus mit seinem pünktlichen Arbeitsschluss wechselt.

Die Gründe für diese Zustände sind zum einen sicherlich strukturell bedingt und in einem gewissen Maße in der Mentalität begründet, zum anderen mangelt es aber ganz schlicht an Ärzten. Und das nicht nur im dünn besiedelten Norden des Landes, sondern auch im vergleichsweise dichtbevölkerten Süden.

Ein "Ärzteschaulaufen", wie es aus Deutschland bekannt ist, wird durch dieses System effektiv unterbunden - eine schnelle Behandlung jedoch unter Umständen auch.