Ukraine: Blockade um Blockade

Straßensperre zur Blockade des Warenverkehrs mit dem Donbass. Bild: Nationalgarde

Kiew hat den kompletten Handel mit den abtrünnigen Gebieten Donezk und Luhansk eingestellt, um so die Separatisten unter Druck zu setzen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Blockade soll solange aufrechterhalten werden, bis die Enteignungen ukrainischer Unternehmen in den Separatistengebieten wieder zurück genommen werden - so die Forderung von Staatspräsident Petro Poroschenko. Die Unternehmen seien "Brücken", die die Rückkehr des Gebietes in die Ukraine ermöglichten, betonte Poroschenko am Donnerstag.

Seit März haben die Separatisten ukrainische Betriebe auf ihrem Gebiete enteignet und die Kohlelieferung eingestellt. Zuvor hatten ukrainische Milizen die Kohlelieferungen auf Schienen aus dem Donbas blockiert. Kämpfer der Bataillone "Donbass" und "Ajdar" argumentierten, dass die Separatisten das verdiente Geld in Waffen gegen die Ukraine investieren würden (Ex-Milizionäre üben Druck auf Kiew aus). Diese Blockade wurde von ukrainischen Polizeikräften am Dienstag aufgelöst, wonach es landesweit zu Protesten kam.

Zwischen den selbsternannte Volksrepubliken Donezk und Lugansk und der Ukraine kommt es immer wieder zu Kämpfen, der 2015 in Minsk eingehandelte Waffenstillstand wird nicht eingehalten. Nach UN-Schätzungen sind in diesem Konflikt bereits über 10.000 Menschen gestorben.

Aleksander Sachartschenko, Gouverneur von Donezk, zeigte sich von den Maßnahmen in Kiew offiziell unbeeindruckt: "Lasst sie tun, was sie wollen, die Ukraine ist nicht Teil unserer Pläne." Sachartschenko will die rund 50 Unternehmen, die er beschlagnahmt hat, darunter sind vor allem die Kohle- und Stahlwerke von Bedeutung, für russische Abnehmer umstellen. Doch so schnell geht das nicht.

Auch wenn an den in Minsk 2015 festgelegten Demarkationslinien täglich geschossen wurde, so garantierten einige ukrainische Großunternehmen, zumeist in Besitz des Oligarchen Riant Achmetow, einen verhältnismäßig guten Verdienst. Dieser versucht nun Entschädigung für die "Verstaatlichung" der Separatisten von Seiten des ukrainischen Staates zu erhalten, was innerhalb der wirtschaftlich maroden Ukraine zu Spannungen führen wird.

Blockade des Warenverkehrs. Bild: Nationalpolizei

Gleichzeitig droht der Energienotstand. Die meisten Vorkommen der Anthrazitkohle, auf die die ukrainische Industrie eingestellt ist, liegen in dem vom prorussischen Rebellen besetzten Gebieten. Die Ukraine will einen Energienotplan ausarbeiten. "Der Handelsstopp wird die Wirtschaft hart treffen", sagte Igor Lapin, Abgeordneter der "Volksfront", der größten Partei des ukrainischen Parlaments. Nach Lapin gingen dieses Jahr 32 Milliarden Griwna (1,1 Milliarde Euro) an Steuern verloren.

Zudem sei es problematisch, die Kohleversorgung per Schiff aus dem Ausland zu gestalten, da die Ukraine nicht über die entsprechenden Tiefhäfen verfüge. Als Exporteuer kämen Südafrika und die USA in Frage - billiger, jedoch politisch umstrittener wären Lieferungen aus Russland.

Ansonsten sind die Straßen und Schienen in die Volksrepubliken mit Militär und Polizei blockiert, der kommerzielle Warenverkehr ist unterbunden. Wie sich die verstärkten Kontrollen für die 30.000 Menschen auswirken, die täglich die Demarkationslinien überqueren, scheint noch unklar. Nach Aussage des Innenministers Arsen Awakow soll die Blockade des Warenhandels nicht die "Wurst im Beutel der Familienangehörigen" betreffen, der Austausch zwischen den Familien jenseits der Demarkationslinien dürfe weiter gehen.

Kritik aus Deutschland, Frankreich und Russland

Derzeit fährt Kiew, das am 16. März 2014 die Krim durch ein international nicht anerkanntes Referendum verloren hat, einen immer deutlicheren Konfrontationskurs gegenüber Russland. So analysiert die ukrainische Nationalbank in Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst die Aktivitäten der russischen Banken in der Ukraine und deren Verflechtungen, was nach Angaben von "Kanal 24" eine Vorbereitung für Sanktionen sei.

Der Stopp des Warenverkehrs wird von Deutschland, Frankreich und Russland, den Unterzeichnern des Abkommens von Minsk, kritisch gesehen. "Eine solche Entscheidung trägt aus unserer Sicht nicht zur Deeskalation bei, ganz im Gegenteil: Sie befördert eher noch die Abspaltungstendenzen", erklärte Martin Schäfer vom Auswärtigen Amt in Berlin. Russland sieht durch die Blockade das Minsk2-Abkommen verletzt.

Aleksander Sachartschenko auf der Krim. Bild: av-zakharchenko.su

Nur die USA enthalten sich einer Wertung, Mark Toner, Sprecher des Außenministeriums, sagte lediglich, dass man die Blockade beobachten werde, und forderte eine "friedliche Lösung".

Aleksander Sachartschenko hat auf der Krim am Donnerstag während einer Feier zum dritten Jahrestag der "Wiedervereinigung" mit Russland, wie es hier hieß, erklärt, er hoffe, dass sich die Volksrepubliken bald Russland anschließen werden: "Welche Sanktionen auch immer auferlegt werden, welcher Druck auch immer aus dem Westen kommen wird, unabhängig davon, ob die Krim als Teil Russlands anerkannt wird oder nicht, wir sind Russen! …Ich bin sicher, dass der Donbass sich bald Russland anschließen wird. Und wir werden über Land zu unseren Brüdern in die Krim gehen."